Parsival und die Blumenmädchen.
Im Garten des bösen Zauberer Klingsors versuchen die Blumenmädchen erfolglos Parsifal zu verführen. Zweiter Aufzug von Wagners Parsifal. Parsifal geht auf dem Brunnenrand entlang und berührt entzückt jede der ausgestreckten Hände. An jedem Blumenmädchen kommt er vorbei. Dazu tönt die lockende Musik, duftig und leicht, mit der die Blumenmädchen Parsifal bezirzen möchten. Er soll im Garten vergessen, dass er eigentlich vorhatte, Titurel zu erlösen.
Neuanfertigung nach dem Originalgemälde von Ludwig Fahrenkrog aus dem Jahre 1909.
In der Platte signiert: „Fahrenkrog 09-“.
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Größe 277 x 200 mm.
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Clinschor, Zaubermädchen, Zauberreich, zeitgenössische Kunst, Zivilisation, Zuschaustellung, Zyklus, Ludwig Carl Wilhelm Fahrenkrog, deutscher Maler, Schriftsteller und Dichter. Geboren am 20. Oktober 1867 in Rendsburg; gestorben am 27. Oktober 1952 in Biberach/Riß. Sein Werk entsprang der Lebensreformbewegung und dem Jugendstil. 1893 für das Gemälde "Kreuzigung Christi" mit dem Großen Staatspreis ausgezeichnet war er nach einem Stipendienjahr (1894) in Rom nicht mit den erwarteten historistischen Kopien alter Meister und antiker Formen nach Deutschland zurückgekehrt, sondern mit in freier Landschaft gemalten Bildern. 1909 Aufenthalt in Paris. Mit tiefer Skepsis widmete er sich fortan der christlichen Überlieferung. 1901 erschreckte er die Öffentlichkeit bei einer großen Ausstellung in der Barmer Kunsthalle - drei Jahre nach der Berufung an die Barmer Kunstgewerbeschule - mit der Darstellung eines bartlosen "Jesus von Nazareth". Der Neuerer der Kunst gegen den Historismus lehnte allerdings die modernen Richtungen der internationalen Avantgarde, den Kubismus und Expressionismus, ab und blieb einem gegenständlich-symbolistischen Stil verpflichtet. Seine Bildinhalte kreisten um Natur, germanische Mythologie und innerseelische Konflikte. Bereits 1900 trat Fahrenkrog aus der christlichen Gemeinschaft aus und war Mitbegründer der 1907 gegründeten Germanischen Glaubensgemeinschaft (GGG), welche im Harzer Bergtheater mehrere Allthinge abhielt. Durch dieses Wirken wurde er von linken Kritikern zu einem Wegbereiter des N. erklärt. Gleichwohl hielt sich das N.-System in kritischer Distanz zu dem religiösen Schwärmer, der weder partei- noch kriegsverherrlichende Gemälde schuf. Wohl dadurch gehört Ludwig Fahrenkrog heute zu den vergessenen deutschen Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts. Doch das Vergessen geschieht zu Unrecht. Blickt man unbefangen auf sein Schaffen, so erkennt man darin einen Künstler, der sich zeitlebens ernsthaft mit Gott und den elementaren Antrieben des menschlichen Lebens auseinandergesetzt hat. 1913 erschien Fahrenkrogs Bildband "Lucifer", 1922 folgte der Bildband "Ludwig Fahrenkrog. Seine Schöpfungen und ihre Bedeutung für unser Volkstum". Trotz seiner konservativ-deutschnationalen Grundhaltung erhielt er 1945 den Auftrag, die ermordeten Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl nach Fotografien zu malen. Sein schriftlicher Nachlass liegt im Archiv für Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum. Weitere Werke: Die Höllenfahrt Christi (1896, Kiel), Ausmalung der Kirche in Herdecke (1911), er hat auch ein Drama mit dem Titel „Baidur" geschrieben. Der Maler und Schriftsteller Ludwig Fahrenkrog (1867-1952) gehört heute zu den vergessenen deutschen Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts. Das hat auch politische Ursachen, denn Fahrenkrog fungierte 1912 als Gründer der umstrittenen naturreligiösen "Germanischen Glaubens-Gemeinschaft". Doch das Vergessen geschieht zu Unrecht. Blickt man unbefangen auf sein Schaffen, so erkennt man darin einen Künstler, der sich zeitlebens ernsthaft mit Gott und den elementaren Antrieben des menschlichen Lebens auseinandergesetzt hat. Mitbegründer der 1907 gegründeten Germanischen Glaubensgemeinschaft (GGG), welche im Harzer Bergtheater mehrere Allthinge abhielt. Parsifal (WWV 111) ist das letzte musikdramatische Werk von Richard Wagner. Wagner selbst bezeichnete das dreiaktige Stück als ein Bühnenweihfestspiel und verfügte, dass es ausschließlich im Bayreuther Festspielhaus aufgeführt werden sollte. Die Namen einiger der Hauptfiguren (z. T. bewusst in anderer Schreibweise) sowie einige Handlungselemente sind dem Versroman Parzival des mittelhochdeutschen Dichters Wolfram von Eschenbach entlehnt, mit dessen Haupthandlung das Bühnenweihfestspiel aber nichts zu tun hat. Intention Wagners Wagners Parsifal enthält religiöse Elemente wie weihevolle Musik, Monstranzenthüllung (Gral), Taufe und christliches Abendmahlsritual. Bereits in seinen Züricher Kunstschriften (Das Kunstwerk der Zukunft, Oper und Drama) entwickelte er die Idee, den Kern des Religiösen durch Kunst zu verdeutlichen. In Religion und Kunst schreibt er zusammenfassend: „Man könnte sagen, dass da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche sie im eigentlichen Sinne als wahr geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen Werte nach erfasst, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.“ Wagner erklärte, dass er zur Transformierung seiner gleichnishaften Botschaft, Erlösung und Regeneration der Menschheit durch Mitleid – dargestellt durch den suchenden Parsifal und den leidenden Amfortas –, eine Kunstform gewählt habe, die mit religiöser Symbolik eine „entrückende Wirkung auf das Gemüt“ ausüben solle. Entstehungsgeschichte Wagner beschäftigte sich schon 1845 in Marienbad, als er Lohengrin entwarf und die erste Idee für Die Meistersinger von Nürnberg niederschrieb, mit dem Stoff der Sage, die erste Skizze mit dem Titel „Parzival“ entstand erst 1857 in Zürich. 1865 bat König Ludwig II. von Bayern, der Wagner seit 1864 finanziell unterstützte, den Parzival-Plan auszuführen. Daraufhin entstand der erste Prosaentwurf des Werks. Nachdem die ersten Bayreuther Festspiele mit der Aufführung des Rings des Nibelungen beendet waren, begann Wagner auf Bitten seiner Frau Cosima – die in ihren Tagebüchern den gesamten Entstehungsprozess detailliert festgehalten hat – im Januar 1877 mit der Verwirklichung seiner alten Parzival-Pläne. Bald änderte Wagner die Schreibweise des Namens zu „Parsifal“, indem er sich auf die angeblich persischen Worte für „rein“ (fal) und „Tor“ (parsi) bezog. Als im Herzen reiner Tor ist die Figur des Parsifal im Werk angelegt. Mit der Komposition begann Wagner im September 1877. Im April 1879 waren die Orchesterskizzen für alle drei Akte fertig. Im Februar 1880 beabsichtigte Wagner in die USA auszuwandern, nachdem er ein finanzielles Desaster seiner Ring-Aufführung bei den ersten Festspielen 1876 im Bayreuther Festspielhaus erlebt hatte. Er besprach mit seinem befreundeten Zahnarzt Newell Sill Jenkins seine Auswanderungspläne und formulierte in einem dreiseitigen Brief auch die Bedingungen, die seine Existenz jenseits des Ozeans absichern und den Amerikanern den Parsifal bringen sollten. Dank Jenkins’ Überredungskünsten setzte Wagner seine Pläne nicht um. Es dauerte noch bis Januar 1882, bis das Werk (während eines längeren Aufenthaltes in Palermo) vollständig komponiert und die Partitur vollendet war. Im November 1880 erklang erstmals das Orchester-Vorspiel des ersten Aufzugs in einer Privataufführung für König Ludwig II. von Bayern in München. Die Verlagsrechte verkaufte Wagner zu einem damals hohen Preis von 100.000 Mark an die Nachfolger seines Verlegers und Freunds Franz Schott in Mainz, die somit die 2. Festspiele mitfinanzierten. Für den Bau des Gralsglockenklaviers beauftragte Wagner die Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne in Bayreuth. Vorlage Einige der Figuren, insbesondere Titurel, Amfortas, Klingsor und Parsifal, gehen auf das Anfang des 13. Jahrhunderts entstandene Versepos Parzival zurück, das im 8. Jahrhundert spielt. Die eigentliche Handlung basiert aber nur lose auf dem Versepos und ist in vielen Details Wagners eigene Schöpfung. Insbesondere die Anlage der Figur der Kundry als zugleich Zauberweib und Büßerin, aber auch die Schreibweise Parsifal (und die wissenschaftlich nicht haltbare Etymologie, die Parsifal mit dem Fal Parsi, dem reinen Toren, gleichsetzt) sind Schöpfungen Wagners. Die christlichen Reliquien Gral und Heiliger Speer stehen Seite an Seite mit buddhistischen Ideen und insbesondere der Idee von Reinkarnation, die dem Parzival-Epos völlig fremd sind. Handlung 14:13 Vorspiel Parsifal, Bayreuth 1951, Festspielorchester unter Hans Knappertbusch Vorgeschichte König Titurel, von Gott zum Hüter der Reliquien Gral und Heiliger Speer bestimmt, hatte den Gralstempel errichtet. Der Gral diente als Trinkbecher beim letzten Abendmahl und fing das Blut Christi am Kreuz auf. Mit dem Speer wurde Jesus am Kreuz die Seitenwunde beigebracht. Titurel versammelte Ritter um sich, die, von den Reliquien gestärkt, in die Welt zogen und für das Gute kämpften. Auch Klingsor bemühte sich, der Gralsgemeinschaft anzugehören, wird jedoch wegen seiner Unkeuschheit abgelehnt. Deshalb entmannt er sich selbst, wird nun aber erst recht abgelehnt. Daraufhin schafft er sich in der Wüste ein Gegenreich: einen Zaubergarten mit verführerischen Frauen. Zu diesen Frauen gehört auch Kundry, eine Reinkarnation einer der Frauen, die Jesus auf seinem Kreuzweg verspottet hatten und dafür von diesem verflucht worden war, für immer unerlöst die Welt zu durchstreifen. Nachdem Klingsor mittels seines Zaubergartens mehrere Ritter verführt und so der Gralsgemeinschaft abspenstig gemacht hat, beschließt Titurels Sohn Amfortas, zugleich dessen Nachfolger als Gralskönig, mit dem heiligen Speer bewaffnet gegen Klingsor in den Kampf zu ziehen. Er unterliegt jedoch Kundrys Verführungskünsten und verliert so den Speer an Klingsor, der ihm mit dem (vergifteten) Speer eine Wunde schlägt, an welcher er seitdem entsetzlich leidet. Denn die Wunde schließt sich nicht mehr: Mit jeder neuen Enthüllung des Grals, wodurch die gesamte Ritterschaft genährt wird, bricht sie von neuem auf. Eine Prophezeiung verspricht Amfortas, dass ein durch Mitleid wissender reiner Tor ihn einst von seinen Qualen erlösen wird. Kundry, die ihre Taten in Klingsors Dienst bereut, stellt sich in den Dienst der Gralsritter, um für ihre Schuld zu büßen. I. Aufzug, Waldlichtung und Gralsburg Erstes Bild des I. Akts in der Aufführung an der Metropolitan Opera, New York, 1903 3:17 „Titurel, der fromme Held“: Auszug einer Aufnahme von 1942 mit Hellmut Schwebs als Gurnemanz und dem HR-Sinfonieorchester unter Otto Frickhoeffer Auf einer Waldlichtung nahe der Gralsburg weckt Ritter Gurnemanz einige Knappen. Er fordert sie auf, zu beten und das Morgenbad für den dahinsiechenden jungen Gralskönig Amfortas vorzubereiten. Kundry, die geheimnisvoll wilde Helferin der Gralsritter, kommt eilig herbeigeritten. Mit letzter Kraft überreicht sie Balsam für den König. Halb verzweifelt, halb spöttisch bemerkt sie, es werde genauso wenig helfen wie das Heilkraut, das Ritter Gawan bereits gebracht hat. Kundry wird von den Knappen als „Heidin“ und „Zauberweib“ verhöhnt. Nur Gurnemanz nimmt sie in Schutz, als die Knappen spottend fordern, Kundry solle losziehen, um den verloren gegangenen heiligen Speer zurückzuholen. Jetzt erzählt Gurnemanz, dass nach einer Prophezeiung nur ein „durch Mitleid wissender“ reiner Tor den Speer zurückgewinnen und Amfortas damit heilen könne. Denn die Wunde schließe nur derjenige Speer, der sie geschlagen habe. Die Szene wird durch Lärm vom nahen See gestört. Die Ritter haben einen Knaben gefangen, der mit Pfeil und Bogen einen heiligen Schwan getötet hat. Es ist Parsifal, der Sohn der Herzeleide und des vor seiner Geburt im Kampf gefallenen Ritters Gamuret. Der Knabe wuchs unter alleiniger Obhut seiner Mutter im Wald ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt auf. Er selbst kennt weder seinen Namen, noch weiß er, woher er kommt und wer sein Vater ist. Kundry kennt seine Geschichte und erzählt vom Tod seiner Mutter. Gurnemanz hofft, in ihm den in der Vision des Amfortas angekündigten „reinen Toren“ gefunden zu haben, und nimmt ihn mit zur Gralsburg, während Kundry in einen hypnotischen Schlaf fällt. In der Gralsburg wird Parsifal stummer Zeuge, wie sich die Ritter mit Amfortas um dessen im Grab lebenden Vater Titurel zur Enthüllung des Grals versammeln. Amfortas beklagt seine Schmerzen, die der Anblick des Grals nur kurz lindern kann. Titurel und die Ritter fordern ihn auf, den Gral zu enthüllen. Der Kelch mit dem Blut Christi leuchtet in einem magischen Lichtschein. Die Ritter nehmen daraufhin das Mahl, Brot und Wein, und verlassen danach gestärkt den Tempel. Parsifal ist nicht fähig, zu all dem, was er sah, etwas zu sagen, und wird von Gurnemanz, der glaubt, sich in ihm getäuscht zu haben, vor die Tür gesetzt. Eine Stimme aus der Höhe wiederholt mit den letzten Klängen der Gralsglocken die Worte der Prophezeiung: „Durch Mitleid wissend, der reine Tor“. II. Aufzug, Klingsors Zaubergarten Der zweite Akt spielt in Klingsors Zaubergarten. Klingsor, der aufgrund seiner Impotenz gegenüber Kundrys Reizen immun ist, hat es wieder geschafft, Kontrolle über Kundry zu gewinnen, muss sich aber dafür von ihr verspotten lassen. Klingsor beobachtet in seinem Zauberspiegel Parsifal, der sich seiner Burg und dem Zaubergarten nähert und fordert Kundry auf, ihn zu verführen. Parsifal wird, als er den Zaubergarten betritt, zunächst von einigen verführten Gralsrittern angegriffen, die er aber im Kampf erschlägt. Klingsors Blumenmädchen beklagen den Tod ihrer Geliebten und fordern Parsifal auf, mit ihnen zu spielen. Parsifal ist zwar von den Blumenmädchen zunächst fasziniert, beschließt dann aber, ihren Verlockungen zu entfliehen. In diesem Moment ruft Kundry ihn bei seinem Namen. Gebannt lauscht der Knabe ihrer Erzählung vom traurigen Schicksal seiner Eltern. Parsifal ist zutiefst erschüttert. Tröstend, aber mit der Absicht, ihn in die Liebe einzuführen, schließt sie ihn in ihre Arme. Während eines langen Kusses erkennt Parsifal blitzartig die Ursache von Amfortas’ Qualen und seine eigene Bestimmung; er wird „welthellsichtig“. Er stößt Kundry zurück, die ihm daraufhin von ihrem Fluch berichtet, und ihn anfleht, sie durch seine Liebe zu erlösen. Parsifal widersteht ihrem Werben und verspricht ihr Erlösung vom Fluch, wenn sie ihn zu Amfortas führt. Daraufhin verflucht Kundry ihn und seine Wege – nie soll er den Weg zurück zu Amfortas finden. Ihr Ausbruch von rasendem Lachen und Schreien ruft Klingsor herbei, der den heiligen Speer gegen Parsifal schleudert. Der Speer bleibt über Parsifals Haupte schweben. Er ergreift ihn und schlägt mit ihm das Kreuzeszeichen, woraufhin Klingsor und mit ihm der gesamte Zaubergarten der Zerstörung anheimfallen. Kundry blickt im Zusammensinken auf Parsifal, der ihr im Enteilen noch zuruft: „Du weißt, wo du mich wiederfinden kannst!“ III. Aufzug, Waldlichtung und Gralsburg Das Orchestervorspiel beschreibt die Irrfahrten Parsifals, der zur Gralsburg zurückzufinden sucht, aber dank Kundrys Fluch jahrelange Irrfahrten erlebt. Viele Jahre sind vergangen. Amfortas, der nur noch sterben will, hat sich seit den Ereignissen des I. Aufzuges geweigert, den Gral zu enthüllen. Die Gralsritter haben darüber ihre Kräfte verloren, und Titurel ist gestorben. Gurnemanz lebt nunmehr als Einsiedler im Wald. An einem Karfreitag findet er Kundry in tiefer Ohnmacht im Gestrüpp. Von ihm erweckt erscheint sie völlig gewandelt: sanft, hilfsbereit und schweigsam. Sie will von nun an nur noch dem Gral stumm dienen. Da erscheint ein Ritter in schwarzer Rüstung. Gurnemanz heißt ihn, mit dem Hinweise auf den heiligen Tag, seine Waffen abzulegen. Nachdem der Ritter seine Waffen und die Rüstung abgelegt hat, erkennt Gurnemanz hocherfreut, dass er Parsifal mit dem heiligen Speer vor sich hat, der zur Gralsburg zurückgefunden hat. Er begrüßt ihn und erzählt vom Zerfall der Gralsgesellschaft. Parsifal bricht daraufhin in verzweifelten Selbstanklagen zusammen, Gurnemanz segnet ihn und salbt ihn zum neuen Gralskönig. Als sein „erstes Amt“ spendet er der heftig weinenden Kundry die Taufe. Staunend nehmen Parsifal und Gurnemanz die in der Vormittagssonne erstrahlende, miterlöste idyllische Natur wahr. Gegen Mittag kündet Glockengeläut die anstehende Totenfeier für Titurel an, aus deren Anlass Amfortas an diesem Tag noch ein letztes Mal den Gral enthüllen will. Alle drei machen sich auf den Weg zur Gralsburg. Im Tempel hat sich die Gralsritterschaft, den Leichnam Titurels begleitend, versammelt. Amfortas klagt um seinen toten Vater, der durch seine Schuld, weil er den lebenspendenden Gral – zur Beschleunigung seines eigenen Ablebens – nicht mehr enthüllt habe, gestorben sei. Er verweigert erneut die vorgesehene Gralsenthüllung und erfleht verzweifelt seine Erlösung von den Qualen seiner unheilbaren Verwundung: die Ritter mögen ihn töten, dann werde ihnen von selbst der Gral leuchten. Da erscheint der von Gurnemanz und Kundry begleitete Parsifal und schließt endlich mit dem heiligen Speere jene Wunde, die Amfortas einst von Klingsor zugefügt worden war. Als neuer Gralskönig enthüllt Parsifal endlich wieder den Gral, und aus der Höhe schwebt eine weiße Taube als Zeichen göttlicher Gnade auf ihn herab. Amfortas und Gurnemanz huldigen dem neuen Gralshüter; Kundry sinkt – endlich von ihrem Fluch erlöst – entseelt zu Boden. Musik Besetzung Orchester: 3 Flöten (3. auch Piccolo), 3 Oboen, Englisch Horn, 3 Klarinetten in A und B, Bassklarinette in A und B, 3 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner in F, 3 Trompeten in C, D, Es, E und F, 3 Posaunen, Basstuba, Pauken, 2 Harfen, Streicher. hinter der Bühne: 6 Trompeten in F, 6 Posaunen, „sehr tiefe“ kleine Trommel, Donnermaschine, Glockenklavier Rezeption Der französische Komponist Claude Debussy, der üblicherweise nicht mit Kritik an Wagners Musik sparte, blieb vielleicht bis heute der prominenteste Bewunderer der Musik des Parsifal. „Man hört da Orchesterklänge [schrieb er], die einmalig sind und ungeahnt, edel und voller Kraft. Das ist eines der schönsten Klangdenkmäler, die zum unvergänglichen Ruhm der Musik errichtet worden sind.“ Durchaus uneins war sich hingegen das spätere Schrifttum, was den musikalischen Rang des Parsifal angeht. Während Wagners Tristan (1859) zusehends in die Position eines Schlüsselwerkes der anbrechenden musikalischen Moderne rückte, stand der Parsifal lange Zeit im Ruf eines altersmüden Spätwerks, das nicht mehr an die Kühnheit und Progressivität früherer Werke Wagners heranreiche. Zudem irritierte die vermeintliche Uneinheitlichkeit der Partitur, jene Melange disparatester musikalischer Erscheinungen, die vom fast cäcilianistisch anmutenden Neorenaissance-Stil mancher Passagen des ersten Aktes bis zu Momenten an der „Schwelle von Atonalität“ (Adorno, 1952) im zweiten Akt reicht. Noch Hans Mayers Wagner-Monographie von 1959 urteilt in diesem Sinne. Die Musik des Parsifal, so Mayer, arbeite „sehr stark mit bewährten Rezepten. […] Die Instrumentation ist durchaus meisterhaft und vermag auf weite Strecken eine gewisse Spärlichkeit der eigentlichen musikalischen Erfindung zu überspielen. […] Neben der gesuchten musikalischen Einfalt […] stehen höchste harmonische Kühnheiten. […] Aber die konventionelle Verklärung des Schlusses mit As-Dur und Des-Dur und As-Dur und rotglühendem Gral und chorus mysticus bleibt zu tragen peinlich.“ Erst in jüngeren Untersuchungen wird solcher Generalkritik dezidiert widersprochen, etwa in den Essays von Claus-Steffen Mahnkopf (1999) und Johannes Schild (2010), welche die Unzulänglichkeiten weniger in Wagners Musik, als vielmehr in einem veralteten analytischen Instrumentarium erblicken. Schild verzichtet vor diesem Hintergrund gleich ganz auf die Kategorien traditioneller Harmonielehre und greift zur 2004 publizierten Analysemethode des ungarischen Dirigenten und Musiktheoretikers Albert Simon, mit deren Hilfe er versucht, die Parsifal-Partitur als durch Tonalität gestiftete künstlerische Einheit darzustellen. Die ersten Aufführungen Die Uraufführung fand zu den 2. Bayreuther Festspielen am 26. Juli 1882 statt und wurde von Hermann Levi dirigiert. Das Bühnenbild schuf Paul von Joukowsky, den Wagner auf seinen Italienreisen in Neapel kennengelernt hatte. Joukowsky gestaltete das Bühnenbild im mediterranen Stil: Der Gralstempel der Uraufführung erinnerte an den Dom von Siena, Klingsors Zauberschloss war vom Garten des Villa Rufolo in Ravello beeinflusst. Insgesamt gab es bis Ende August 16 Aufführungen. In der letzten Vorstellung übernahm der Komponist selbst den Stab und dirigierte von der Verwandlungsmusik im III. Aufzug an bis zum Ende des Werks. – Es war das einzige Mal, dass Wagner in seinem Festspielhaus eine öffentliche Aufführung leitete. Die Reaktion des Publikums – darunter viele Künstler und Musiker – war durchweg positiv und entsprach der Intention Wagners, mit seinem Bühnenweihfestspiel einen Effekt der „Sammlung“ zu erzielen, in einer Gesinnungs-Gemeinschaft besinnlich reflektieren und meditieren zu können. Bei vielen traf er den Nerv. Zum Eindruck der Uraufführung berichtet der Leipziger Theaterdirektor Angelo Neumann über einen Kommentar von einem anwesenden Herrn Förster während eines der Aufführung anschließenden Abendbrots. In dem freudig erregten Kreis bemerkte er: „Sie werden sehen, Wagner stirbt“. Als Herr Neumann ihn fragte, wie er zu so einer Bemerkung kommt, erwiderte er: „Ein Mensch, der das geschaffen hat, was wir heute erlebt haben, kann nicht länger leben. Der ist fertig. Der muss bald sterben.“ Zur Aufführungspraxis Nach dem ausdrücklichen Willen Wagners und seiner Erben sollte der Parsifal ausschließlich in Bayreuth zur Aufführung kommen. Zahlreiche konzertante (Teil)-Aufführungen, so am 1. August 1887 in der Alberthalle des Leipziger Krystallpalasts, machten die Musik des Parsifal schnell bekannt. Kurz nach dem Tod des Komponisten wurde von seiner Witwe Cosima eine Sonderaufführung in München für König Ludwig II. gestattet. Die erste szenische Aufführung des Parsifal außerhalb Bayreuths führte Heinrich Conried am 24. Dezember 1903 ohne Genehmigung Cosima Wagners an der Metropolitan Opera in New York durch. Dies verärgerte Cosima derart, dass der Dirigent der Aufführung, Alfred Hertz, künftig von allen deutschen Bühnen verbannt war. Keiner der Sänger dieser Inszenierung wurde je wieder nach Bayreuth eingeladen. Als 1913 der Urheberrechtsschutz für das Werk auslief, bemühte sich Cosima Wagner nachdrücklich, diese Frist um mindestens 20 Jahre verlängern zu lassen. Nachdem sich diese Anstrengungen als aussichtslos erwiesen hatten, richtete sie eine Petition an den Reichstag, zumindest das ausschließliche Aufführungsrecht für Bayreuth zu sichern. Der Reichstag jedoch lehnte diese als „Lex Cosima“ bespöttelte Sondergesetzgebung ab. Zumindest vordergründig fanden wegen dieses „Parsifal-Raubes“ – ausgerechnet in einem Wagner-Jahr – keine Festspiele in Bayreuth statt. Weil nach Schweizer Recht die Schutzfrist bereits im April 1913 endete, wurde das Werk schon in diesem Monat im Opernhaus Zürich gegeben. Pünktlich zum Ablauf der Schutzfrist begann die erste Aufführung am 1. Januar 1914, 0.00 Uhr, im Opernhaus von Barcelona. Zahlreiche Theater in Deutschland brachten das Werk noch 1914 auf die Bühne. Lange Jahre war es üblich, nach Aufführungen des Parsifal wegen des „religiösen“ Charakters überhaupt nicht zu klatschen. Oft verzichtet das Publikum noch nach dem ersten Akt (Abendmahlszene) darauf. Wagner selbst hatte nichts gegen Beifall bei Parsifalaufführungen. Er wurde aber selbst, als er seinen „Blumenmädchen“ im zweiten Akt in die Musik hinein Beifall klatschte, ausgezischt. Traditionsgemäß wird Parsifal gern in der Osterzeit gegeben (der dritte Akt spielt an einem Karfreitag). So wird das Stück in der Wiener Staatsoper jährlich am Gründonnerstag gegeben. Zuweilen finden Aufführungen am Karfreitag statt, was wegen des ernsten Charakters des Werks in einigen deutschen Bundesländern erlaubt ist (Feiertagsgesetze). Die Parsifal-Produktion Hans Schülers von 1957 am Nationaltheater Mannheim, die bis heute jedes Jahr zumindest am Karfreitag aufgeführt wird, gilt als älteste noch gespielte Operninszenierung im deutschsprachigen Raum. Am 14. April 2017, dem 60. Jahrestag der Premiere, gab es die 137. Vorstellung dieser Inszenierung. Lebensreform ist der Oberbegriff für verschiedene seit Mitte des 19. Jahrhunderts insbesondere von Deutschland und der Schweiz ausgehende Reformbewegungen, deren gemeinsame Merkmale die Kritik an Industrialisierung beziehungsweise Materialismus und Urbanisierung, verbunden mit einem Streben nach dem Naturzustand, waren. Eine übergreifende Organisation besaßen die verschiedenen Bewegungen nicht, dagegen bestanden zahlreiche Vereine. Ob die Reformbewegungen der Lebensreform eher als modern oder als anti-modern und reaktionär einzuordnen sind, ist in der Literatur umstritten; beide Thesen werden vertreten. Allgemeines Die einzelnen Bewegungen entstanden als Reaktion auf Entwicklungen der Moderne, die sie nicht als Fortschritt, sondern als Verfallserscheinungen ansahen. Wesentlich für ihre Entstehung war die Befürchtung, dass die moderne Gesellschaft beim Einzelnen zu „Zivilisationsschäden“ und Zivilisationskrankheiten führe, die durch eine Rückkehr zu „naturgemäßer Lebensweise“ vermieden und geheilt werden könnten. „Der Mensch in seiner zivilisationsbedingten Not sollte allerdings nicht im banalen Sinne geheilt werden. Die Lebensreform wollte sein Heil, seine Erlösung. (...) Die Weltanschauung der Lebensreform beinhaltet im Kern eine säkularisierte gnostisch-eschatologische Erlösungslehre.“ Vertreter der Lebensreform propagierten eine naturnahe Lebensweise, ökologische Landwirtschaft, Vegetarismus, Reformkleidung, Naturheilkunde etc. und reagierten damit auf die aus ihrer Sicht negativen Folgen der gesellschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert. In geistiger Hinsicht wandte sich die Lebensreform neuen religiösen und spirituellen Anschauungen zu, unter anderem Theosophie, Mazdaznan und Yoga. Ihre bauliche Ausprägung erhielt die Lebensreform zunächst in Siedlungsexperimenten wie dem Monte Verità und später in der Gartenstadtbewegung, wie der Siedlung Hellerau und vieler anderer, deren bekanntester Vertreter der Architekt Heinrich Tessenow (1876–1950) war. Die erste Gründung in Deutschland war im Jahre 1893 die Obstbau-Genossenschaft Eden bei Oranienburg. Die Lebensreform war eine hauptsächlich bürgerlich dominierte Bewegung, an der auch viele Frauen teilnahmen. In der Körperkultur ging es darum, unter dem Eindruck von Industrialisierung und Verstädterung den Menschen zum Ausgleich viel frische Luft und Sonne zu verschaffen. Einige Bereiche der Lebensreformbewegung, wie z. B. die Naturheilkunde oder der Vegetarismus, waren in Vereinen organisiert und erfuhren regen Zulauf, was sich in den Mitgliederzahlen widerspiegelt. Zur Verbreitung ihrer Inhalte und Prinzipien gaben sie Zeitschriften wie Der Naturarzt oder Die vegetarische Warte heraus. Teil der Lebensreform waren darüber hinaus die Freikörperkultur (FKK, auch Naturismus) und die Turnbewegung. Es bestehen auch enge Kontakte zur Bodenreformbewegung (Adolf Damaschke u. a.), zur Freiwirtschaftsbewegung Silvio Gesells, zur frühen Jugendbewegung sowie zu anderen sozialreformerischen Bewegungen. Einzelne Reformbewegungen Naturheilkunde Die Grundgedanken der Naturheilkundebewegung des 19. Jahrhunderts stammen von Jean-Jacques Rousseau, der seinen Erziehungsroman Émile oder über die Erziehung 1762 mit dem Satz einleitete: „Alles, was aus den Händen des Schöpfers kommt, ist gut; alles entartet unter den Händen des Menschen“. Er forderte eine Rückkehr zu naturgemäßer Lebensweise, postulierte eine körpereigene „Naturkraft“, die durch Abhärtung zu fördern sei, und lehnte Medikamente ab. Als erste Vertreter der Naturheilbewegung gelten Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth, beide Landwirte und medizinische Laien. Sie setzten bei den nach ihnen benannten Kuren nur auf natürliche Heilmittel wie Wasser, Wärme und Luft und wurden bald als „Wunderdoktoren“ bezeichnet, wobei sie dieselben Krankheiten teilweise völlig gegensätzlich behandelten. Wesentliches Merkmal der entstehenden Naturheilkunde war die Überzeugung, dass der Körper über Selbstheilungskräfte verfüge, die lediglich angeregt und unterstützt werden müssten. Diese Ansicht ging auf Paracelsus zurück. Der bekannteste Naturheiler des 19. Jahrhunderts war Sebastian Kneipp. Im deutschen Sprachraum wurden so genannte Naturheilanstalten gegründet. 1891 waren 131 davon im Dachverband der Naturheilvereine organisiert. Zentrale Ansichten der Naturheilkunde nannte Meyers Konversationslexikon Ende des 19. Jahrhunderts: „Die Krankheitsvorgänge betrachtet sie als Heilsvorgänge, durch welche die den Lebensakt störenden Stoffe unter den Zeichen des Fiebers, der Entzündung, der Gärung und Fäulnis, d. h. durch Zersetzungsprozesse, unschädlich gemacht werden. Auf diesem Weg ist die Naturheilkunde so weit gekommen, beispielsweise Masern, Pocken, Scharlach für von der Natur für ein bestimmtes Lebensalter eingesetzte Reinigungsprozesse zu erklären, deren Lebensgefährlichkeit erst durch das hinfällige Menschengeschlecht sowie durch die Arzneiheilkunde selbst geschaffen worden sei.“ 1883 wurde der Deutsche Verein für Naturheilkunde und für volksverständliche Gesundheitspflege gegründet. Im Jahr 1900 benannte er sich um in Deutscher Bund der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise. 1889 waren in diesem Dachverband 142 Ortsvereine mit etwa 19.000 Mitgliedern organisiert, 1913 waren es bereits 885 Vereine mit 148.000 Mitgliedern. Der Verband besaß einen Verlag, der die Zeitschrift Der Naturarzt herausgab. Auch die ältere alternativmedizinische Methode der Homöopathie erfuhr ab 1870 einen verstärkten Zulauf, der zur Gründung zahlreicher homöopathischer Laienvereine in Deutschland führte. In den 1920er Jahren verlor die Naturheilkunde insgesamt an Popularität, der Zenit dieser Bewegung war überschritten. Eine Ausnahme bildete nur der 1897 gegründete Kneipp-Bund, der in den 1960er Jahren etwa 65.000 Mitglieder hatte. Nach 1933 wurde die „Deutsche Lebensreform-Bewegung“ gleichgeschaltet und ging in der Reichsarbeitsgemeinschaft der Verbände für naturgemäße Lebens- und Heilweise der N. auf. „Die N. erhofften sich durch die Instrumentalisierung von Lebensreform und naturgemäßer Heilkunde die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes, seine ‚rassische‘ Gesundheit und physische Robustheit zu steigern.“ Die N. propagierte die Einbeziehung von Naturheilverfahren in die allgemeine Medizin unter dem Begriff Neue Deutsche Heilkunde (NDH). Die entsprechenden Pläne scheiterten aber letztlich am Widerstand der Ärzteschaft. Kleidungsreform Im Umfeld der Lebensreform-Bewegungen gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland mehrere Ansätze zu einer Reform der Kleidung, wobei sich die ersten Überlegungen auf die Männerkleidung bezogen. Heftige Kontroversen gab es zur Frage, welches Material der Gesundheit besonders zuträglich sei. Gustav Jäger hielt ausschließlich Wolle für geeignet, während Heinrich Lahmann Baumwolle befürwortete und Sebastian Kneipp vor allem Leinen. Jäger gründete ein eigenes Bekleidungsunternehmen für die von ihm entworfene sogenannte Normalkleidung für Männer, die einige Jahrzehnte lang recht erfolgreich auf dem Markt war, nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch in England. Er gründete einen eigenen Verein und gab eine monatliche Zeitschrift heraus. Bei den Reformansätzen der Frauenkleidung ging es vor allem um die Abschaffung des Korsetts, die nicht nur von Frauenrechtlerinnen, sondern auch von einigen Medizinern nachdrücklich gefordert wurde. Der Arzt Samuel Thomas Sömmering hatte schon 1788 einen Aufsatz mit dem Titel „Über die Schädlichkeit der Schnürbrüste“ geschrieben. In der Folgezeit häuften sich öffentliche Vermutungen, die starke Einschnürung führe zur Deformierung innerer Organe und vor allem zur Schädigung der Gebärmutter, begünstige Verstopfung und könne zu einer Schnürleber führen. Tatsächlich nachweisbar waren Atemnot und eine Neigung zu Ohnmachten sowie eine stark eingeschränkte Beweglichkeit. In den USA forderte Amelia Bloomer als eine der ersten Frauen um 1850 ein Reformkleid und trug es auch einige Zeit. Die amerikanische Reformbewegung scheiterte jedoch. 1881 wurde in England die Rational Dress Society gegründet, 1896 folgte in Deutschland der Allgemeine Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung mit zunächst 180 Mitgliedern. Im Jahr 1900 entwarfen bekannte Künstler sogenannte Künstlerkleider ohne Korsett, unter anderem Henry van de Velde. Diese Modelle waren aber nicht für die Massenproduktion gedacht. 1903 entstand die Freie Vereinigung für Verbesserung der Frauenkleidung, die 1912 in Deutscher Verbund für Frauenkleidung und Frauenkultur umbenannt wurde. Nach 1910 verzichtete die Haute Couture auf das Korsett, ohne dass die Damenmode dadurch bequem wurde. Erst der Stoffmangel und ein verändertes Frauenbild zur Zeit des Ersten Weltkrieges sorgten für eine starke Veränderung der Frauenkleidung im Sinne der Reformer. Freikörperkultur Auch die FKK-Bewegung entstand als Teil der Lebensreform-Bewegungen. Der Schweizer Arnold Rikli gründete bereits 1853 eine „Sonnenheilanstalt“ und verordnete seinen Patienten „Lichtbäder“ ohne jede Bekleidung. 1906 gab es in Deutschland 105 so genannte Luftbäder. Als eigentlicher Pionier der Freikörperkultur, nämlich außerhalb hygienisch-medizinischer Kuren, gilt jedoch der Maler und Kulturreformer Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913), der sie mit seinen Schülern in der Einsiedelei Höllriegelskreuth bei München und später auf dem Himmelhof bei Wien praktizierte. Durch ihn und gegen ihn kam es im Jahre 1888 zum ersten Nudistenprozess der Geschichte. Diefenbach wirkte auf Nachfolger wie Heinrich Pudor, Guntram Erich Pohl, Richard Ungewitter und Hugo Höppener-Fidus. 1891 veröffentlichte Heinrich Pudor eine Schrift mit dem Titel Nackende Menschen. Jauchzen der Zukunft, in der er Nacktheit als Gegenmittel gegen die angebliche Degeneration der Menschen als Folge der Zivilisation preist. „Pudors Kombination aus Gesundheitsratschlägen, Kleiderreform, Vegetarismus, Antimodernismus und Antisemitismus fand in den folgenden Jahren zahlreiche Nachahmer.“ Auch der FKK-Aktivist Richard Ungewitter vertrat völkisch-antisemitisches Gedankengut. Er gründete 1910 die Loge für aufsteigendes Leben und warb für „strenge Leibeszucht“ und „nackte Gattenwahl“ mit dem Ziel, gesunde und „rassereine“ Nachkommen zu zeugen. Zitat: „Würde jedes deutsche Weib öfter einen nackten germanischen Mann sehen, so würden nicht so viele exotischen fremden Rassen nachlaufen. Aus Gründen der gesunden Zuchtwahl fordere ich deshalb die Nacktkultur, damit Starke und Gesunde sich paaren, Schwächlinge aber nicht zur Vermehrung kommen.“ Von Pornografie und freier Sexualität distanzierten sich die führenden Vertreter der Freikörperkultur entschieden. „Bis in die 20er Jahre hinein gab es eine breite Bewegung in der FKK-Kultur, die sehr viel stärker auf Disziplinierung, Körperkontrolle, Selbstkontrolle abzielte, (...) Werte, die durchaus kompatibel waren mit der NS-Ideologie", so der Historiker Hans Bergemann. Die bürgerlichen FKK-Vertreter kritisierten zwar heftig die allgemeine Prüderie, vertraten jedoch selbst keine liberalen Ansichten, sondern definierten den Begriff der „Unmoral“ um. Für sie war der bekleidete Mensch unmoralisch. Hans Bergemann: „Sie haben einfach gesagt: es ist die Kleidung, die den Körper sexualisiert und erst das schwüle Begehren schafft, und dem gegenüber müsste man sich nackt ausziehen, das würde dann das sexuelle Begehren mindern bzw. man könnte es besser kontrollieren.“ So heißt es in einer FKK-Publikation: „Und endlich muss an dieser Stelle auch die moderne Badehose erwähnt werden, dieses unanständigste Kleidungsstück, das sich denken lässt, weil sie den Blick mit Gewalt auf diese gewisse Stelle lenkt und mit Fingern auf sie zeigt (...)“. Die Anhänger der FKK-Bewegung gehörten jedoch verschiedenen ideologischen Richtungen an, auch wenn die bekanntesten Publizisten völkisch-national waren. Gefördert wurde die Nacktkultur durch die Wandervogel-Bewegung, die damit sportliche Aktivitäten verband. Der Gymnastiklehrer Adolf Koch gehörte politisch dem Lager des Sozialismus an und verfolgte sozialreformerische Ziele innerhalb der Arbeiterschaft. Er bemühte sich auch um Sexualaufklärung, körperliche Kräftigung und medizinische Beratung. Koch gründete so genannte „Körperschulen“, die in den 1920er Jahren deutlich mehr Anhänger hatten als die bürgerlichen FKK-Gruppen. 1932 gab es im Deutschen Reich rund 100.000 organisierte FKK-Anhänger, davon etwa 70.000 in den Körperschulen. Die konservativen FKK-Gruppen gründeten 1923 die Arbeitsgemeinschaft der Bünde deutscher Lichtkämpfer, die sich ab 1926 Reichsverband für Freikörperkultur (RFH) nannte. Die sozialistischen Gruppen bildeten den Bund für sozialistische Lebensgestaltung und Freikörperkultur. Im März 1933 wurde ein Erlass zur Bekämpfung der „Nacktkulturbewegung“ herausgegeben. Nachdem sich der RFH zum NS-Staat bekannt hatte, folgte die Gleichschaltung und die Umbenennung in Kampfring für völkische Freikörperkultur. Ernährungsreform Ein weiterer Teilbereich der Lebensreform war die Ernährungsreform, die in engem Zusammenhang mit Ideen der Naturheilkunde entstand. Der moderne Vegetarismus in Deutschland kann als spezielle Variante dieser Bewegung angesehen werden. Die Reformer lehnten die Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten im 19. Jahrhundert ab, die in Zusammenhang standen mit der Modernisierung der Lebensmittelindustrie, sinkenden Preise für einige Produkte wie Zucker und Weißmehl sowie der Einführung von Konserven und ersten Fertigprodukten wie Fleischextrakt und Brühwürfeln. Die führenden Vertreter von Ernährungsreformen waren Mediziner, die die moderne „Zivilisationskost“ als Hauptursache für viele Krankheiten ansahen. Nur möglichst naturbelassene Lebensmittel seien wirklich gesund, so ihre These. Es gab keine einheitliche Theorie zur Ernährung, gemeinsam war den Ernährungskonzepten der Reformer aber der weitgehende Verzicht auf Fleisch, die Bevorzugung von Rohkost und Vollkornprodukten und die Ablehnung von Genussmitteln wie Tabak, Kaffee, Alkohol, aber auch von Zucker und starken Gewürzen. Die Ansichten der Ernährungsreformer standen im Widerspruch zu den Theorien der Ernährungswissenschaft des späten 19. Jahrhunderts, die tierisches Protein als wichtigsten Energielieferanten der menschlichen Ernährung ansahen. Die Bedeutung der Vitamine war noch unbekannt. Theodor Hahn schrieb 1857/58 sein Buch Die naturgemäße Diät und etwas später das Praktische Handbuch der naturgemäßen Heilweise, in dem er Vollkornprodukte, Milch, rohes Gemüse und rohes Obst als optimale Lebensmittel bezeichnete. Gustav Schlickeysen bezeichnete den Menschen als Fruchtfresser und lehnte sowohl gekochte als auch tierische Kost völlig ab. Dieser Theorie folgen heute die Frutarier. Bekannter ist Maximilian Oskar Bircher-Benner, der nicht nur das Müsli erfand, sondern eine eigene Ernährungslehre entwickelte, die Sonnenlichtnahrung. Die Gedanken der Ernährungsreform wurden vor allem in Kurkliniken aufgegriffen und verbreitet. Eine Reihe heute bekannter Ernährungslehren, die als „Alternative Ernährung“ bezeichnet werden, hat ihren Ursprung in dieser Bewegung. Auf die Arbeiten der Ernährungsreformer griff auch Werner Kollath zurück, der 1942 sein Hauptwerk Die Ordnung unserer Nahrung veröffentlichte. Darin bezeichnete er die „Zivilisationskost“ als minderwertige „Halbnahrung“, während unverarbeitete Produkte „vollwertig“ seien. Sein Ernährungskonzept nannte er Vollwertkost. Der Vegetarismus entwickelte sich zu einer eigenständigen Bewegung, die sich auch vereinsmäßig organisierte. Ein wichtiger Vertreter war Gustav Struve, dessen Buch Pflanzenkost. Die Grundlage einer neuen Weltanschauung 1869 erschien. Der Pfarrer Eduard Baltzer hatte 1867 in Nordhausen den ersten Verein für naturgemäße Lebensweise gegründet, der sich in der Folgezeit vor allem der Ernährung widmete. 1892 entstand der Deutscher Vegetarierbund mit Sitz in Leipzig. 1912 gab es 25 deutsche Vegetariervereine mit rund 5000 Mitgliedern. Die in Deutschland und Österreich heute noch im Lebensmittelhandel aktiven Reformhäuser gehen auf die Lebensreformbewegung zurück. Landkommunen Als Folge von Industrialisierung und Urbanisierung kam es vor allem innerhalb des Bildungsbürgertums zu einer „agrarromantischen Großstadtfeindlichkeit“ und zu einer regelrechten Flucht aufs Land unter dem Motto „Zurück zur Natur“. Einige begnügten sich mit der Anlage von Schrebergärten oder zogen in neu entstehende Gartenstädte, andere gründeten mit Gleichgesinnten Kommunen auf dem Land mit dem Anspruch, benötigte Lebensmittel weitgehend selbst zu erzeugen. Der marxistische Autor Ulrich Linse schreibt: „Es war eine anti-urbanistische Revolte der städtischen, progressiv ausgerichteten Intelligenz, es war Landkult und Agrarutopismus der Großstadtliteraten“. Linse bezeichnet diese Strömung als Form des Eskapismus. Innerhalb der entstehenden Kommunen waren um 1900 die Ideen der Lebensreform zu gesunder Lebensweise und Ernährung dominierend, daneben spielten auch der Gedanke der Genossenschaften und Ideen zur Bodenreform eine Rolle. Er unterteilt die Landkommunen nach der jeweils vorherrschenden Weltanschauung in sozialreformerische, völkische, anarcho-religiöse und evangelikale. Als völkisch ist z. B. die Siedlung Heimland in Nordbrandenburg anzusehen, die aber bald wieder einging. Als sozialreformerisch und anarcho-religiös die Siedlung Monte Verità bei Ascona. Ein Beispiel für eine reine Frauensiedlung war das Projekt Schwarzerden bei Darmstadt, das eher der Frauenbewegung zuzurechnen ist als der Lebensreform. Die zeitweilige Popularität der Siedlungsidee führt Linse vor allem auf politische und wirtschaftliche Krisen des Deutschen Reiches um 1900 und dann erneut nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Vorbild vieler Landkommunen wurde die Vegetarische Obstbausiedlung Eden, die 1893 von 18 Anhängern der Lebensreform in der Nähe von Oranienburg gegründet wurde. Das Siedlungsgelände wurde in so genannte Heimstätten aufgeteilt und in Erbpacht zunächst ausschließlich an Vegetarier vergeben. Aus finanziellen Gründen wurden ab 1901 jedoch auch Nicht-Vegetarier aufgenommen und der Name in Gemeinnützige Obstbausiedlung geändert. Die Tierschlachtung und der Verkauf von Fleisch blieb innerhalb von Eden jedoch verboten. Jede Heimstätte wirtschaftete für sich, darüber hinaus gab es den genossenschaftlichen Obstbau als Erwerbsquelle. 1894 hatte Eden 92 Mitglieder, 22 Heimstätten waren verpachtet, 1895 waren es 45. Nach einem starken Mitgliederschwund um 1900 stieg die Zahl wieder an. 1930 gab es 230 Siedlungshäuser und rund 850 Bewohner. Die Produkte wurden an Reformhäuser und Naturheilanstalten verkauft. 1933 wurde das schon länger völkisch orientierte Eden von den N. gleichgeschaltet, bestand aber weiterhin. Auch in der DDR wurde unter der Marke Eden weiterhin produziert. Die Genossenschaft besteht auch heute noch und ist in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv. Eine Sonderform der Landkommunen waren die Künstlerkolonien, zum Beispiel die Künstlerkolonie Worpswede um Paula Modersohn-Becker oder in Höllriegelskreuth und Wien um Karl Wilhelm Diefenbach. Besonders bekannt wurde der Monte Verità bei Ascona in der Schweiz, der im Jahr 1900 als lebensreformerisches Sanatorium gegründet wurde, weil sich hier zahlreiche Künstler für einige Zeit aufhielten. Reformpädagogik Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Reformpädagogik, die sich gegen Lebensfremdheit und unterwerfenden Autoritarismus der vorherrschenden „Pauk- und Drillschule“ wandte. Reformpädagogen wollten über eine veränderte Bildungstheorie und Lerntheorie zu einer veränderten Didaktik gelangen, die in einem handlungsorientierten Unterricht vor allem die Selbsttätigkeit der Schüler in den Mittelpunkt stellt. Bekannte Lebensreformer Friedrich Eduard Bilz Maximilian Bircher-Benner Wilhelm Bölsche Otto Buchinger Karl Buschhüter Carl Buttenstedt Adolf Damaschke Karl Wilhelm Diefenbach Fidus (Hugo Höppener) Anna Fischer-Dückelmann, Autorin von Die Frau als Hausärztin Gustav Gräser Gustav Jäger Sebastian Kneipp Heinrich Lahmann Robert Laurer Gustav Lilienthal Arnold Rikli Paul Schirrmeister Karl Schmidt-Hellerau Moritz Schreber Johannes Ude Bruno Wille Hans Paasche. Siegfried (in nordischen Sagen auch Sigurd) ist eine Sagenfigur verschiedener germanischer Sagenkreise, insbesondere der Nibelungensage. Wesentliche Elemente der Siegfried-Gestalt sind übermenschliche Kräfte, die Tötung eines Drachen, mit der in einigen Sagenversionen die Gewinnung eines großen Schatzes verbunden ist (hauptsächlich in nordischen; aber z. B. nicht im Nibelungenlied, in dem Horterwerb und Drachenkampf verschiedene Abenteuer sind) und seine Ermordung (im Nibelungenlied durch Hagen von Tronje; in einigen nordischen Überlieferungen durch Gottorm). Seine Biographie wird in allen anderen Elementen von den einzelnen Dichtungen, in denen er auftritt, stark unterschiedlich gestaltet; also sowohl seine Herkunft als auch der weitere Verlauf seines Lebens, die Gründe für seine Ermordung und der Ort des Mordes ebenso wie die von ihm benutzten magischen Requisiten (z. B. benutzt er nur im Nibelungenlied einen Tarnmantel, die sogenannte ‚Tarnkappe‘). Er wird als sehr mutig und tapfer beschrieben. Wilhelm Richard Wagner (* 22. Mai 1813 in Leipzig (Königreich Sachsen); † 13. Februar 1883 in Venedig im Palazzo Vendramin-Calergi) war ein deutscher Komponist. Lebenslauf Kindheit und Jugendzeit Der Komponist wurde am 20. Mai 1813 in Fürth als neuntes Kind des Polizeiaktuarius Carl Friedrich Wagner (1770-1813) und der Bäckerstochter Johanna Rosine Wagner, geb. Pätz (1774-1848), geboren. Sechs Monate nach seiner Geburt, am 23. November 1813, starb der Vater an Typhus. Im August 1814 heiratete Wagners Mutter den Schauspieler und Dichter Ludwig Geyer (1780-1821), der sich der Familie nach dem Tod des Vaters angenommen hatte, und den Wagner sehr schätzte. Spekulationen, wonach Geyer der leibliche Vater Richard Wagners gewesen sei, sind weder bewiesen noch klar widerlegt. Die Vermutung, Geyer sei auch möglicherweise Jude gewesen, ist heute widerlegt. Noch 1814 übersiedelte die Familie nach Dresden. Am 16. Februar 1815 wurde Richards Halbschwester Cäcilie geboren. Im Jahr 1817 wurde Wagner eingeschult. Zwei Jahre später erkrankte der Stiefvater Ludwig Geyer und starb am 30. September 1821 in Dresden. Richard kam zu seinem Onkel Karl Geyer in Eisleben in Pflege. Unter dem Namen Wilhelm Richard Geyer besuchte er ab 22. Dezember 1822 die Kreuzschule in Dresden. 1826 übersiedelte die Familie nach Prag. Richard blieb weiter in Dresden, besuchte aber die Familie in Prag, das erste Mal 1826, 1827 ein zweites Mal. Ab Weihnachten 1827 war er wieder bei seiner Familie in Leipzig. Hier besuchte er 1828 bis 1830 unter dem Namen Wagner die Nikolaischule sowie die Thomasschule. Er stand zu dieser Zeit unter dem Einfluß seines Onkels Adolf Wagner. Richard Wagner las Shakespeare und die Romantiker, z.B. E.T.A. Hoffmann. Mit 16 Jahren erlebte Wagner Wilhelmine Schröder-Devrient in Beethovens Fidelio. Von nun an stand für ihn fest, dass er Musiker werden wollte, und er verfasste bald erste Sonaten, ein Streichquartett sowie den unvollendeten Opernversuch Die Hochzeit. Ab 1831 studierte er an der Universität Leipzig Musik, außerdem nahm er Kompositions-Unterricht beim Thomaskantor Christian Theodor Weinlig, dem er auch sein erstes Werk (Klaviersonate in B-Dur) widmete. Im Jahr 1832 komponierte Wagner die C-dur-Symphonie und unternahm seine dritte Böhmen-Reise. Er wurde beim Corps Saxonia Leipzig aktiv. Allerdings wurde er - nachdem er später aufgrund seiner Finanzsituation mehrfach die Pension seiner Mutter veruntreute - ausgeschlossen. Er kommentierte dies mit den Worten: "Ich bin ein Genie! Für mich gelten andere Werte!" 1833 wurde Wagner durch den Schriftsteller und Publizisten Heinrich Laube von den Ideen des Jungen Deutschland, einer revolutionär orientierten literarischen Bewegung des Vormärz, beeindruckt. Gleichzeitig begann er mit der Komposition der Feen, nachdem er als Chordirektor vom Würzburger Theater engagiert worden war. In Laubes Zeitung für die elegante Welt erschien bald darauf sein Aufsatz "Die Deutsche Oper". Mit Theodor Apel unternahm er eine vierte Böhmen-Reise. Als musikalischer Leiter der Sommersaison in Bad Lauchstädt und des Theaters in Magdeburg lernte er die Schauspielerin Minna Planer (* 5. September 1809 in Oederan, † 25. Januar 1866 in Dresden) kennen. Reifejahre 1835 arbeitete Wagner an der Oper Das Hausverbot und leitete die zweite Magdeburger Spielzeit. Am 29. März 1836 fand die Uraufführung der Oper Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo in Magdeburg statt. Über Berlin reiste Wagner nach Königsberg. Am 24. November heiratete er Minna Planer. Am 1. April 1837 wurde er Musikdirektor in Königsberg. Der Theaterbetrieb brach allerdings kurz darauf wegen der Direktion zusammen. Wagner geriet in Schulden. Im Juni 1837 gelang es ihm, eine Dirigentenstelle in Riga zu erlangen, wo er vor seinen deutschen Gläubigern sicher war. Hier entstand 1838 der Text und der Beginn der Partitur des Rienzi. Am 12. Oktober 1837 starb die Schwester Rosalie. 1839 verlor Wagner seine Stellung in Riga bereits wieder. Aus Furcht vor seinen Gläubigern überschritt er heimlich die russisch-ostpreußische Grenze und fuhr gemeinsam mit seiner Frau auf dem kleinen Segelschiff Thetis nach London. Die stürmische Überfahrt brachte erste Inspirationen für den Fliegenden Holländer. Anschließend fuhren sie weiter nach Paris. Wagner verbrachte die Jahre 1840 und 1841 unter ärmlichen wirtschaftlichen Bedingungen in Paris: Er vollendete den Rienzi (1840) und den Fliegenden Holländer (1841). Er lernte Heinrich Heine und Franz Liszt kennen. In diese Zeit fiel auch die Beschäftigung mit Ludwig Feuerbachs atheistischer Philosophie und den Theorien des französischen Frühsozialisten und frühen Theoretikers des modernen Anarchismus Pierre Joseph Proudhon, die auf seine ersten Vorstellungen vom Nibelungendrama abfärbten. 1842 verließ Wagner Paris und kehrte nach Dresden zurück. Den Juni verbrachte er in Teplitz-Schönau. Auf dem Schreckenstein entstand der erste Tannhäuser-Entwurf. Die Uraufführung des Rienzi fand am 20. Oktober in Dresden statt. Franz Liszt war zu dieser Zeit Hofkapellmeister in Weimar. 1843 wurde Wagner zum Königlich-Sächsischen Kapellmeister an der Dresdner Oper ernannt. Der fliegende Holländer wurde am 2. Januar in Dresden uraufgeführt. Freundschaft mit Anton Pusinelli und August Röckel, mit dem er vor allem Gespräche über Politik führte. Hier befreundete er sich auch mit dem russischen Anarchisten Michail Bakunin. 1844 arbeitete Wagner weiter an der Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg. Im Juli 1845 hielt sich Wagner in Marienbad auf. Er entwarf eine Skizze zu den Meistersingern und arbeitete an der Oper Lohengrin. Die Uraufführung des Tannhäuser fand am 19. Oktober in Dresden statt. Ludwig II. von Bayern wurde am 25. August geboren. 1846 dirigierte Wagner Beethovens 9. Symphonie und begann mit der Komposition des Lohengrin. Wagners Mutter starb am 9. Januar 1848. Wagner bekannte sich zu den Bestrebungen der März-Revolution. Er befreundete sich mit Liszt in Weimar. Die Nibelungen-Konzeption entstand. Reise Wagners nach Wien. 1849 musste er als Revolutionär, wegen der Teilnahme am Dresdner Maiaufstand, im späteren Verlauf der Märzrevolution im Königreich Sachsen fliehen und wurde, wie auch sein Freund Gottfried Semper, von der Polizei steckbrieflich gesucht. Seine Flucht führte ihn, nach einem kurzem Aufenthalt in Paris, ins Exil nach Zürich. Dort entstanden die Zürcher Kunstschriften. Wagner hatte in Bordeaux eine Affäre mit Jessie Laussot. Lohengrin wurde am 28. August 1850 in Weimar uraufgeführt. Wagner verfasste die musiktheoretische Schrift Oper und Drama. Wagner lernte 1852 Otto und Mathilde Wesendonck kennen und vollendete die Dichtung zum Ring des Nibelingen. Im Mai 1852 gab Wagner Konzerte in Zürich. Im Juli besuchten ihn die Liszts, bei dieser Gelegenheit kam es zum Bruderschaftstrunk mit Liszt und Georg Herwegh. Italien-Reise. Er konzipierte das Rheingold-Vorspiel. Am 10. Oktober war Wagner bei Liszt in Paris und sah Cosima zum ersten Mal. Beginn der Rheingold-Komposition. 1854 las Richard Wagner Schopenhauers Hauptwerk, Die Welt als Wille und Vorstellung. Im gleichen Jahr begann er mit der Konzeption von Tristan und Isolde. 1855 gab Wagner mehrere Konzerte in London. 1856 richtete er ein Gnadengesuch an den sächsischen König. Zwischenzeitlich lebte er auf dem Grünen Hügel neben der Villa Wesendonck in Zürich und komponierte die Wesendonck-Lieder. Die Komposition am Ring des Nibelungen wurde in dieser Zeit unterbrochen, dafür begann Wagner mit der Komposition am Tristan. Hans von Bülow und Cosima wurden am 18. August in Berlin getraut und unternahmen ihre Hochzeitsreise nach Zürich. 1858 spitzte sich Wagners Affäre mit Mathilde Wesendonck zu. Er reiste nach Venedig, seine Frau Minna nach Dresden. Nachdem Minna seine schwärmerische Freundschaft zur verheirateten Mathilde Wesendonck aufgedeckt hatte, trennte sich Wagner von seiner Frau. 1859 hielt er sich in Luzern auf und vollendete den Tristan. Danach weilte Wagner in Paris, wohin Minna ihm nachfolgte. Dort und in Brüssel gab Wagner Konzerte. Im August 1860 konnte Wagner nach Teilamnestie durch den sächsischen König zum ersten Mal wieder nach Deutschland reisen. Cosima von Bülows Tochter Daniela wurde am 12. Oktober geboren. 1861 war das Jahr des Pariser Tannhäuser-Skandals. Wagner hielt sich in Karlsruhe, Wien, Venedig, Mainz und Paris auf. Er begann mit der Arbeit an Die Meistersinger von Nürnberg. Im Jahr darauf verließ Wagner Paris. Er hielt sich mit Minna in Biebrich auf, wo es zur endgültigen Trennung zwischen den beiden kam. Im gleichen Jahr erließ der König von Sachsen eine vollständige Amnestie. Wagner unterhielt Beziehungen zu Mathilde Maier und Friederike Meyer. Im Juli traf er sich mit den Bülows, danach blieb er in Wien. 1863 gab Wagner Konzerte in Sankt Petersburg, Moskau, Budapest, Prag und Karlsruhe. Am 28. November bekannten sich Wagner und Cosima in Berlin gegenseitig ihre Liebe. Cosimas Tochter Blandine von Bülow wurde am 29. März geboren. 1864 verließ Wagner Wien und besuchte Eliza Wille in Mariafeld bei Zürich. Am 4. Mai 1863 wurde Wagner von König Ludwig II. in München empfangen, der ihn in den nächsten Jahren immer wieder unterstützte. Im Juni und Juli des gleichen Jahres weilte Cosima bei Wagner im Haus Pellet am Starnberger See. Damit war ihre Liebesbeziehung besiegelt. Isolde, Cosima von Bülows und Wagners erstes gemeinsames Kind, wurde am 10. April 1865 in München geboren. Die Uraufführung von Tristan und Isolde war am 10. Juni in München. Am 17. Juli begann Wagner an seiner Autobiographie Mein Leben zu schreiben. Minna Wagner starb am 25. Januar 1866 in Dresden. Wagner war zu der Zeit mit Cosima in der Schweiz, beide zogen zusammen in Tribschen ein, wo sich Cosima die meiste Zeit aufhielt. Eva, Cosimas und Wagners zweites Kind, wurde dort am 17. Februar 1867 geboren. Die Uraufführung der Meistersinger fand am 21. Juni 1868 in München statt. Wagner unternahm eine Tessin-Reise mit Cosima. Am 8. November begegnete Wagner in Leipzig Nietzsche das erste Mal. Ab 16. November lebte Cosima für immer bei Wagner in Tribschen. Sie begann am 1. Januar 1869 ihre Tagebuch-Niederschrift. Friedrich Nietzsche, damals Professor in Basel, war regelmäßig in Tribschen zu Gast. Siegfried Wagner, Cosimas und Richards drittes Kind, wurde am 6. Juni in Tribschen geboren. Am 22. September fand die Uraufführung des Rheingold in München statt. Am 18. Juli 1870 wurde die Ehe Cosimas und Hans von Bülows geschieden, und die Uraufführung der Walküre fand am 26. Juni in München statt. Cosima und Richard Wagner wurden gleich darauf am 25. August in Luzern getraut. Am 25. Dezember 1870 fand die Uraufführung des Siegfried-Idylls auf der Treppe in Wagners Haus in Tribschen statt. Wagner wählte Bayreuth als Festspielort aus und kündigt 1871 erstmals Festspiele an. Er wurde von Bismarck in Berlin empfangen. 1872 starb am 3. Januar Richard Wagners Schwester Luise. Er übersiedelte nach Bayreuth, und bereits am 22. Mai konnte der Grundstein des Festspielhauses gelegt werden. Im Bayreuther Festspielhaus schuf Wagner ein „unsichtbares Orchester“, indem er den Orchestergraben mit einer Abdeckung zum Publikum hin abschirmen ließ. Die dramatische Handlung auf der Opernbühne blieb so der alleinige Blickpunkt, während das Orchester nicht zu sehen war. Außerdem lag ihm an der dadurch entstehenden Klangqualität. Die besondere Akustik beruht auch darauf, dass es ein Holzbau ist, dass der Zuschauerraum keine Logen an den Seiten hat und die Sitze ungepolstert sind. Die Idee dazu war ihm schon in Riga gekommen, wo er in einer Art Scheune dirigieren musste, von deren Akustik er jedoch begeistert war. Im darauf folgenden Jahr war Wagner viel auf Konzertreisen unterwegs. Bruckner und Nietzsche waren zu Besuch in Bayreuth. Am 2. August 1873 war das Richtfest des Festspielhauses. In diesem Jahr hatte Friedrich Nietzsche seine ersten schweren Krankheitsanfälle. Die letzten Jahre Am 28. April 1874 bezogen Cosima und Richard Wagner das Haus Wahnfried. Wagners Bruder Albert starb am 31. Oktober - ein halbes Jahr später, am 17. März 1875, auch die Schwester Klara. Die Partitur des Ring des Nibelungen war am 21. November 1874 beendet. In Anwesenheit Kaiser Wilhelms I. fanden ab 13. August 1876 die ersten Bayreuther Festspiele mit dem Ring des Nibelungen statt. Im September reiste Wagner nach Italien und hatte eine letzte Begegnung mit Nietzsche in Sorrent. In den Jahren 1877 bis 1879 arbeitete Wagner am Parsifal. Während eines London-Aufenthalts wurde er durch Königin Victoria von England empfangen. Am 31. Dezember 1879 verreiste Wagner nach Italien und hielt sich im Folgejahr überwiegend in Neapel, Ravello, Siena und Venedig auf. 1881 wurde der Ring des Nibelungen in Berlin aufgeführt. Wagner hielt sich ab November in Sizilien auf. Er vollendete am 13. Januar 1882 in Palermo den Parsifal. Die zweiten Bayreuther Festspiele mit dem Parsifal fanden ab 26. Juli statt. Ab 16. September hielt sich Wagner mit seiner Familie in Venedig auf. Dort entstanden seine letzten Schriften. Richard Wagner starb am 13. Februar 1883 im Palazzo Vendramin, am 16. Februar wurde sein Leichnam nach Bayreuth überführt, wo er am 18. Februar im Garten der Villa Wahnfried beigesetzt wurde. Wagner und der Antisemitismus Wagners Werke wurden schon im Kaiserreich und vor allem im Nationalsozialismus von nationalistischen Strömungen einseitig politisch vereinnahmt. Wagners Antisemitismus zeigt sich in seinem Aufsatz Das Judenthum in der Musik (1850 zunächst anonym veröffentlicht, später dann unter seinem Namen). Wagner beklagt darin die Verjüdung der modernen Kunst und vertritt die These, dass „der Jude“ an sich unfähig sei, weder durch seine äußere Erscheinung, seine Sprache, am allerwenigsten aber durch seinen Gesang, sich uns künstlerisch kundzugeben. Gleichwohl sei „er“ in der Musik zur Beherrschung des öffentlichen Geschmacks gelangt. In seinem 1865 erschienenen Aufsatz Was ist deutsch? versuchte Wagner das Scheitern der Revolution von 1848 dadurch zu erklären, daß der eigentliche wahrhafte Deutsche sich und seinen Namen so plötzlich von einer Menschenart vertreten fand, die ihm ganz fremd war. Über den Bayreuther Kreis um Richard und Cosima Wagner hielt zudem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein in seiner Form gänzlich neuer biologisierender Rassismus Einzug in die deutsche Gesellschaft, im Wesentlichen vertreten durch den Franzosen Arthur de Gobineau, der Wagner beeindruckte, und den englischen Wahldeutschen Houston Stewart Chamberlain. Beide propagierten die Überlegenheit einer "arischen Rasse" gegenüber dem Judentum. Chamberlain heiratete 1908 Wagners Tochter Eva. Die Widersprüchlichkeit der Judenfeindschaft Wagners zeigt sich in seiner Anzahl jüdischer Freunde und Mitarbeiter, unter anderem seine Helfer Karl Tausig, Joseph Rubinstein, Angelo Neumann und die berühmte Sängerin Lilli Lehmann. Die Aufführung von Wagners Werken ist in Israel immer noch heftig umstritten. So führte beispielsweise die Aufführung der Ouvertüre zur Oper Tristan und Isolde durch Daniel Barenboim im Juli 2001 zu einem Eklat. Andere Wagner-Aufführungen wurden zum Teil durch Proteste von Holocaust-Überlebenden verhindert. Werke Musikdramatische Werke Die Hochzeit (1832, 226 Takte erhalten) Die Feen (1834, UA: 29. Juni 1888 Königliches Hof- und Nationaltheater München) Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo (1834-1836, UA: 29. März 1836 Stadttheater Magdeburg) Rienzi, der Letzte der Tribunen (1837-1840, UA: 20. Oktober 1842 Königlich Sächsisches Hoftheater Dresden) Nur die folgenden zehn Werke wählte Wagner für Aufführungen im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth aus: Der fliegende Holländer (1840-1841, UA: 2. Januar 1843 Königlich Sächsisches Hoftheater Dresden. Überarbeitet 1852 (Zürich) und 1864 (München)) Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg (1842-1845, UA: 19. Oktober 1845 Königlich Sächsisches Hoftheater Dresden. Überarbeitet 1847, 1860 (Erstdruck der Partitur, sog. „Dresdener Fassung“), 1861 (Paris, in frz. Sprache), 1875 (Wien, sog. „Pariser Fassung“)) Lohengrin (1845-1848, UA: 28. August 1850, Großherzogliches Hoftheater Weimar.) Der Ring des Nibelungen (betont: Nibelungen), mit vier Teilen: Vorabend: Das Rheingold (1851-1854, UA: 22. September 1869 Königliches Hof- und Nationaltheater München) Erster Tag: Die Walküre (betont: Walküre) (1851-1856, UA: 26. Juni 1870 Königliches Hof- und Nationaltheater München) Zweiter Tag: Siegfried (1851-1871, UA: 16. August 1876 Festspielhaus Bayreuth) Dritter Tag: Götterdämmerung (1848-1874, UA: 17. August 1876 Festspielhaus Bayreuth) Tristan und Isolde (1856-1859, UA: 10. Juni 1865 Königliches Hof- und Nationaltheater München) Die Meistersinger von Nürnberg (1845-1867, UA: 21. Juni 1868 Königliches Hof- und Nationaltheater München) Parsifal (1865-1882, UA: 26. Juli 1882 Festspielhaus Bayreuth) - „Bühnenweihfestspiel“ Sonstiges Symphonie C-Dur Symphonie E-Dur (unvollendet, es existieren nur 2 Sätze) Konzertouvertüren (darunter Faust-Ouvertüre d-Moll) 3 Klaviersonaten Wesendonck-Lieder Schriften von Wagner Wagner hat zusätzlich zu den Inhaltsentwürfen, Textfassungen und Analysen seiner Musikdramen zahlreiche musiktheoretische, philosophische, politische und belletristische Schriften verfasst, u.a. Oper und Drama, (1851), ein Essay über die Theorie der Oper, Das Judentum in der Musik (1850), eine Polemik gegen jüdische Komponisten und Das Kunstwerk der Zukunft (1850). Er schrieb auch eine Autobiografie Mein Leben (1880) Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos. Es entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts und wurde in der damaligen Volkssprache Mittelhochdeutsch aufgeschrieben. Der Titel, unter dem es seit seiner Wiederentdeckung Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt ist, leitet sich von der Schlusszeile in einer der beiden Haupttextfassungen, *C, ab: hie hât daz mære ein ende: daz ist der Nibelunge liet („hier hat die Geschichte ein Ende: das ist ‚das Lied von den Nibelungen‘“). Allerdings muss man beachten, dass „liet“ im Mittelhochdeutschen nicht als „Lied“ in unserem Sinne zu verstehen ist, sondern „Strophen“ oder „Epos“ bedeuten kann. Die dem (verlorenen) Original näher stehende Fassung *B (Haupthandschrift in St. Gallen) endet diz ist der Nibelunge NOT. Angehängt an das Nibelungenlied ist in den mittelalterlichen Handschriften eine formal eigenständige Erzählung, die das Geschehen fortzusetzen und zu rekapitulieren scheint, die „Klage“. Der historische Kern Das Nibelungenlied ist die wichtigste hochmittelalterliche deutsche Ausformung der Nibelungensage, deren Ursprünge bis in das heroische Zeitalter der germanischen Völkerwanderung zurückreichen. Ein historischer Kern der Sage ist die Zerschlagung des Burgunderreiches im Raum von Worms in der Spätantike (um 436) durch den römischen Heermeister Aëtius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen. Weitere historische Ereignisse, die hier vermutlich eine Rolle spielen, sind die Hochzeit zwischen Attila und der germanischen Fürstentochter Ildikó (453), sowie nach Meinung mancher auch der Streit im Haus der Merowinger zwischen Brunichild und Fredegunde. Vgl. dazu den Artikel Nibelungensage. Verfasser und Entstehung Der Verfasser des Nibelungenliedes nennt sich im Text nicht. Dies entspricht der Gattungskonvention der Heldenepik, die nicht die literarische Eigenleistung eines Dichters akzentuiert, sondern die Verwurzelung des Erzählstoffes in der mündlichen Überlieferung (altiu maere, „Sagen“) hervorhebt. Offensichtlich ist das Werk aber eine geschlossene Dichtung eines einzigen Autors, das auf schriftlich vorliegende Werke Bezug nimmt und als Original vom Dichter selbst (oder nach seinem Diktat) niedergeschrieben wurde. Deshalb wird heutzutage nur mehr selten bezweifelt, dass es eine einzige „Originalfassung“ (und damit einen einzigen „Autor“) gegeben hat. Die These, dass es sich eher um einen Redaktor oder gar nur um einen oder mehrere begnadete Rezitatoren von älteren, mündlich überlieferten Stoffen handele, gilt als weitgehend überholt. Allerdings enthalten die einzelnen Handschriften größere oder kleinere Änderungen und Zusätze von Bearbeitern. Die Handschrift „B“ scheint solche Änderungen nur in geringem Ausmaß zu enthalten, während vor allem „C“ eine starke Umarbeitung mit anderer Aussage und anderem Gestaltungswillen darstellt. Die Entstehung des Textes lässt sich durch in ihm vorausgesetzte politische Strukturen und durch Bezüge zur zeitgenössischen Dichtung auf die Jahre 1180 bis 1210 (und damit auf die „Blütezeit“ der mittelhochdeutschen Literatur) eindeutig eingrenzen; Indizien gibt es für eine Entstehung knapp vor 1204. Genauere Ortskenntnis des Verfassers, ein Übergewicht der frühen Überlieferung im südostdeutsch-österreichischen Raum und die augenfällige Hervorhebung des Bischofs von Passau als handelnder Figur machen das Gebiet zwischen Passau und Wien als Entstehungsort wahrscheinlich, insbesondere den Hof des als Mäzen bekannten Bischofs von Passau, Wolfger von Erla (Bischof in Passau 1191–1204). Wolfger ist für die Datierung mittelhochdeutscher Literatur von großer Bedeutung, weil sich in seinen Reiserechnungen mit dem Datum 12. November 1203 eine Notiz findet, dass dem cantor („Spielmann“) Walther von der Vogelweide Geld für einen Pelzmantel ausgezahlt wurde. Diese Notiz stellt den einzigen außerliterarischen Nachweis für die Existenz dieses Dichters dar und ist damit ein wichtiges Indiz zur zeitlichen Einordnung der mittelhochdeutschen Dichtung, die größtenteils ohne Jahres- und Verfasserangaben überliefert ist. Meist geht man heute davon aus, dass der Dichter des Nibelungenliedes ein sowohl geistlich wie literarisch gebildeter Mann im Umkreis des Passauer Bischofshofs war und dass sein Publikum ebenfalls dort unter den Klerikern und adligen Laien zu suchen ist. In einer Art Anhang zum Nibelungenlied, der Nibelungenklage, wird auch von der Entstehung der Dichtung erzählt. Diesen für die Heldenepik topischen Angaben ist daran gelegen, den Inhalt der Sage als „wirklich geschehen“ auszuweisen und die erste Aufzeichnung noch in die Lebenszeit der Protagonisten zu verlegen. Ein „Meister Konrad“ wird genannt, den der Bischof „Pilgrim“ von Passau als Augenzeuge der Geschehnisse mit der Niederschrift beauftragt habe. Man nimmt an, dass dies einen ehrenden Verweis auf einen Amtsvorgänger des mutmaßlichen Förderers Wolfger darstellt, den heiligen Bischof Pilgrim von Passau (971–991). Da sich die politische Situation der Ungarnkriege des 10. Jahrhunderts und die wichtige Rolle Passaus bei der Christianisierung Ungarns unter Pilgrim im Nibelungenlied spiegelt, haben dem Dichter vermutlich schriftliche Aufzeichnungen aus der Zeit Pilgrims vorgelegen. Ob mit „Meister Konrad“ tatsächlich der Autor einer Quelle aus der Zeit Pilgrims gemeint ist oder der Autor des Nibelungenliedes oder der Autor der „Klage“ sich hinter dieser Nennung verbirgt, ist ungewiss. Der Name „Konrad“ kann außerdem nicht auf die Spur einer bestimmten Person führen, da es der zweithäufigste Name (nach Heinrich) im deutschen Mittelalter war. Versuche, einen irgendwo genannten „Konrad“ als Autor eines dieser Werke nachzuweisen, sind daher haltlos. Suche nach einem Verfasser Vor allem populärwissenschaftliche und heimatgeschichtliche Forschungen haben im Laufe der Zeit das Nibelungenlied an nahezu jeden zwischen 1180 und 1230 im bairisch-österreichischen Raum bezeugten Literaten anknüpfen wollen. Auch heute werden regelmäßig Namen aufs Tapet gebracht. Ausnahmslos handelt es sich dabei um methodisch fragwürdige Außenseiterthesen, die sich der Diskussion in anerkannten Fachzeitschriften nicht stellen. Dazu gehören (geordnet nach Wahrscheinlichkeit): Der Kürenberger (Der Kürnberger Wald liegt bei Linz, Oberösterreich), in dessen Strophenform das Nibelungenlied geschrieben ist, und auf dessen „Falkenlied“ auch der Falkentraum Kriemhilds verweist. Der Kürenberger wird aber von den meisten Forschern zu früh für das Nibelungenlied datiert. Walther von der Vogelweide. Auf ihn treffen viele für den Dichter des Nibelungenliedes geforderte Charakteristika zu: starke Anteile gemeinsamen Wortschatzes, die aber wohl aus der gemeinsamen räumlichen Herkunft (österreichischer Donauraum) zu erklären sind; Gönnerschaft Bischof Wolfgers von Passau. In wesentlichen Punkten der Weltsicht unterscheidet sich aber das Nibelungenlied von Walther stark. Bligger von Steinach Konrad von Fußesbrunnen (Feuersbrunn, Niederösterreich), urkundlich um 1182 bezeugt. Er ist Autor des in 3.000 Reimpaarversen verfassten Werkes „Die Kindheit Jesu“ und wirkte in Passau[1]. Sein Stil hat aber nichts mit dem des Nibelungenliedes gemeinsam. eine unbekannte Niedernburger Nonne. Die Erwähnung des Klosters Passau-Niedernburg, neben dem Passauer Bischof und den Kaufleuten der Stadt, im Nibelungenlied ist aber am besten so zu erklären, dass sie zum Publikum des Autors bei einem Vortrag gehörten und als Gönner und Mäzene verewigt wurden; nicht so, dass sich der Autor (oder eine Autorin) unter ihnen befunden hätte. Bischof Wolfger von Passau war wohl der Haupt-Mäzen, der die Arbeit sicherlich einem erfahrenen und gleichzeitig literarisch gebildeten und schriftkundigen Sänger von Heldenliedern anvertraute. Die drei letztgenannten „Verfasser“theorien (Bligger von Steinach, Konrad von Fußesbrunnen und die Niedernburger Nonne) werden von den meisten Fachgermanisten als kaum diskussionswürdig angesehen. Form und Sprache Das Nibelungenlied ist in sangbaren vierzeiligen Strophen gedichtet (heute als Nibelungenstrophe bezeichnet), deren Melodie sich jedoch nicht rekonstruieren lässt. Diese metrische Form ist ein Charakteristikum der Heldenepik (vgl. das Kudrun-Epos eines unbekannten Dichters und die Dietrichepik); tritt aber schon vor dem Nibelungenlied in der Lyrik auf, beim „Kürenberger“. Gesungene Strophenepik unterscheidet sich aufs deutlichste von der zeitgleichen höfischen Erzählliteratur, vor allem dem Antiken- und Artusroman, die fast ohne Ausnahme in (gesprochenen) Reimpaarversen gehalten ist. In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied „archaischer“ als die „moderne“ Ritterliteratur eines Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach (der sich in seinem 'Titurel' allerdings auch in strophischer Epik versuchte) und Gottfried von Straßburg. Die ca. 2.400 Strophen des Nibelungenlieds sind in 39 âventiuren (sprich: Aventüren) untergliedert, kapitelartige Erzähleinheiten von variabler Länge, die in den meisten Handschriften Überschriften tragen. Diese Überschriften und die Bezeichnung der Abschnitte als 'Aventüren' gehen jedoch nicht auf den Autor zurück, da jede Handschrift andere Titel setzt, diese also unabhängig von einander sind, und die dem Original am nächsten stehende St. Galler Handschrift nur Absätze zwischen den Abschnitten macht, ohne Titel. An der Sprache und Erzählhaltung des Nibelungenliedes lässt sich ein zweifaches Dilemma ablesen: Nicht nur die Kluft zwischen mündlicher Improvisationstradition und Literarisierung (Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) wollte überbrückt sein; daneben war auch die auf völkerwanderungszeitliche (pseudo-)historische Sagenstoffe zurückgehende Tradition in ein christlich-hochadelig-höfisches Umfeld zu adaptieren. Der Kern der Nibelungensage muss 700 Jahre lang durch Epensänger mündlich tradiert worden sein. Dabei entstanden unzählige Varianten der Geschichte; verschiedene Sagenkreise wurden aneinandergeknüpft, Figuren wechselten ihre Rolle usw. Kein Wille eines Autors konnte den Stoff fixieren. Vor 1200 hatte man noch nie eine Umsetzung dieser Sage in eine buchliterarische Form versucht. So weist das Nibelungenlied – als Erstling einer neuen literarischen Tradition – sowohl (inhaltliche) Spuren seiner „autorlosen“ Vorgeschichte wie (sprachliche) Spuren der Dichtersprache der mündlichen Erzählkunst auf; aber zugleich zeigt es Züge des „großen“ antik-historischen Buchepos, an denen sich der Verschriftlichungsprozess sicherlich orientierte. Die bekannte Eingangsstrophe ist ein wohl erst später, von der Fassung „C“, eingefügter einleitender Zusatz: Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. Das Original begann sicher, wie die Handschrift „B“, mit der Vorstellung Kriemhilds: Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn, daz in allen landen niht schoeners möhte sîn, Kriemhild geheizen. Si wart ein schoene wîp. dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp. 'Es wuchs im Burgundenland eine Prinzessin (wörtlich: ein sehr adliges Mädchen) auf, so schön, dass es auf der ganzen Welt (wörtlich: in allen Landen) nichts Schöneres geben könnte, Kriemhild genannt. Sie wurde eine schöne Frau. Deswegen mussten viele Helden das Leben verlieren.' Viele berühmte Szenen der Sage, wie der Drachenkampf Jung-Siegfrieds etwa, tauchen im Nibelungenlied nur in Form von Erwähnungen auf; die ganze Vorgeschichte wird entweder als bekannt vorausgesetzt oder, wahrscheinlicher, zu Gunsten Kriemhilds als Hauptfigur reduziert. Das Lied ist stilistisch von den Ansprüchen des mündlichen Vortrags geprägt, denn Alltagssprache und höfische Sprache mischen sich ebenso, wie bereits damals schon historisches Vokabular und zeitgenössische Begriffe des frühen dreizehnten Jahrhunderts. Kunstvoller literarischer Ton und komplizierte Konstruktionen wechseln mit formelhaften Formulierungen und einfachen, fast distanzierten Schilderungen durch den Erzähler, der sich selbst nur an wenigen Stellen des Werks erwähnt. Sozialstruktur Die literarische Version der Zeit um 1200 thematisiert anhand der Personen unterschiedliche Konzepte feudaler Gesellschaft: Siegfried verkörpert einen Herrschertyp, dessen Herrschaft auf körperlicher Stärke beruht, aber auch auf ererbtem königlichem Rang und der Akzeptanz der Gefolgsleute, die er sich durch weise Urteile verdient. König Gunther repräsentiert einen Herrscher, dessen Macht sich auf Familienangehörige und Ministeriale stützt, und der den Kampf um Herrschaft delegiert. Dietrich von Bern und Etzel wirken durch eine Autorität, die zum Teil auf dem Einsatz ihrer kräftigen Stimme beruht. Dazu kommt bei Dietrich, dass er nicht nur die Rechte des Herrn über die Gefolgschaft wahrnimmt, sondern bereit ist, seinen Leuten dafür auch Schutz angedeihen zu lassen, und aus der Wechselseitigkeit des Treueverhältnisses Ernst macht. Dietrich beweint den Tod seiner Leute, auch wenn sie ihn selbst verschuldeten, auch aus Mitleid mit ihnen und nicht nur als sein Unglück, dass er dadurch Gefolgsleute verlor (im Gegensatz zu Gunther, der nur erzürnt, dass man ihn der Gefolgsleute beraubt, wenn sie erschlagen werden, aber keine Trauer über ihren Tod zeigt). Bei Etzel kommt zur Autorität Toleranz hinzu (er duldet Christen und Heiden neben einander an seinem Hof) und die Bereitschaft, Vertriebenen aus vielen Ländern Gastfreundschaft zu gewähren. Der zentrale Konflikt ist der zwischen Vasallität, die Unterordnung und Gehorsam verlangt, und einer modernisierten Feudalherrschaft, die nicht mehr oder nur zum Teil auf dem Lehnswesen fußt. So sehen es jedenfalls derzeit viele Interpreten; da Begriffe wie „Vasallität“ und „Ministerialität“ im Nibelungenlied nicht genannt werden, sondern nur das Ergebnis von Interpretationen sind, ist diese Sichtweise stark umstritten. Der Begriff 'Vasall' wird in Deutschland im Hochmittelalter fast nie (mehr) gebraucht; er trifft eigentlich nur auf die Verhältnisse in Frankreich zu, von denen sich die deutschen auch um 1200 ziemlich stark unterscheiden. Während die Ministerialität um 1200 gerade nicht aus der Verwandtschaft der Herrscher kam, sind am Wormser Hof die bedeutendsten Positionen durch Verwandte der Könige besetzt (Hagen von Tronje, Dankwart, Ortwin von Metz). Die soziale Welt des Nibelungenliedes gibt sich, zumindest teilweise, archaisch. Vor allem in der Denkwelt Hagens ist ein zentraler Begriff 'mitfolgen', das heißt, der Gefolgsmann muss mit dem Herrn mitkommen (auf Reisen oder Kriegszüge), wenn dieser es befiehlt. Dem Namen nach ist also das alte Gefolgschaftswesen noch lebendig, wenn es sich auch inhaltlich stark vom sogenannten 'altgermanischen Gefolgschaftswesen' unterscheidet. Gender im Nibelungenlied Auch die Geschlechterrollen werden problematisiert: Die Wormser Könige werden nicht als solche eingeführt, sondern in ihrer Eigenschaft als Vormunde ihrer Schwester Kriemhild, der Hauptfigur. Sie steht nach dem Tod des Vaters zunächst unter der Vormundschaft der Brüder, nach ihrer Verheiratung unter der des Gatten. Ihre Schwägerin Brünhild akzeptiert die Vorherrschaft des Mannes nur, wenn er sie besiegen kann, dann aber vollständig. Im Gegensatz dazu akzeptiert Kriemhild die Geschlechterrollen zunächst vollständig, obwohl sie mehrfach mit ihnen Schwierigkeiten hat: Als sie anlässlich ihrer Eheschließung verlangt, dass ihr, als einem von vier Kindern des verstorbenen Vaters, die Brüder einen Anteil am Erbe herausgeben, sind alle Männer dagegen, auch ihr Gatte Siegfried. Vor allem für Hagen ist es unvorstellbar, dass er in Zukunft Gefolgsmann einer Frau werden könnte. Es ist ererbte Verpflichtung seiner Familie, 'den Königen' zu dienen. Dass das einmal eine Frau sein könnte, ist für ihn undenkbar. Er fühlt sich durch dieses Ansinnen von Kriemhild schwer beleidigt. Trotzdem ordnet Kriemhild sich zunächst unter; sogar das Züchtigungsrecht des Gatten akzeptiert sie (als Siegfried sie zur Strafe verprügelt, weil sie Brünhild beleidigte). Erst als ihr nicht nur der Gatte ermordet wird, sondern dann auch noch ihr Vermögen, durch fortgesetzten gemeinen Betrug, geraubt, und die Brüder in diesem Konflikt immer mehr zu Hagen halten, aus Treue zum Gefolgsmann, die sie höher werten als die Treue zur Schwester, wächst sie aus dieser Rolle heraus: „Wenn ich ein Ritter wäre“, wünscht sie sich (Strophe 1413 der Fassung „B“). Als sie schließlich ganz die Rolle der Frau verlässt und selbst zum rächenden Schwert greift, mit dem sie Hagen den Kopf abschlägt, kann das die Männerwelt nicht ertragen: Obwohl Hildebrand selbst Hagen zu erschlagen versucht hatte, ist es für ihn undenkbar, dass ein Held durch die Hand einer Frau stirbt, und er erschlägt sie dafür. Mit dem vollständigen Verlassen der von ihr zunächst gelebten Rolle der Frau ist auch ihr Leben beendet. So werden drei Frauenbilder vorgestellt: das moderne höfische, das zunächst das Kriemhilds ist, das Freude der Gesellschaft und Liebe für den Einzelnen und die Möglichkeit individueller Wahl des Partners durch die Frau mit Unterordnung unter die patriarchale Herrschaftsordnung zu vereinen versucht (was aber misslingt) als Gegenkonzept das archaisch-mythische Brünhilds, die die Herrschaft des Mannes nur akzeptiert, wenn er die Frau zu besiegen vermag. Ihr entspricht auch die Einstellung Siegfrieds, der seinem Kampf im Bett gegen Brünhild gesellschaftsrelevante, gleichsam mythische Dimensionen gibt (Strophe 670 in Hs. B): „O weh“, dachte der Held, „wenn ich jetzt durch eine Jungfrau das Leben verliere, dann dürfen alle Frauen von jetzt an in alle Zukunft gegen ihren Mann übermütig sein, auch eine, die es sonst nie tun würde.“ unauffällig im Hintergrund das Frauenbild von Kriemhilds Mutter Ute, die ihr eigenes Leben als glücklich empfindet und aus dem Schutz durch die männlichen Verwandten Sicherheit schöpft. Dieses Frauenbild einer alten Generation wird durch das neue, zum Scheitern verurteilte Konzept individueller höfischer Liebe und gesellschaftlicher Freude bedroht. Die Rolle des Mannes wird von Siegfried, Dietrich, Rüdiger von Bechelaren und Etzel unterschiedlich, und in jedem Fall abweichend von der Sichtweise des Wormser Hofes gesehen, an dem eine ziemlich einheitliche Sichtweise von richtig männlichem Verhalten herrscht: Über alles geht die Treue zum Kriegerkameraden; auch wenn er sich ins Unrecht gesetzt hat, ist er bedingungslos gegen seine Gegner zu unterstützen. Das höchste Ziel des Kriegers wird am deutlichsten ausgesprochen von Wolfhart, einem jungen Heißsporn unter den Leuten Dietrichs von Bern: der Nachruhm nach einem Heldentod. Das gewährt ihm das Nibelungenlied auch: Wolfhart erhält von einem König, Giselher, eine tödliche Wunde, ist aber nicht sofort tot. Da er weiß, dass er gleich sterben wird, ist Verteidigung sinnlos. Er kann daher den Schild wegwerfen und mit beiden Händen das Schwert packen und so fest auf Giselhers Haupt schlagen, dass dessen Helm bricht. Giselher ist sofort tot. Wolfhart kann im Sterben noch sehen, dass ein würdiger Gegner ihn fällte, er selbst sich dafür rächen konnte und außerdem sein Oheim Hildebrand anwesend ist, der den Nachruhm Wolfharts verbreiten kann. Er stirbt glücklich (Strophe 2299 in Hs. B). Dagegen beweint Dietrich Wolfharts Tod: dieses Heldenideal gilt nicht für alle. Die Handlung Das Nibelungenlied besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil steht Kriemhilds erste Ehe mit Siegfried und Siegfrieds Tod, im zweiten ihre Rache im Mittelpunkt. Das räumliche Umfeld ist das Burgundenreich am Rhein, sowie (im zweiten Teil) Südostdeutschland und das Donaugebiet des heutigen Österreichs und Ungarns. Am Königshof in Worms lebt Kriemhild zusammen mit ihren drei Brüdern Gunther, Gernot und Giselher, die ihre Vormunde sind, und ihrer Mutter Ute. Wichtige Gefolgsleute der Könige sind Hagen von Tronje, ein Verwandter der Könige, Hagens Bruder Dankwart und aus deren Verwandtschaft weiterhin Ortwin von Metz; sowie unter den Hofbeamten der Küchenmeister Rumold. Kriemhild träumt, dass sie einen Falken aufzieht, den zwei Adler zerfleischen. Ihre Mutter deutet den Traum: der Falke bedeutet einen edlen Mann, und Kriemhild läuft Gefahr, ihn zu verlieren, wenn Gott ihn nicht beschützt. Kriemhild weist den Gedanken an Mann und Liebe von sich; sie will bis an ihren Tod jungfräulich bleiben, weil die Liebe schon vielen Frauen Leid brachte. Die Mutter versucht, sie zu beruhigen und weder den Traum noch die Liebe, die den Menschen glücklich mache, als gefährlich darzustellen. Trotzdem wird Kriemhild lange Zeit die Liebe ablehnen. Parallel dazu wird Siegfried vorgestellt, der Sohn König Siegmunds und Königin Sieglindes von Xanten am Niederrhein. Siegfried hat wunderbare Anlagen und wird von weisen Erziehern zu einem in jeder Hinsicht vorbildlichen zukünftigen Herrscher erzogen. Wichtigstes im Detail geschildertes Ereignis in Siegfrieds Jugend: seine Schwertleite (Ritterschlag); das erste der Feste im Nibelungenlied und das einzige, auf dem alle nur Freude und niemand Leid empfindet. Obwohl die Fürsten seines Reiches Siegfried gerne als Herrscher sähen, respektiert er seine Eltern und will sie nicht zum Abdanken bringen, sondern zieht aus, sich ein eigenes Reich zu erwerben und um die alle Werber ablehnende Kriemhild zu werben, obwohl seine Eltern einwenden, dass das mächtige Wormser Königreich nicht eine Prinzessin an das kleinere Xantener Reich verheiraten würde. Trotzdem zieht Siegfried mit nur zwölf Gefährten aus und ist sich sicher, dass er Kriemhild - notfalls mit Gewalt - für sich gewinnen kann. Als er in Worms ankommt, ahnt Hagen, dass der Ankömmling nur Siegfried sein kann, und erzählt dem Hof dessen Geschichte: Siegfried hat den wunderbaren Hort des verstorbenen Königs Nibelung erworben, indem er dessen Söhne erschlug, die bei der Erbteilung in Streit gekommen waren, daraufhin Siegfried baten, ihnen den Hort zu teilen, aber auch mit seinem Teilungsvorschlag nicht einverstanden waren und zornig auf ihn losgingen. Vorausschauend hatte Siegfried im voraus als Lohn für die Erbteilung das Schwert des Nibelung, Balmung, verlangt, und erschlug damit sie und ihr riesisches Gefolge. Dem Zwergen Alberich, der den Hort in einem unsichtbar machenden Tarnmantel, genannt tarnkappe (Tarnkappe), bewachte, konnte er diese abnehmen und ihn dann fesseln. Alberich musste hinfort als Kämmerer den Hort für Siegfried bewachen. Außerdem, setzt Hagen fort, erschlug Siegfried einmal einen Drachen und badete in dessen Blut, so dass er seither eine unverletzliche Hornhaut besitzt. Wir sehen: das erste, was Hagen von Siegfried berichtet, ist die Erwerbung des Hortes. Vor allem Hagens Gedanken sind immer wieder auf dessen Besitz fixiert. Gunther geht daraufhin Siegfried entgegen (was ehrenvoll ist und die Anerkennung von Gleichrangigkeit bedeutet), aber Siegfried fordert zur Überraschung aller Gunther zum Zweikampf heraus, und dem Sieger sollten die Erbe beider gehören. Der Wormser Hof geht darauf nicht ein: das Burgundenreich ist ein Erbreich; man hat es weder nötig, jemandem sein Reich mit Gewalt abzunehmen, noch will man es gegen Gewalt abtreten. Daraufhin entschließt sich Siegfried, die freundschaftlichen Angebote der Wormser anzunehmen und als Gast zu bleiben. Dass sein eigentlicher Zweck die Werbung um Kriemhild ist, erwähnt er nicht, denn das niederrheinische Reich um Xanten ist nicht so bedeutend wie das Burgundenreich am Oberrhein um Worms; man würde die Prinzessin wohl nicht dorthin verheiraten. Er bleibt ein Jahr, in dem es ihm gelingt, sich den Wormsern unentbehrlich zu machen. Insbesondere hilft er ihnen, als die Sachsen und Dänen mit einem übermächtigen Heer das Wormser Reich erobern wollen. Siegfried leitet umsichtig den Kriegszug und besiegt außerdem persönlich die beiden feindlichen Könige im Zweikampf und nimmt sie gefangen. Beim Siegesfest versucht man, ihn mit Kriemhild zu ködern, um weiterhin seiner Hilfe sicher zu sein, da man erkannt hat, was ihn zur Hilfeleistung motiviert. Kriemhild und Siegfried tauschen liebevolle Blicke. Trotzdem will Siegfried erst werben, wenn er auch Gunther zu einer Braut verholfen hat. Gunther hat sich Brünhild in den Kopf gesetzt, die Königin von Island, wovon Siegfried abrät. Siegfried war schon an Brünhilds Hof und kennt sich dort gut aus. Brünhild verlangt von den Werbern, sie in einem Dreikampf zu besiegen; ansonsten verlieren sie das Leben. Gunther könnte ihre magischen Kräfte nie besiegen, die sie ihrer Jungfräulichkeit verdankt. Hagen rät, Siegfried möge Gunther zu ihr verhelfen. Siegfried verspricht es, wenn Gunther ihm dafür Kriemhild zur Frau gibt. Auf märchenhafte Weise segeln Gunther, Siegfried, Hagen und Dankwart nur zu viert in einem kleinen Schifflein nach Island. Brünhild erwartet zunächst, Siegfried wolle um sie werben. Um nicht Brünhilds Verdacht zu erregen, warum er mitkommt, wenn Gunther wirbt, gibt Siegfried sich als Gefolgsmann Gunthers aus. Um diese Täuschung zu vervollkommnen, leistet Siegfried für Gunther den Stratordienst: er führt Gunthers Pferd vor aller Augen am Zügel. Durch die Tarnkappe unsichtbar gemacht, besiegt Siegfried Brünhild so, dass sie glaubt, Gunther habe es geleistet. Um die Ehe (damit auch die politische Einheit Gunther-Brünhild) nicht zu gefährden, darf sie nicht erfahren, dass sie einem Betrug aufgesessen ist. In Worms wird Siegfried zu ihrer Verwunderung genau so königlich behandelt wie Gunther. Es gibt eine Doppelhochzeit: Gunther – Brünhild und Siegfried – Kriemhild. Siegfrieds Vermählung mit ihrer Schwägerin Kriemhild erscheint Brünhild als eine Mesalliance (franz. Missheirat). Brünhild weint an der Hochzeitstafel und verlangt von Gunther Aufklärung. In der Hochzeitsnacht (in Worms) fesselt Brünhild Gunther mit ihrem Gürtel und hängt ihn an einen Nagel an der Wand, weil er ihr nicht verrät, warum seine Schwester Kriemhild nicht zu gut als Frau für Siegfried ist, obwohl Siegfried als Gatte für Brünhild nicht ebenbürtig wäre. Erst Siegfried bezwingt Brünhild in der zweiten Nacht – wieder mit Hilfe der Tarnkappe. Dabei entwendet er ihren Ring und ihren Gürtel, die klassischen Zeichen für eine erfolgreiche Defloration, obwohl ausdrücklich betont wird, dass Gunther seine Frau selbst entjungfert. Es ist keine Vergewaltigung, sondern nachdem der vermeintliche Gatte sie niedergerungen und ihr dadurch seine Stärke bewiesen hat, ergibt sie sich freiwillig. Erst durch den Verlust der Jungfräulichkeit ist sie nicht mehr stärker als eine normale Frau. Noch neun Jahre später bewegt Brünhild immer wieder die Frage nach einer eventuellen Vasallität Siegfrieds, beziehungsweise vor allem, dass Kriemhild in ihrer Ehe glücklich ist, obwohl Siegfried auf Island gesagt hatte, dass er nicht um Brünhild werbe, weil er nur Gefolgsmann Gunthers sei. Nach der Ankunft in Worms war plötzlich alles anders, und weder Siegfried noch Kriemhild leisteten irgendwelche Dienste für Gunther, nun schon neun Jahre lang. Brünhild ist sich sicher, dass sie irgendwie betrogen wurde, aber sie ahnt nicht, wie und warum. Sie will die Wahrheit wissen und lässt ihre Überredungskünste spielen, bis Gunther auf ihre Bitten Siegfried und Kriemhild zu Besuch nach Worms einlädt. Siegfried und Kriemhild leben teils im Reich seines Vaters, um Xanten, teils im Nibelungenland, das in Norwegen gedacht ist. Hagen denkt auch bei dieser Gelegenheit wieder an Siegfrieds Reichtum und den Nibelungenhort. In Worms geraten die Frauen über die Frage nach dem Rang ihrer Männer in Streit: Auf ein überschwängliches Lob, das Kriemhild über ihren Gatten Siegfried ausspricht, als er sich im Turnier hervortut, erklärt Brünhild, dass sie selbst gehört habe, wie Siegfried sagte, dass Gunther sein Herr sei. Daher, überspitzt Brünhild, halte sie ihn für einen Eigenmann (einen Unfreien), und Kriemhild sei durch die Heirat zu einer Dienstmagd geworden – so weit waren Siegfrieds Äußerungen und Handlungen auf Island nicht gegangen (und den Steigbügeldienst als Symbol der Unterordnung hatte auch Papst Hadrian IV. von Kaiser Friedrich I. Barbarossa verlangt – für das Publikum des Nibelungenliedes hat die Frage, wie tief man sich durch den Stratordienst erniedrigt, also eine hochpolitische Komponente). Kriemhild gerät ebenfalls in Zorn. Beide wollen den Streit in der Öffentlichkeit austragen, um zu sehen, ob die Gemahlin Gunthers oder die Gemahlin Siegfrieds als ranghöher gilt: welche der beiden zur Abendmesse zuerst das Münster betreten darf, soll die Entscheidung bringen. Kriemhild bereitet sich für diesen Auftritt entsprechend vor: Als Brünhild vor dem Eintritt ins Münster Kriemhild befiehlt, stillzustehen, und sie als eigen diu ('leibeigene Dienstmagd') beschimpft, weist Kriemhild Ring und Gürtel von Brünhild vor (die ihr Siegfried geschenkt hatte, als Beweis, wo er in der Nacht gewesen war – Kriemhild hatte ihn natürlich danach gefragt) und nennt sie eigen mannes kebse ('die Kebse [Mätresse] eines leibeigenen Mannes'). Der Streit (den Streit in den altnordischen Parallelüberlieferungen bezeichnet man mit dem altnordischen Wort „Senna“), dessen letzter Teil öffentlich, vor dem Münster, ausgetragen wird, endet mit Tränen Brünhilds. Daraufhin schlägt Hagen Gunther im „Mordrat“ die Ermordung Siegfrieds vor. Hagen von Tronje hält Siegfried für eine Bedrohung des Hofes von Worms. Hagen überzeugt Gunther davon, dass es ihm nützt, wenn man Siegfried ermordet. Zögernd gibt Gunther nach. Hagen gelingt es, Kriemhild das Geheimnis zu entlocken, dass eine Stelle von Siegfrieds Rücken, die beim Bad im Drachenblut von einem Lindenblatt bedeckt wurde, verwundbar blieb. Hagen tötet Siegfried mit einer Lanze, als dieser sich zu trinken über eine Quelle beugt. Er hatte Siegfrieds verwundbare Stelle von Kriemhild auf der Kleidung markieren lassen unter dem Vorwand, gerade diese Stelle besonders beschützen zu wollen. Kriemhild bleibt nach dem Tod Siegfrieds in Worms und lehnt das Angebot Siegmunds ab, mit ihm nach Xanten zu kommen. Besonders Ute und Giselher überreden sie dazu, weil die Blutsverwandten ihr besseren Schutz geben könnten als die Verwandten des ermordeten Gatten. Kriemhild verbringt Jahre mit Trauer und Gebet. Brünhild herrscht dagegen stolz und unangefochten, mit übermüete ('Hochmut'). Das Weinen Kriemhilds ist ihr gleichgültig. Hagen bringt die Könige dazu, Kriemhild zu überreden, den Nibelungenhort nach Worms kommen zu lassen. Sie benutzt aber den Schatz (ihre Morgengabe, daher ihr Eigentum), um fremde Recken an sich zu binden, indem sie ihnen Geschenke macht, aus denen sie eine Verpflichtung herleiten kann. Hagen ahnt, dass sie damit Freunde gewinnen könnte, die den Mord rächen und Hagen gefährlich werden könnten. Als Hagen das bemerkt, unterrichtet er Gunther von der Bedrohung. Während die Könige eine „Reise“ unternehmen, nimmt Hagen den Schatz an sich und versteckt ihn im Rhein. Die Reise dient der Rechtfertigung der Könige, die so vorgeben können, nichts gewusst zu haben. Kriemhilds Klagen bei ihren Brüdern bleiben fruchtlos, sie weisen die Verantwortung von sich; Hagen zieht sich für eine Weile vom Hof zurück. Damit endet der erste Teil. Kriemhilds Rachepläne erhalten eine Chance zur Umsetzung, als der Hunnenkönig Etzel sie heiraten will. Schon im Vorfeld sichert sie sich die unbedingte Gefolgschaft des Werbers, Rüdigers von Bechelaren (Pöchlarn an der Donau). Hagen versucht, die Ehe zu verhindern; er erkennt, dass Kriemhild ihre Macht benutzen wird, um Siegfried zu rächen. Die Könige, besonders Giselher, hoffen aber, sie mit dieser Heirat, die ihr Ehre und Ansehen zurückgeben wird, zu „ergetzen“, d. h. die Schuld (Siegfrieds Tod) zu sühnen. Kriemhild zieht mit großem Gefolge ins Land der Hunnen und wird dort zu einer mächtigen Monarchin. Jahre später lädt sie ihre Brüder und Hagen, dem sie den Mord an Siegfried und den Raub des Nibelungenschatzes niemals verziehen hat, ins Land der Hunnen (Ungarn) zu einem Hoffest ein. Die Eingeladenen vermuten eine Falle. Zu den Warnern gehören der Küchenmeister Rumold, dessen humorvolle Worte berühmt sind ('Rumolds Rat'), sowie die alte Ute. Gerade wegen der Warnungen, um nicht als Feigling zu gelten, befürwortet Hagen nun die Reise, obwohl er zunächst als erster vor ihr gewarnt hatte. Die Burgunden begeben sich schließlich auf die Reise entlang der Donau, weil sie der Meinung sind, durch die Mitnahme von 1000 Kriegern (mit 9000 Knechten) genug gegen Rachepläne Kriemhilds oder Herrschaftspläne Etzels geschützt zu sein. Zum Abschied hält Gunther noch einmal das Beilager mit Brünhild. Das ist ihr letztes Auftreten im Nibelungenlied. Während der Reise an Etzels Hof wird Hagen von weissagenden Wasserfrauen gewarnt, allen stehe der Untergang bevor, nur der Kaplan werde lebend nach Worms zurückkehren. Hagen will diesen sogleich töten, damit die Prophezeiung sich nicht erfülle, und wirft ihn, der nicht schwimmen kann, während der Überfahrt mitten in die Hochwasser führende Donau; aber der Kaplan kann sich durch ein Wunder Gottes ans Ufer retten. Damit weiß Hagen: die Prophezeiung ist wahr. Bis zum Ende tut er daher alles, um das Schicksal herauszufordern, und verhöhnt gleich nach der Ankunft in Ungarn Kriemhild offen. Die Burgunden weigern sich, am Hof Etzels die Waffen abzulegen: im Feudalismus eine offene Kampfansage und schwere Beleidigung des Gastgebers. Doch Etzel gibt nach und lässt den Gästen die Waffen. Er ahnt nichts von den Racheplänen seiner Frau. Kriemhild versucht mit Hilfe von Etzels Bruder Blödel, Hagen töten zu lassen. Das misslingt jedoch. Ebenso kann Kriemhild ihre beiden Brüder Gernot und Giselher nicht zur Abkehr von Hagen bewegen. Etzel ist den Gästen freundlich gesinnt und will den sechsjährigen Sohn Kriemhilds und Etzels, Ortlieb, den sie hatte christlich taufen lassen, als Bindeglied zwischen beiden Reichen den Burgunden zur Erziehung nach Worms mitgeben. Hagen prophezeit daraufhin den Tod des Kindes; er ahnt in diesem anscheinend guten Angebot einen Vormachtsanspruch Etzels. Zugleich bringt Kriemhild es durch ihr Intrigenspiel dazu, dass Etzels Bruder Blödel den Bruder Hagens, Dankwart, der die Knechte beaufsichtigt, zum Zweikampf herausfordert. Dankwart erschlägt Blödel sofort; daraufhin erschlägt eine Schar von Hunnen die wehrlosen Knechte der Burgunden. Dankwart kann sich durch die Hunnen eine blutige Gasse zum Rittersaal bahnen und Hagen den Vorfall berichten. Daraufhin tötet Hagen Ortlieb und fordert die Burgunden auf, die Hunnen zu erschlagen. Es kommt zum Blutbad. Im Laufe der Kämpfe gehen die Helden beider Seiten zugrunde; von den Burgunden leben nur mehr Gunther und Hagen. Dietrich von Bern bezwingt Hagen und Gunther und liefert sie gefesselt Kriemhild aus, verlangt aber, dass sie ihnen das Leben lassen soll, falls sie zu Genugtuung für das ihr angetane Leid bereit sind. Dietrich vertritt den Standpunkt, dass auch für einen Mord Geldbuße geleistet werden kann. Daraufhin fordert Kriemhild von Hagen Genugtuung, um Dietrichs Bedingung zu erfüllen – allerdings ohne zu erwarten, dass Hagen sie leisten wird. Hagen erklärt, so lange einer der drei Könige lebt, nicht zu verraten, wo sich der Hort befindet. Daraufhin lässt sie Gunther das Leben nehmen. Als sie mit dem Haupt ihres Bruders vor Hagen tritt, erklärt dieser, nun wüssten nur Gott und er den Aufenthalt des Hortes. Provokant hat er das Schwert Siegfrieds, das er widerrechtlich, durch Leichenraub, sich nach dem Mord angeeignet hatte, an den Etzelshof mitgenommen. Dieses ergreift nun Kriemhild und, nachdem es den von ihr dazu angestifteten Männern nicht gelungen war, sie zu rächen, schlägt sie Hagen eigenhändig mit Siegfrieds Schwert den Kopf ab. Die Männer sind entsetzt, auch Etzel; nicht über den Tod Hagens, den er selbst wünschte, sondern dass der größte Held durch die Hand einer Frau starb. Zur Rache dafür erschlägt Hildebrand, der alte Waffenmeister Dietrichs, Kriemhild. Am Ende stehen Dietrich von Bern, Hildebrand, Etzel und die ritterliche Gesellschaft weinend vor der Bilanz unsagbaren Elends, und auch der Erzähler nimmt trauernd Abschied. Die Worte der unerfahrenen Kriemhild aus der Eingangsaventüre, „Es hat sich an vielen Frauen gezeigt, dass Liebe am Schluss mit Leid lohnen kann“, werden vom Erzähler in der vorletzten Strophe variiert zu: „wie die Liebe am Schluss immer Leid gibt“. Dieses Leid betrifft aber nicht nur die Liebeshandlung, sondern die ganze höfische Gesellschaft mit ihrem Streben nach Freude, sowohl kollektiver Freude, die im Fest verwirklicht werden soll, als auch nach individueller Freude. Um Freude empfinden zu können, braucht das höfische Individuum vor allem zweierlei: individuelles Liebesglück mit einem selbst gewählten Partner (im Gegensatz zur vorhöfischen Gesellschaft, in der man glücklich wurde, wenn man gut verheiratet wurde, wie Kriemhilds Mutter Ute in Str. B 14 formuliert) und außerdem Ehre, das ist das Ansehen, das man bei den anderen genießt. Dem Mann wird Ehre vor allem für heldenhaften Kampf zuteil. Dieses Streben des Individuums und der höfischen Gesellschaft nach Freude ist am Ende gescheitert. Überlieferung Der Text des Nibelungenlieds ist in ca. 35 (großteils nur fragmentarisch erhaltenen) deutschen Handschriften und einer niederländischen Umarbeitung erhalten (darunter zwei Handschriften, die nur die „Klage“ enthalten und ein Aventiurenverzeichnis). Die Handschriften wurden vorwiegend im südlichen Teil des deutschen Sprachgebietes (Schweiz, Vorarlberg, Tirol) gefunden. Die drei ältesten Textzeugen (Haupthandschriften) bezeichnete Karl Lachmann mit Buchstaben (Siglen) folgendermaßen: Diese drei Manuskripte gelten gleichzeitig als Hauptvertreter dreier verschiedener Textfassungen, deren Verhältnis zueinander bis heute weitgehend ungeklärt ist. Die autornächste Fassung ist zweifellos B. Neben den drei Hauptüberlieferungssträngen (A, B und C) wird man auch von einer breiten mündlichen Tradition ausgehen müssen, deren Rückwirkung auf die schriftlichen Fassungen jedoch schwer einzuschätzen ist. Weiterhin gruppiert man die Handschriften bzw. ihre Textfassungen nach dem letzten Vers des Textes. So enden Handschrift A und B mit dem Text: „daz ist der Nibelunge not“ („das ist der Untergang der Nibelungen“). Diese Texte werden darum als Not-Fassung bezeichnet. Handschrift C allerdings endet auf „daz ist der Nibelunge liet“ („das ist das Lied/Epos von den Nibelungen“). Dieser Text wird darum „Lied-Fassung“ genannt. Der C-Text ist eine Bearbeitung mit Rücksicht auf das Publikum und mildert vor allem die Tragik. Dadurch wurde er beliebter, obwohl, zumindest für heutiges ästhetisches Empfinden, der B-Text die größere künstlerische Leistung darstellt. Nibelungenkenntnis im Mittelalter Der Stoff der Nibelungensage war im deutschen, nordischen und englischen Sprachraum das ganze Mittelalter hindurch sehr bekannt und verbreitet. Dichter und Geschichtsschreiber erwähnen gelegentlich Figuren oder Konstellationen der Sage; dabei kann man jedoch nicht immer entscheiden, ob die Kenntnis auf das Nibelungenlied (bzw. eine seiner Vorstufen) zurückgeht oder auf eine der zahlreichen anderen Fassungen (Teilversionen) dieses Stoffes. So erzählt im 10. Jahrhundert ein süddeutscher (vermutlich bairischer) Mönch in dem lateinischen Schulepos Waltharius Hagens und Gunthers Vorgeschichte, die im Nibelungenlied in der 28. Aventiure und in der 39. Aventiure mehrmals anklingt. Im 'Waltharius' sind Gunther und Hagen Franken, in Worms am Rhein, aber nicht Burgunden wie im Nibelungenlied. Auch dort ist Gunther schatzgierig und raubt mit Hagens Hilfe in einem feigen Überfall in den Vogesen einen Schatz, aber weder Siegfried noch ein anderer Drachentöter kommt vor, sondern die beiden berauben Walther von Aquitanien, der mit seiner Braut Hildegund von Attilas Hof (in Ungarn) floh, dabei Attilas Schatzkiste mitnahm und bei Worms den Rhein überquerte. Dem lateinischen Ruodlieb des 11. Jahrhunderts hat man nachgesagt, dass er von Siegfrieds Biographie angeregt gewesen sein könnte. Um 1165–1175 erwähnt der Kleriker Metellus von Tegernsee (Ode 30), dass ein bei den Teutones berühmtes Lied von den Taten des Roger (Rüdiger) und Tetrix (Dietrich) an der Erlaf (heute Erlauf; Fluss, der bei Pöchlarn in die Donau mündet) handelt. Etwa zur selben Zeit muss sich der Bischof Gunther von Bamberg von seinem Domscholaster Meinhart dafür rügen lassen, dass er sich immer nur mit Attila und den Amelungen (Dietrich von Bern) beschäftigt – damit ist die Heldenepik insgesamt angesprochen. Der Spruchdichter Herger (2. Hälfte des 12. Jahrhunderts) vergleicht Wernhart von Steinsberg (bei Sinsheim) mit Rüedeger von Bechelaeren (26,2). Damals war also am Mittel-/Oberrhein in Adelskreisen der Nibelungenstoff gut bekannt. Der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus berichtet um 1200, freilich anekdotenhaft, dass ein deutscher Sänger den 1131 ermordeten schleswigschen Herzog Knut habe warnen wollen, indem er speciosissimi carminis contextu notissimam Grimilde erga fratres perfidiam de industria memorare adorsus ('indem er absichtlich begann, im Kontext eines ausgezeichneten Gedichtes den allseits bekannten Verrat Kriemhilds an ihren Brüdern vorzutragen'). Auch die Versenkung des Nibelungenhorts im Rhein war sprichwörtlich. Der Minnesänger Otto von Botenlauben spielt in einem seiner Lieder darauf an (ze loche in dem rine). Literarisch bedeutsame Querbeziehungen hat das Nibelungenlied insbesondere mit dem vermutlich nahezu gleichzeitig entstandenen Parzival-Roman Wolframs von Eschenbach. Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt der gelehrte Wanderdichter Marner Kriemhilds Verrat an ihren Brüdern, Siegfrieds Tod und den Nibelungenhort als Publikumsrenner, die er jedoch selbst nicht im Programm habe. Hugo von Trimberg spricht in seiner höfischen Lehrschrift Renner in einer ähnlichen Aufzählung von gern gehörten Erzählstoffen von Kriemhilds „mort“, von Siegfrieds Drachen und vom Nibelungenhort (V. 16183ff.). In Schweden und Norwegen waren Teile der Nibelungensage schon um 1000 bekannt. In England erscheint sie schon im Beowulf (spätestens 10. Jh.), doch in ganz anderer Ausformung: der Drachentöter heißt dort Sigmund (im Nibelungenlied: Siegfrieds Vater), und er tötet den Drachen erst, als er schon einen erwachsenen Sohn hat. Auch in Skandinavien, wo die dem deutschen 'Siegfried' entsprechende Figur 'Sigurd' heißt, ist die Geschichte von dessen Vater Sigmund ausführlich erzählt und vielleicht älter als die Sigurdsage. Der Sohn Sigmunds, der im Beowulf genannt wird, ist im Norden Halbbruder Sigurds. Der Nibelungenstoff im Spätmittelalter Aus dem 15. Jahrhundert stammen Fassungen des Nibelungenlieds, die es im Grunde zu neuen Texten umarbeiten. Generell besteht in der handschriftlichen Überlieferung die Tendenz zur Integration des Stoffes in das Leben des Dietrich von Bern. In diesen Fassungen werden beispielsweise der erste Teil stark reduziert (z. B. Handschrift n) oder neue motivliche Anbindungen gesucht (z. B. Heldenbuch-Prosa um 1480: Burgundenuntergang als Kriemhilds Rache an Dietrich für den Mord an Siegfried im Rosengarten zu Worms). Im 16. und 17. Jahrhundert wird das strophische Lied vom Hürnen Seyfried (Vom verhornten Siegfried) gedruckt, das in Details wohl auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und manche Züge aufweist, die sonst nur die nordische Überlieferung kennt. Der Vater Kriemhilds heißt hier Gybich (nord. Gjuki); Günther, Hagen und Gyrnot sind Brüder. 1557 dramatisiert Hans Sachs in seiner „Tragedj mit 17 personen: Der Huernen Sewfrid“ das Lied. Im 17. bis 19. Jahrhundert blieb der Stoff populär, wie an den mehrfachen Auflagen des Volksbuchs mit dem Titel Eine Wunderschöne Historie von dem gehörnten Siegfried abzulesen ist. Der älteste bekannte (jedoch nicht erhaltene) Druck dieser Prosa-Umarbeitung erschien 1657 in Hamburg. Dem Zeitgeschmack entsprechend heißt Kriemhild hier Florimunda (Florigunda?). Rezeptionsgeschichte Nach der Wiederentdeckung der Handschriften des Nibelungenlieds durch Jacob Hermann Obereit (1755) und der ersten vollständigen Ausgabe in einem Sammelband von Christoph Heinrich Myller (1782) wusste die Aufklärung zunächst wenig mit mittelalterlicher Dichtung anzufangen. Schuld daran trägt allerdings nicht nur die 'aufklärerische' Haltung der Leser, sondern auch, dass die Myller'sche Ausgabe so fehlerhaft ist, dass man den Sinn der Dichtungen sehr oft nicht versteht. Am 22. Februar 1784 schrieb Friedrich der Große an Myller, der seine Sammlung von deutschen Dichtungen des Mittelalters (die unter anderem das Nibelungenlied und Wolframs Parzival enthielt) dem König gewidmet hatte, folgendes: Hochgelahrter, lieber Getreuer! Ihr urtheilt viel zu vorteilhafft von denen Gedichten aus dem 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuss Pulver werth; und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal in der dortigen großen Bibliothek abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem nicht, Euer sonst gnädiger König Frch. Goethe las den Weimarer Damen in einer Folge mehrerer Abende das ganze Nibelungenlied vor (aus der Ausgabe von der Hagens) und machte mehrere detaillierte Bemerkungen dazu (dass sich nach seinem Tod in seiner Bibliothek ein unaufgeschnittenes, d.h. nicht gelesenes, Exemplar der Myller'schen Ausgabe fand, bedeutet also nicht, dass er das Nibelungenlied nicht gelesen hätte). Erst nach Goethes freundlichem Urteil über das „köstliche Werk“ und seiner Forderung, das Heldenlied in eine epische Form zu bringen, setzen in der Romantik zahlreiche Bemühungen um eine dramatischen Neuformung ein. Seitdem wurden zwei Wege eingeschlagen: Teilweise wurde der Stoff des Nibelungenlieds bearbeitet, teilweise griffen die Autoren auf die Sigurd-Brünhild-Version zurück, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Wölsungensaga, beziehungsweise in einigen Liedern der Edda gestaltet ist. Von den zahlreichen Bearbeitungen des neunzehnten Jahrhunderts sind heute nur noch drei Werke von Interesse, die Trilogie „Der Held des Nordens“, eine dramatische Bearbeitung von Friedrich de la Motte Fouqué, Hebbels Drama und Wagners „Der Ring des Nibelungen“. Friedrich de la Motte Fouqués dramatisches Gedicht folgt im ersten Teil „Sigurd, der Schlangentödter“ der nordischen Tradition: Sigurd befreit Brynhild aus der Waberlohe, heiratet aber nach einem Vergessenstrank Gunnars Schwester Gudrun, hilft Gunnar bei der Werbung um Brynhild, die nach seiner Ermordung durch einen Bruder Gunnars Selbstmord begeht. Im zweiten Teil „Sigurd's Rache“ heiratet Gudrun – erneut unter dem Einfluss eines Zaubertranks ihrer Mutter – den Hunnenkönig Atli. Er will sich in den Besitz des Horts bringen und lädt die Brüder in sein Land ein. Nach deren Ermordung tötet Gudrun ihre eigenen Kinder und setzt sie Atli als Speise vor. Schließlich wird Atli ermordet, und Gudrun wählt wie Brynhild den Freitod. Der dritte Teil „Aslauga“ erzählt, angelehnt an ein Bruchstück aus der Edda, das Geschick der Tochter Sigurds und Brynhilds: Sie wächst bei Hirten als Hütemädchen auf, wird aber wegen ihrer Schönheit vom König von Dänemark geheiratet, worauf die üblichen Verwicklungen folgen. Die Geschichte geht aber gut aus. Fouqué hatte mit dem Werk beim Publikum großen Erfolg und erhielt auch von anderen Dichtern der Zeit wie Jean Paul, Adelbert von Chamisso und Rahel Varnhagen großes Lob. Heinrich Heine dagegen bemängelte die fehlende Charakterisierung der Personen und das Fehlen der dramatischen Spannung. Diese Meinung hat sich durchgesetzt, und seit fast 100 Jahren gibt es keine Ausgabe des Werkes mehr. Wichtiger als das Werk selbst ist aus heutiger Sicht seine Wirkung auf Richard Wagner, der im „Ring des Nibelungen“ viel von Fouqué übernommen hat, ja sogar bezüglich des Versbaus und des Sprachrhythmus als Fouqués Schüler betrachtet werden kann. Friedrich Hebbel hält sich im Gegensatz zu Fouqué im Handlungsverlauf seiner Trilogie an das Nibelungenlied und blendet den mythologischen Hintergrund der Vorgeschichte weitgehend aus. Seine Figuren sind in unterschiedlicher Ausprägung Typen und Individuen zugleich und dadurch ohne durchgängige Motivation. Brunhild wird zum Ding, zum Tauschobjekt erniedrigt, Kriemhild am Ende wie im Nibelungenlied quasi kommentarlos erschlagen. Wegen der Schlussworte wurde in das Stück mitunter ein geschichtsphilosophisches Anliegen hineininterpretiert (Ablösung der mythischen Welt der Riesen durch das Christentum), aber in Hebbels Äußerungen lassen sich dafür keine Hinweise finden. Hebbels Stück fand auf dem Theater eine günstige Aufnahme und verdrängte die anderen dramatischen Bearbeitungen fast vollständig von den deutschen Bühnen – auch die Fassung von Emanuel Geibel, der den Stoff zu einem bürgerlichen Trauerspiel umformte. Im Gegensatz zu Goethe äußerte sich Heinrich Heine (1797–1856) zwar fasziniert, aber gleichzeitig auch befremdet über den Ton des Nibelungenlieds: „Es ist eine Sprache von Stein, und die Verse sind gleichsam gereimte Quadern. Hie und da, aus den Spalten, quellen rote Blumen hervor wie Blutstropfen oder zieht sich der lange Epheu herunter wie grüne Tränen.“ Trotz Heines Kritik erlangte der Stoff im 19. Jahrhundert den Rang eines deutschen Nationalepos. Zusätzlich zu den Theaterfassungen entstanden viele z. T. illustrierte Ausgaben (z. B. von Alfred Rethel, 1840, und von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1843). In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts diente das Nibelungenlied mehreren Romanen mit nationalistischer Tendenz als Vorlage. Mit dem Stück „Der Nibelungen Not“ knüpfte Max Mell an die Wölsungen-Variante, Wagners Mythologisierung und das Walkürenmotiv an. Er konzentrierte das Geschehen auf die bühnenwirksamen Höhepunkte. Im ersten Teil: Siegfrieds und Kriemhilds Ankunft in Worms, der Streit der Königinnen, Siegfrieds Ermordung, Brünhilds Freitod in den Flammen und ihre Rückkehr in den Bereich der Götter. Im zweiten Teil: Empfang der Burgunden an Etzels Hof, Racheintrige Kriemhilds, Untergang der Burgunden, Kriemhilds Ermordung und ein Schluss, der der Dietrichsage entnommen ist (Dietrich reitet auf seinem Pferd davon). Im N. feierte man die Wiederkehr der germanischen Größe und des Heldentums, der germanischen Gefolgstreue und des männlichen Rittertums und unterlegte die Idee des deutschen Volkstums mit diesen „germanischen Tugenden“. Man berief sich auf die schöpferischen Kräfte der Germanen, denen das Dritte Reich wieder Lebensmöglichkeiten gebe. Das Nibelungenlied wurde so als Vehikel nationaler Ideen instrumentalisiert und missbraucht, wie z. B. von H. G., der die Lage der deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad mit der Lage der Nibelungen im brennenden Saal verglich („Wir kennen ein gewaltiges historisches Lied...“). In der Spätphase des Krieges wurde damit häufig persönliches Verhalten in chancenloser Lage thematisiert: "Wir müssen doch ersterben, sprach da Giselher / so soll uns niemand scheiden von ritterlicher Wehr. / Wer gerne mit uns stritte, wir sind noch immer hie / verlier' ich meine Treue an einem Freund doch nie." (36. Aventiure) Nach 1945 war das Nibelungenlied wegen der Inanspruchnahme des Stoffes durch den Nationalsozialismus zunächst mit einem Tabu belegt, und jahrelang gab es keine zeitgemäße Prosafassung. Erst seit dem Einströmen von Fantasy-Elementen in die literarische Unterhaltungsliteratur – schon in J. R. R. Tolkiens Werken (Herr der Ringe) lassen sich etliche Elemente der Nibelungensaga (das Ring-Motiv!) wiederfinden – beschäftigten sich mehrere Romane aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Thema. Z. B. folgt „Rheingold“ von Stephan Grundy der Wölsungen-Linie, „Siegfried und Krimhild“ von Jürgen Lodemann dagegen dem Nibelungenlied, in drei anderen Romanen steht entweder Kriemhild (Roman von Sabina Trooger), Hagen (Siehe Wolfgang Hohlbeins Roman „Hagen von Tronje“ oder Joachim Fernaus „Disteln für Hagen“) oder Brünhild im Mittelpunkt. Der Roman „Sigfrieds Tochter“ von Eric Gutzler verknüpft die Wölsungensaga mit dem Nibelungenlied zu einem durchgehenden Handlungsstrang und erweitert den Stoff zu einem historischen Fantasy-Roman, in dem Sigfrieds Tochter im Brennpunkt steht. Baal Müllers „Die Nibelungen – nach alten Quellen neu erzählt“ schildert die Geschichte vom Untergang der Burgunden aus der Sicht des alten Hildebrand.