Metallarbeiterverband der Sozialistischen Sowjetr-Republiken 1925 Gewerkschaften

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Verkäufer: xzy-blond1937 ✉️ (261) 100%, Artikelstandort: Berlin, DE, Versand nach: WORLDWIDE, Artikelnummer: 266726811991 Metallarbeiterverband der Sozialistischen Sowjetr-Republiken 1925 Gewerkschaften. Aus meiner Sammlung zu Rätekommunismus, Sozialismus, Anarchismus etc. stelle ich demnächst etliches ein, also einfach ab und zu wieder bei mir hereinschauen, wenn Interesse besteht (Jegliches hat sein Zeit .... hoffentlich) >>> Der Metallarbeiterverband der Sozialistischen Sowjet-Republiken Seine Geschichte, Aufgaben und Tätigkeit Moskau 1925 <<< ... Denkschrift, gewidmet der Arbeiterdelegation, die im August 1925 in der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken weilte ... Zustand: alt und gebraucht, aber noch gut, Eibandpapier brüchig, siehe die Fotos, die wesentlicher Teil meiner Artikelbeschreibung sind Die Bücher waren Arbeitsmaterialien, können also Anstreichungen u.ä. enthalten! Versandkosten werden natürlich bei Kauf von mehreren Büchern zusammengefasst. Ab einem Warenwert von 20,00 Euro aber nur registrierter Versand (Hermes oder DHL)! Bei Versand an Packstationen muss DHL gewählt werden! SW: Metallarbeiterverbands Metallarbeiterverbandes Sowjetrepublik Sowjetrepubliken sowjetische Gewerkschaften gewerkschtliche gewerkschaftlich gewerkschaftlichen Gewerkvereine Gewerkschaftsgeschichte UdSSR Sowjeunion KPdSU Bolschewiki Bolschewisten Sowjetgewerkschaften NEP Gewerkschaftsinternationale Komintern Bolschewismus Kommunismus kommunistische  Kommunistischen Partei Industrieverband Arbeitslosigkeit Metallindustrie Massenorganisation Kriegskommunismus Treibriemen Löhne Lohnentwicklung Streikrecht  Arbietskampf Diktatur Arbeiterbewegung Revolution Oktoberrevolution Russland Sowjetrussland russische russischer russischen Führer-Verlag Aus Wiki: "

1924 bis 1939: Industrialisierung und Stalinscher Terror

Lenins Tod am 21. Januar 1924 führte zu einem erbitterten Nachfolgekampf, in dem sich der Georgier Josef Stalin, seit 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei, gegen Leo Trotzki durchsetzte. Stalin festigte seine Macht durch gezielten Terror von 1926 bis 1927 gegen seine Widersacher von „links“ (Leo Trotzki, Grigori Sinowjew und Lew Kamenew) und von 1929 bis 1930 gegen die von „rechts“ (u. a. Nikolai Bucharin) sowie jeden, der im Verdacht stand, mit ihnen zu sympathisieren.

Ab 1928 wurde die staatliche Wirtschaft Fünfjahrplänen unterworfen, wobei es zu einer rasanten Industrialisierung des bisherig agrarisch geprägten Landes kam. Die zeitgleiche Zwangskollektivierung der Landwirtschaft unter Bildung von Sowchosen und Kolchosen löste vielerorts großen Widerstand der reicheren und mittleren Bauern aus. Diese wurden als „Kulaken“ diffamiert und von 1929 bis 1933 in der sogenannten Entkulakisierung durch vielfältige Repressionen wie Verhaftungen, Enteignungen, Massendeportationen und Exekutionen rücksichtslos gebrochen. Noch nicht abschließend bewertet ist, inwiefern riesige Hungersnöte, wie sie am härtesten die Ukraine, aber auch Gebiete an der Wolga und die Kasachische SSR trafen, ebenfalls Bestandteil gezielter politischer Maßnahmen Stalins waren. Die Hungersnot in der Ukraine wird unter dem Begriff Holodomor zusammengefasst. Allgemein spielte die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumwaren für Stalin eine untergeordnete Rolle; damalige Getreideexporte zur Beschaffung von Material für die Schwerindustrie werden als Hungerexporte bezeichnet.

Seit 1935 eskalierte Stalin die Verfolgungen und Deportationen von Bürgern, die dem System scheinbar oder tatsächlich im Wege standen. Durch die „Stalinschen Säuberungen“ (russisch „Tschistki“) von 1936 bis 1940 wurde ein systematischer Terror gegen die Menschen betrieben, die angeblich gegen das kommunistische Regime Stalins konspirierten. Die Säuberungsaktionen waren oft als gerichtliche Verfolgung getarnt und durch unter Folter erpresste Geständnisse begründet (Schauprozess). Deportationen ganzer Völker der Sowjetunion, ethnische Minderheiten, in Arbeitslager (Gulag) fanden statt. „Kulaken“, Priester und Mönche, kirchliche Laien, Großteile der militärischen Führungsspitze, führende Mitglieder der Partei und selbst Angehörige der Opfer wurden ermordet.

Das Schwarzbuch des Kommunismus gibt etwa 20 Millionen Opfer für die Zeit des Bestehens der Sowjetunion an.[12]

Als Massenorganisation bezeichnet man eine Organisation in nicht demokratischen Staaten, die über eine große Anzahl Mitglieder verfügt. Massenorganisationen dienen der politischen Beeinflussung bzw. der Indoktrination der Massen, vor allem derjenigen Menschen, die keiner Partei angehören.[1]

Im weiteren Sinne werden als Massenorganisation auch Organisationen bezeichnet, deren Mitglieder aus breiten Kreisen der Bevölkerung stammen, die mit Hilfe der Organisation ihre beruflichen, ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Interessen vertreten.

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„Neue Ökonomische Politik“ und Machtkampf (1921–1927)

Nach den Verwerfungen des Bürgerkriegs ging die Parteiführung zu einer Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung über, der Neuen Ökonomischen Politik (NEP). Befürworter waren hier v. a. Lenin und Trotzki.

Infolge der fortschreitenden Erkrankung Lenins wurde die Frage, wer nach ihm die Partei führen sollte, akut. Hauptkontrahenten waren Leo Trotzki, der sich in der Oktoberrevolution und Bürgerkrieg ausgezeichnet hatte, und Josef Stalin, der seit 1922 als Generalsekretär Leiter der Parteiorganisation war. Kurz vor seinem Tod 1924 äußerte Lenin Vorbehalte gegenüber Stalin und empfahl seine Entfernung aus diesem Amt, worin ihm Politbüro und ZK jedoch nicht folgten. Stalin gelang es, sich auch durch innerparteiliche Intrigen durchzusetzen: zuerst nutzte er die Vorbehalte der übrigen Politbüromitglieder gegen Trotzki aus, um anschließend die verschiedenen Strömungen innerhalb des Führungsgremiums gegeneinander auszuspielen: Zuerst schaltete er den inzwischen mit Trotzki verbündeten linken Flügel unter Sinowjew und Kamenew aus (1927), um dann gegen den rechten Flügel unter Nikolai Bucharin und Alexei Rykow (1930), die Stalin zunächst unterstützt hatten, vorzugehen. Die meisten der tatsächlichen und potentiellen Kontrahenten wurden in den 1930er Jahren im Zuge der „Großen Säuberung“ entmachtet und schließlich hingerichtet.

Trotzki wurde verbannt und anschließend außer Landes verwiesen. Seine Emigration führte ihn bis nach Mexiko, wo er seine theoretischen Arbeiten fortführte und scharfe Kritik an der Entwicklung der KPdSU und der Bürokratisierung der kommunistischen Idee in der Sowjetunion unter dem Stalinismus übte, bis er schließlich 1940 durch einen Agenten Stalins ermordet wurde.

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Linksradikalismus, linker Radikalismus oder radikale Linke bezeichnet verschiedene Strömungen der politischen Linken. Der Ausdruck verbindet die inhaltliche Richtungsangabe „links“, die aus der Französischen Revolution von 1789 stammt, mit dem formalen Merkmal der „Radikalität“ (etymologisch von lat. radix für „Wurzel“). Gemeint ist eine Politik, die die Ursachen von Unfreiheit, Ungleichheit, Unterdrückung und Ausbeutung durch eine grundlegende, revolutionäre Veränderung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung beseitigen will. Welche Politik das leisten kann, war in der Linken seit dem 19. Jahrhundert jedoch immer umstritten. In der frühen Sozialdemokratie und im Leninismus wurden andere Linke öfter als „Linksradikale“ kritisiert. Seit den 1960er Jahren wird „Linksradikalismus“ im deutschen Sprachraum als unbestimmte Selbst- und (oft abwertende) Fremdbezeichnung für eine Vielzahl verschiedener linker Politikansätze verwendet. Es gibt keine einheitliche Definition des Ausdrucks. „Radikalismus“ war seit der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts bereits als Eigen- und Fremdbezeichnung für weitgehende politische Demokratisierungsziele üblich geworden. In Deutschland entstand unter den Junghegelianern um 1840 eine Diskussion um den Begriff: Während Ludwig Feuerbach, Bruno Bauer und andere darunter vor allem ein öffentliches Bekenntnis zum Atheismus, Forderungen nach einigen Bürgerrechten und eine unangepasste Lebensführung verstanden, wollte Karl Marx von der Religionskritik zu einer die Kritik der politischen Ökonomie umfassenden Gesellschaftskritik voranschreiten. Im Ergebnis dieses Streits trennten er und sein Verbündeter Friedrich Engels sich von den Junghegelianern.[1] 1844 beschrieb Marx sein Verständnis von Radikalismus programmatisch als Ergebnis und Aufhebung der linkshegelianischen Religionskritik: „Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihrer praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entscheidenden positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem Kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“[2] Jedoch nannten Marx und Engels weder ihren eigenen „wissenschaftlichen Kommunismus“ noch andere linke Positionen „linksradikal“. Sie kritisierten den Radikalismus der Junghegelianer als bloß theoretischen und abstrakten Idealismus, den Frühsozialismus anderer Radikaldemokraten als moralischen Utopismus und den Anarchismus von Pierre-Joseph Proudhon, Michail Alexandrowitsch Bakunin und anderen als individualistischen Voluntarismus.[3] Nachdem 1890 das Sozialistengesetz aufgehoben und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) erlaubt worden war, brach ein schon länger schwelender innerparteilicher Konflikt um ihr Verhältnis zum Parlamentarismus offen aus. Die „Jungen“, eine meist aus bürgerlichen Intellektuellen bestehende Bildungselite, protestierten gegen den Reformismus und die Legalitätsstrategie der SPD-Führung. Sie verstanden sich als Wahrer und authentische Interpreten des revolutionären Marxismus. Wie Wilhelm Liebknecht (1869) lehnten sie die Institutionen des damaligen Staates als Mittel der Klassenherrschaft ab. Folglich sahen sie Versuche, die Lage der Arbeiter durch parlamentarische Arbeit im Reichstag zu verbessern, als Illusion, bestritten den Führungsanspruch der SPD-Reichstagsfraktion und die strikte Parteidisziplin. Liebknecht und Engels distanzierten sich jedoch von ihnen. Der SPD-Vorsitzende August Bebel sorgte beim Erfurter Parteitag 1891 für ihren Ausschluss. Der daraufhin von den „Jungen“ gegründete Verein der unabhängigen Sozialisten zerfiel schon 1893 in einen anarchistischen und einen revisionistischen (vom Marxismus abgewandten) Flügel und blieb weitgehend wirkungslos für die SPD-Politik. Diese antiparlamentarische Opposition in der SPD gilt als Vorläufer späterer linksradikaler Strömungen.[4] Eins ihrer kontinuierlichen Merkmale war die Kritik am Geschichtsdeterminismus, wonach der Sozialismus sich aus ökonomischen Gesetzmäßigkeiten wie von selbst durchsetzen werde. Dagegen bestanden die „Jungen“ auf notwendigen, von Parteihierarchien unabhängigen Eingriffen der Arbeiter in den Geschichtslauf.[5] Auf die Russische Revolution 1905 folgte in der SPD eine jahrelange Massenstreikdebatte. Der linke Parteiflügel um Rosa Luxemburg verstand spontane Massenstreiks mit politischen Zielen als notwendige Form des revolutionären Klassenkampfes. Die Bremer SPD übernahm diese Auffassung und forderte bei verschiedenen tagespolitischen Anlässen   Wolfgang Abendroth Fritz Altwein Heinrich Angermeier Theodor Ankermann Rosa Aschenbrenner B Otto Karl Bachmann Karl Baier (Politiker) Albert Bassüner Hans Beck (Gewerkschafter) Ludwig Becker (Gewerkschafter) Ernst Behm (Pädagoge) Alfred Bergmann (Widerstandskämpfer) Josef Bergmann (Gewerkschafter) Theodor Bergmann (Agrarwissenschaftler) Edwin Bergner Robert Bialek Hugo Bischof Willi Bleicher Heinrich Blücher Waldemar Bolze Leo Borochowicz Paul Böttcher Kuno Brandel Heinrich Brandler Karl Bräuning Hans Brodmerkel Karl Brönnle Franz Xaver Büchs C Franz Cerny D Wilhelm Deisen Käthe Draeger Fritz Duda E Adolf Ehlers Ernst Eichler (Erziehungswissenschaftler) August Enderle Irmgard Enderle Otto Engert F Ewald Fabian Ernst Fabisch Paul Fischer (Politiker, 1894) Minna Flake Karl Borromäus Frank Paul Frölich (Kommunist) Eduard Fuchs (Kulturwissenschaftler) G Heinrich Galm Friedrich Giessner Boris Goldenberg Maria Grollmuß Karl Grönsfelder Hugo Günther H Erich Hausen Carl Heidenreich K Leo Klauber L Erna Lang Arthur Lieberasch Hans Lorbeer Richard Löwenthal Dagobert Lubinski Walther Lüders M Erich Matthes (Gewerkschaftsfunktionär) Hans Mayer (Literaturwissenschaftler) Erich Melcher Walter Möller (Politiker, 1912) N Siegmund Neumann O Eugen Ochs Otto Oehring Ruth Oesterreich Fritz Opel (Gewerkschafter) P Philipp Pless Otto Preßler Heinz Putzrath R Karl Rehbein Jakob Reich Otto Rötzscher S Willy Sachse Erich Sander (Fotograf) Hermann Scheler (Philosoph) Alfred Schmidt (Politiker, 1891) Felix Schmidt (Politiker) Arthur Schreiber (Politiker) Albert Schreiner (Historiker) Fritz Schreiter Hermann Schulze (Politiker, 1897) Hermann Schwarzbold Georg Stetter (Politiker) Stefan Szende T Albin Tenner August Thalheimer Bertha Thalheimer Alfred Tittel (Politiker) Hans Tittel U Walter Uhlmann W Jacob Walcher Albin Weis Rudolf Wiesener Fritz Wiest Frida Winckelmann Rosi Wolfstein Rudolf Wunderlich Z August Ziehl Gründungsjahr Name Hauptvertreter Mitgliedszahlen Presseorgane 1919 KPD-Linke meist Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD 1918) Otto Rühle Heinrich Laufenberg Fritz Wolffheim ~38.000 2/1920 Allgemeine Arbeiter-Union (AAU) Otto Rühle Rudolf Ziegenhagen 200.000 (1921) – 12.600 (1924) 4/1920 Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) Otto Rühle ~40.000 (8/1920) – 4.000 (1927) Kommunistische Arbeiter-Zeitung 9/1920 Bund der Kommunisten (1920) Heinrich Laufenberg Fritz Wolffheim 1921 Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAU-E) Otto Rühle Franz Pfemfert Oskar Kanehl Die Aktion 1924 Weddinger Opposition Hans Weber Der Pionier 1925 Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK) Leonard Nelson Minna Specht >300 1925 Fischer-Maslow-Gruppe Ruth Fischer Arkadi Maslow 1926 KPD-Opposition (Linke KPD) Iwan Katz Theodor Gohr Berthold Karwahne ~800 Mitteilungsblatt für die Parteiarbeiter der KPD-Organisation in Niedersachsen / in Thüringen 1926 Linke Kommunisten Werner Scholem Hugo Urbahns ~8 Schlacht und Hütte 1926 Entschiedene Linke (EL) Karl Korsch Heinrich Schlagewerth Ernst Schwarz 3.500–5000 Alle Macht den Räten! Kommunistische Politik 1926 Entschiedene Linke (Schwarz-Gruppe) Ernst Schwarz 4.000 Entschiedene Linke 1926 Kommunistische Arbeitsgemeinschaft (KAG 1926) Otto Geithner Agnes Schmidt Hans Schreyer 6/1926 Spartakusbund linkskommunistischer Organisationen Iwan Katz Franz Pfemfert Oskar Kanehl 12.000 - 6.000 Spartakus 1926 Gruppe Kommunistische Politik (GKP) Karl Korsch 3.000 (1927) Kommunistische Politik Der Klassenkämpfer Die Wahrheit 1926 Kötter-Vogt-Gruppe Wilhelm Kötter Otto Voigt 1926 Weber-Gruppe Hans Weber 1926 Fischer-Urbahns-Gruppe Ruth Fischer Hugo Urbahns Die Fahne des Kommunismus Mitteilungsblatt Linke Opposition der KPD 1928 Bolschewistische Einheit Erwin Heinz Ackerknecht Otto Schüssler Roman Well 50 4/1928 Leninbund Hugo Urbahns 6000 (1928) – 500 (1932) Volkswille 1929 Trotzkistische Minderheit 3/1930 Vereinigte Linke Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) Anton Grylewicz 350–400 Internationales Bulletin der kommunistischen Links-Opposition Mitteilungsblatt der Reichsleitung Permanente Revolution Der Kampfruf 1931 Linke Opposition der KPD (Trotzkisten) Erwin Ackerknecht Oskar Seipold 150 (1931) – 1.000 (1933) 1931 Linke Opposition der KPD (Landau-Gruppe) Kurt Landau 100–300 Der Kommunist 12/1931 Kommunistische Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) Jan Appel ~300 1933 Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD 1933) Unser Wort 1933 Gruppe Funke Kurt Landau politische Streiks. Weil der SPD-Vorstand Massenstreiks auch gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht ablehnte, bildete die Bremer SPD 1910 die eigenständige Gruppe Bremer Linksradikale. Ihr Vertreter Anton Pannekoek kritisierte wie Rosa Luxemburg, dass sich der SPD-Vorstand um Karl Kautsky nur theoretisch am Marxismus orientierte, praktisch aber Eduard Bernsteins Reformismus folgte und politische Streiks allenfalls als defensive Abwehrmaßnahme bejahte. Kautsky mache die mechanische Selbsterhaltung der Parteiorganisation statt praktischen Zusammenhalt mit den proletarischen Massen zum obersten Zweck. Revolutionäre Massenaktionen seien jedoch wegen des damaligen Imperialismus und der darin enthaltenen Kriegsgefahr unerlässlich.[6] Kautsky wiederum kritisierte die Bremer Linksradikalen als „jüngsten Radikalismus“, also als Neuauflage der „Jungen“ von 1890. Wie damals Engels kritisierte er ihre Position als „Vulgärmarxismus“, der den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit nur pauschal feststelle, ohne die übrigen Interessengegensätze, Kräfteverhältnisse, Situationen und Stimmungen in der Gesellschaft zu berücksichtigen. Folglich überschätzten die Radikalen das revolutionäre Potential der Massen und unterschätzten die Notwendigkeit der hierarchischen SPD-Organisation zum Schutz der Gewerkschaften, deren revolutionäre Bedeutung künftig erheblich zunehmen werde. Nicht der Parlamentarismus an sich sei das Hindernis sozialen Fortschritts, sondern die Mehrheits- und Machtverhältnisse im Parlament. Mit außerparlamentarischen Massenaktionen versuchten die Linksradikalen, die Sozialdemokratie mit Anarchismus und Syndikalismus zu vereinigen.[7] Auf dem SPD-Parteitag von 1913 fand der linke SPD-Flügel für eine Massenstreikresolution relativ viel Zustimmung, blieb aber auf einzelne, voneinander getrennte Orts- und Landesverbände begrenzt, die in anderen Fragen zerstritten waren. Am 4. August 1914 stimmte die SPD-Reichstagsfraktion entgegen ihren Vorkriegsbeschlüssen der Burgfriedenspolitik und den Kriegskrediten zu, trug so den Ersten Weltkrieg mit und bewirkte, dass die Sozialistische Internationale zerbrach. Daraufhin versuchten die zersprengten Linkssozialisten unter Kriegs-, Haft- und Zensurbedingungen das SPD-Versagen aufzuarbeiten und eine Antikriegsopposition zu bilden. Im Kriegsverlauf entwickelte sich die Gruppe Internationale um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zur Spartakusgruppe (ab 1915), die Bremer Radikalen um Pannekoek, Johann Knief, Paul Frölich und Karl Radek zur Gruppe Internationale Sozialisten Deutschlands (ISD, ab Dezember 1915). Als von der SPD ausgeschlossene Kriegsgegner im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) gründeten, schloss die Spartakusgruppe sich ihr an. Dagegen blieben die ISD ihr fern und schlossen sich den Forderungen Wladimir Iljitsch Lenins auf den Zimmerwalder Konferenzen (1915/1916) an.[8] Erst in der Novemberrevolution 1918 näherten sich der nun reichsweite Spartakusbund und ISD, nun als Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD), einander an und gründeten gemeinsam am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Damit war die deutsche Arbeiterbewegung organisatorisch in reformistisch-sozialdemokratische und revolutionär-kommunistische Parteien gespalten.[9] Weimarer Republik DDR Das Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus sieht bereits 1945 einen Bruch des Linksradikalismus mit der Arbeiterbewegung, in der er entstand: „Das Jahr 1945 markiert einen Bruch. Seitherige Varianten des L beriefen sich zwar auf die verschiedenen Strömungen des L in der Arbeiterbewegung, z.B. auf Karl Korsch und Arthur Rosenberg, Bordiga oder Nikolai Bucharin. Sie wurden jedoch weniger von der Arbeiterschaft getragen, sondern äußerten sich als Jugendrevolte mit sozialistischen Forderungen, aber heterogener Klassenlage – ein Ausdruck der seit den 1950er Jahren voranschreitenden Auflösung proletarischer Millieus bei gleichzeitig steigendem Anteil der Lohnabhängigen.“ – HKWM – Band 8/2, Sp. 1200[16] Laut dem HKWM bezeichnet der Begriff „vornehmlich im sozialen Spektrum der Arbeiterbewegung, des Kommunismus und Sozialismus eine Form politischer Kritik und Praxis, die an die Wurzel (lat. radix) zu gehen beansprucht. Vertreter des Linksradikalismus beanspruchen eine unbedingt revolutionäre, grundsätzliche Kritik, die moderaten, auf systemimmanente Reformziele verkürzten Gesellschaftskritiken vorzuziehen sei.“[17] Schweiz Die Tradition des Linksradikalismus in der Schweiz reicht bis auf den libertären Sozialismus und Anarchismus der Juraföderation der 1. Internationale zurück, hier hatten die Anhänger eines „freiheitlichen Sozialismus“ um Bakunin ihre Hochburg. Während des Ersten Weltkriegs erwuchsen aus der Ablehnung der Burgfriedenspolitik in der Schweiz und der Opposition gegen den Krieg verschiedene linksradikale Strömungen innerhalb und neben den sozialdemokratischen Parteien vom religiös-sozialen Kreis bis zum anarchistischen Zusammenhang um Fritz Brupbacher und Kommunisten um Jakob Herzog. In der gesellschaftlichen Unruhe erlangte diese soziopolitische Strömung aufgrund ihres stark aktivistisch geprägten Verhaltens und in der Projektion bürgerlicher Ängste vor revolutionären Erhebungen eine überproportionale Bedeutung. Das libertäre Gedankengut des Linksradikalismus wurde in der Folgezeit etwa vom Marxismus-Leninismus in den Hintergrund gedrängt. Zwischen den Weltkriegen kann nur vereinzeltes Vorkommen des Linksradikalismus außerhalb der großen Parteien der Arbeiterbewegung beobachtet werden, so etwa 1930 die Abspaltung des anti-stalinistischen Flügels der Kommunistischen Partei in Schaffhausen. Situation in Deutschland Eine außerparlamentarische Opposition kann sich in der Bundesrepublik Deutschland vor allem auf die Grundrechte Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit berufen, um ihre Forderungen öffentlich darzustellen. Neue politische Strömungen beginnen ihre Arbeit meist erst außerhalb der Parlamente und kommen etwa über ein Landesparlament unter Umständen bis in den Deutschen Bundestag oder sogar bis in die Bundesregierung Deutschlands. Ein Beispiel für diesen Weg ist die Partei Die Grünen, die im Januar 1980 entstand und später als Bündnis 90/Die Grünen in einer Koalition mit der SPD von 1998 bis 2005 die Bundesregierung stellte. Die APO in den 1960er Jahren Demonstrationsaufruf der APO In der Bundesrepublik Deutschland verstärkte sich ab Mitte der 1960er Jahre mit der Studentenbewegung, die mit der APO oft synonym gesetzt wird, die bis dahin bedeutendste außerparlamentarische Opposition in Deutschland (die sich selbst im Kürzel APO benannte). Ihre besonders von den Universitätsstädten ausgehenden Aktivitäten erreichten in den Jahren 1967 und 1968 ihren Höhepunkt. Die häufig in Bezugnahme auf diese Zeit ihrer Hochphase auch 68er-Bewegung genannte studentische APO wurde getragen durch den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), aber auch durch andere Gruppen wie den Republikanischen Club (RC), der insbesondere in West-Berlin eine Schlüsselrolle spielte.[1] Die APO entwickelte sich aus der Opposition gegen die seit 1966 regierende sog. große Koalition aus CDU und SPD unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und die von dieser Regierung geplante Notstandsgesetzgebung, die letztlich gegen die Proteste der APO und das Votum der einzigen kleinen Oppositionspartei FDP durchgesetzt wurde. Die somit nahezu fehlende Opposition im Deutschen Bundestag und das verbreitete Gefühl, durch keine der im Bundestag befindlichen Parteien angemessen vertreten zu werden, begünstigte das Erstarken der außerparlamentarischen Opposition. Des Weiteren forderte die APO eine Demokratisierung der Universitätspolitik (ein Motto der Studentenbewegung, das die Verkrustung der Strukturen an den Hochschulen aufzeigen sollte, lautete: „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“). Man warf der Elterngeneration, die sich nur für wirtschaftlichen Wiederaufbau interessiere, eine gesellschaftliche Verdrängung der Verbrechen des Nationalsozialismus vor und insbesondere die Tatsache, dass immer noch ehemalige Nationalsozialisten in hohen und höchsten Ämtern saßen. Die APO kritisierte die Notstandgesetzgebung mit ihrer weitgehenden Entrechtung und Kontrolle der Bürger im Eventualfall, die die Assoziation an den Faschismus weckten. Außerdem schloss sie sich den weltweiten Protesten gegen den „westlichen Imperialismus“ sowie die wachsende Gefahr eines Atomkrieges durch die atomare Aufrüstung der reichen Industrienationen, insbesondere der USA, und dem Protest gegen den Vietnamkrieg an und solidarisierte sich mit der nordvietnamesischen Guerilla gegen die USA. Neben anderen Protagonisten der revolutionären Befreiungsbewegungen der so genannten Dritten Welt, wie zum Beispiel Fidel Castro und Che Guevara, fungierten auch der Anführer der vietnamesischen Revolution und Begründer der vietnamesischen kommunistischen Partei, Ho Chi Minh, sowie Mao Tse-Tung, der in China die Kulturrevolution eingeleitet hatte, als Galionsfiguren auf Protestmärschen. Jedoch kritisierten einflussreiche Studentenführer wie beispielsweise Rudi Dutschke und Hans-Jürgen Krahl nicht nur den mangelhaft vorangetriebenen Demokratisierungsprozess im Westen, sondern zugleich den durch Bürokratismus verfälschten Kommunismus im Osten, insbesondere den Sowjetkommunismus, der sich ohnehin durch die mörderische stalinistische Ära diskreditiert hatte. Sehr bald waren es nicht nur einzelne Politikfelder, in denen die Studentenbewegung in die gesellschaftliche Diskussion eingriff. Sie weitete ihre Kritik aus und forderte grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen in einem sozialistisch-revolutionären Sinn. Neue Formen des Zusammenlebens wurden ausprobiert, ebenso wie neue Formen des Protests und der politischen Aktion. Hierbei machte besonders die „Kommune I“ mit Wortführern wie Fritz Teufel, Dieter Kunzelmann und Rainer Langhans von sich reden. Ihre politischen Happenings und Aktionen führten mehrfach zu Gerichtsverfahren, die ebenfalls als Plattform für spektakuläre Protest-Auftritte genutzt wurden. Unterstützung und theoretische Orientierung fand die APO teilweise auch durch Intellektuelle und Philosophen wie etwa Ernst Bloch, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, den Vertreter des französischen Existenzialismus Jean-Paul Sartre und andere (vgl. auch Frankfurter Schule und Kritische Theorie). Insgesamt blieb die westdeutsche APO im Wesentlichen auf eher junge Menschen wie Studenten und Schüler beschränkt. Sie konnte in der Arbeiterschaft und im bürgerlichen und kleinbürgerlichen Milieu der Bundesrepublik Deutschland kaum Fuß fassen. Einige Chronisten der Zeit, wie zum Beispiel Jutta Ditfurth, widersprechen dieser These jedoch und beziehen die Arbeiterschaft (Auszubildende etc.) mit in die politische Bewegung ein. Dies war in Frankreich anders. Dort kam es zeitweise zu Solidarisierung der Gewerkschaften mit der Studentenbewegung, was im Mai 1968 zu einer beinahe revolutionären Situation und im Gefolge von schweren Unruhen, Straßenkämpfen und Massenstreiks zu einer Staatskrise führte. Einem der Protagonisten der deutschen und der französischen APO, dem deutsch-französischen Aktivisten und späteren Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, wurde 1968 auf Initiative von Staatspräsident Charles de Gaulle zeitweilig die Wiedereinreise nach Frankreich verweigert. Weitere Mitglieder der APO waren Joseph ‚Joschka‘ Fischer, Bundesaußenminister von 1998 bis 2005, und Matthias Beltz († 2002), ein in den späten 1970er und 1980er Jahren bekannter Kabarettist. Verschärfung des Konflikts Ein Wendepunkt in der Geschichte der deutschen APO trat ein, als am 2. Juni 1967 während der Demonstrationen gegen den Staatsbesuch des persischen Schahs Mohammad Reza Pahlavi der Student Benno Ohnesorg vom Polizisten Karl-Heinz Kurras in West-Berlin erschossen wurde. Die Studentenbewegung radikalisierte sich, wurde zunehmend militanter und wandte sich verstärkt gegen die Springer-Presse, namentlich die Bild-Zeitung, die für die aufgeheizte Stimmung gegen die APO in der Bevölkerung verantwortlich gemacht wurde. Ein knappes Jahr nach dem Tod von Benno Ohnesorg wurde einer der prominentesten Wortführer des SDS, Rudi Dutschke, von dem Arbeiter Josef Bachmann durch Pistolenschüsse ebenfalls in West-Berlin schwer verletzt. Dutschke überlebte das Attentat, starb aber 1979 an den Spätfolgen der Verletzungen, die eine Epilepsie bei ihm verursacht hatten. Nach 1969 spielte die APO in der bisherigen Form keine nennenswerte Rolle mehr in der Bundesrepublik Deutschland, wenngleich es auch weiterhin außerparlamentarische Oppositionsaktivitäten gab. Neue soziale Bewegungen griffen seit den 1970er Jahren zumindest einzelne Politik- und Gesellschaftsbereiche auf, die teilweise auch schon durch die Studentenbewegung thematisiert worden waren. Neu hinzu kamen ab den 1970er Jahren die Themenbereiche und außerparlamentarischen Aktionsfelder Umweltschutz (Ökologie, Ökobewegung) und Atomenergie (Atomkraftgegner), in denen sich auch viele ehemalige APO-Aktivisten wiederfanden. Ende des SDS bis zur Gründung der Grünen, Ende 1960er Jahre bis zur Gegenwart Der SDS spaltete sich nach 1968 auf. Es entstanden verschiedene miteinander konkurrierende linke Zirkel und kleine kommunistische Splitterparteien (K-Gruppen), die in der politischen Landschaft, zumindest auf parlamentarischer Ebene, ohne nennenswerten Einfluss blieben. Der von Rudi Dutschke propagierte „Marsch durch die Institutionen“ wurde in gewisser Weise von jenen umzusetzen versucht, die um 1980 die Partei "Die Grünen" (heute Bündnis 90/Die Grünen) als eine Organisationsform der Anti-Atomkraft-, der Friedensbewegung und anderer neuer sozialer Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre bildeten. Deren Gründer waren teilweise schon in der APO aktiv. 1983 wurden die Grünen in den Deutschen Bundestag gewählt, wo sie sich als parlamentarische Spielart der „Bewegung“ verstanden, dabei ihre Wurzeln und ihren Schwerpunkt zunächst weiterhin in den Neuen Sozialen Bewegungen sahen. Innerhalb weniger Jahre etablierten sich Die Grünen zusehends als parlamentarische Kraft. Schon in der Anfangsphase nach der Parteigründung spaltete sich ein rechtskonservativer Parteiflügel ab. Grundlegende Konflikte zwischen so genannten „Fundis“ (Fundamentalisten) und „Realos“ (Realpolitikern) führten jedoch bis heute, vor allem Anfang der 1990er Jahre, zu Austritten prominenter Ökosozialisten aus der Partei. Die damit einhergehende Anpassung und zunehmende Kompromissbereitschaft der Grünen gegenüber den herkömmlichen gesellschaftspolitischen Strukturen brachte den Grünen einerseits einen verstärkten Wählerzuwachs, andererseits einen bis in die Gegenwart zunehmenden Widerspruch in den außerparlamentarischen Bewegungen ein, auf die sie sich einst beriefen – und dies bis heute teilweise noch immer tun. Insbesondere seit sie als Bündnis 90/Die Grünen ab 1998 in der Koalition mit der SPD an der Bundesregierung beteiligt waren und in dieser Koalition auch originäre Themen und Anliegen der ehemaligen APO in den Augen Vieler nicht mehr oder zu wenig vertraten, richteten sich zunehmend Demonstrationen der neuen außerparlamentarischen Bewegungen auch gegen die Politik der Grünen, vor allem nach deren Zustimmung zur Kriegsbeteiligung im Kosovokrieg (1999) und dem Afghanistan-Krieg (2002). Radikalisierte Splittergruppen Ein kleiner Teil von APO-Aktivisten um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und anderen, zu denen später auch die Journalistin Ulrike Meinhof stieß, ging nach einigen Brandanschlägen auf Kaufhäuser unter anderem in den illegalen Untergrund und organisierte als Rote Armee Fraktion (RAF) den „bewaffneten Widerstand“. Banküberfälle, Entführungen und schließlich auch Mordanschläge auf Protagonisten der deutschen Wirtschaft, Politik und Justiz gingen bis in die 1980er Jahre auf das Konto der RAF und anderer ähnlicher Untergrundgruppen wie etwa der „Bewegung 2. Juni“ oder der Revolutionären Zellen (RZ). Außerparlamentarische Opposition und Massenbewegungen ab den 1980er Jahren Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Als Gegenbewegung zu den GRÜNEN, die einen parlamentarischen Weg wählten, etablierten sich in den 1980ern die „Autonomen“ außerhalb der Parlamente im u. a. Bereich Anti-Atom, soziale Kämpfe Mieterrechte, internationale Solidarität. Diese sind im Laufe der Jahrzehnte in alle Bereiche der außerparlamentarischen Opposition übergegangen. Um den Einfluss einer neuen Opposition zu verringern und diese zu kontrollieren floss in den letzten Jahrzehnten viel Geld in „Nichtregierungsorganisationen“ in seltenen Fällen wurden exponierten Personen Posten und Mandate angeboten. Teilweise werden Aktivitäten der APO gar von staatlichen Einrichtungen gekontert bzw. adaptiert. Anfang bis Ende der 1990er Jahre entwickelte sich eine starke antifaschistische Bewegung, siehe „Neue Soziale Bewegungen“. Im Falle Sven Giegold, eines Mitbegründers von Attac Deutschland, gelang es, eine außerparlamentarische Person der 1990er APO für die Grünen ins Europaparlament zu holen. Attac verlor daraufhin an Einfluss und wurde z. B. von „Occupy Germany“ beerbt. Inzwischen haben die Grünen kaum noch Einfluss auf entscheidende Bewegungen außerhalb der Parlamente, dennoch gehörten sie immer zu den Profiteuren in Form von Wählerstimmen. Ein Missverständnis zwischen Aktivisten der APO und deren Sympathisanten. Im Spannungsfeld APO / Parlament wurde die Piratenpartei Deutschland stark; diese brachten es aus dem Stand auf über 30.000 Mitglieder und in mehrere Parlamente. Wie die Proteste gegen Stuttgart 21 (oben bleiben!) und z. B. auch Hamburg im Winter 2013/14 (Klobürstenrevolte) belegen, ist die „APO“ in der Bevölkerung inzwischen weit verankert und es kommt zum Teil zu wirklichen Volksbewegungen vor allem in den urbanen Zentren, ohne dass Parteien des Parlaments Einfluss auf diese Bewegungen hätten. In Wahlergebnissen haben zuletzt noch Grüne von diesen Bewegungen in Form von Wahlstimmen profitiert, werden aber längst nicht mehr als parlamentarischer Arm der außerparlamentarischen Bewegungen begriffen. In Grundpositionen zu Wirtschafts- und Sicherheitsfragen, so belegen Umfragen und Studien, isolieren sich die parlamentarischen Parteien immer weiter von wesentlichen Positionen in der Bevölkerung. Die parlamentarischen Parteien können ihren Grundanspruch, die politische Willensbildung des Volkes zu bestimmen, immer weniger umsetzen. Das Parlament nimmt die Belange der Wählerschaft inzwischen nur noch als ein bestenfalls gleichberechtigtes Interesse z. B. zu den Interessen militärischer Bündnispartner, Wirtschaftslobbyisten, Judikativlobbyisten, Exekutivlobbyisten, außenpolitischen Richtlinien, Staatsräson und ähnlich wahr, dies wird mit zunehmender Entfremdung quittiert. Soweit die Vorwürfe der außerparlamentarischen Opposition gegenüber den etablierten Parteien. Um das Parlament zu stärken, bedarf es mitgliedsstarker in der Bevölkerung verankerter Parteien. Dies hat noch keine APO geschafft ohne parlamentarisch zu werden, lediglich die verbotene SRP und die ebenfalls verbotene KPD waren sehr einflussreiche und starke politische außerparlamentarische Parteien, aufgrund des Verbotes unfreiwillig. Die K-Gruppen der 1970er gingen zum Teil in den Grünen und später in den Linken auf. Die Kommunistische Partei Deutschlands des kommunistischen Manifestes war 1848 als außerparlamentarische internationalistische politische Kraft gegründet worden. Die Suffragetten waren ebenfalls notgedrungen außerparlamentarisch, da es zu deren Zeit kein Frauenwahlrecht gab. In der Türkei z. B. sind heute auch viele der in der APO aktiven Parteien verbotene Parteien. So auch die namensgebende APO in Westdeutschland, sie war eine Reaktion auf die 1956 verbotene KPD. Die konservativen Protest-Bewegungen von Teilen der Gesellschaft, die sich in der aktuellen Politik sowohl von der Regierung als auch von der Opposition nicht mehr vertreten fühlen, werden von einigen Medien als neue Form der außerparlamentarischen Opposition bezeichnet.[2] Die APO und die Staatssicherheit Die Aufarbeitung der Akten der ostdeutschen Staatssicherheit hat gezeigt, dass eine Reihe von Mitgliedern der APO Kontakte zur Stasi hatten. Wie die Kontakte zwischen APO und Stasi zu bewerten sind bzw. inwieweit die westdeutsche APO durch die Stasi beeinflusst war, ist in der Forschung umstritten. Hubertus Knabe vertritt die Auffassung, die APO sei von der Stasi unterwandert und wesentlich beeinflusst worden.[3] Gruppen wie die DKP oder die westdeutsche Friedensbewegung wurden zudem finanziell von der DDR unterstützt. Als 68er-Bewegung werden soziale Bewegungen der Neuen Linken zusammengefasst, die in den 1960er Jahren aktiv waren und in einigen Staaten im Jahr 1968 besonders hervortraten. Sie begann in den USA mit der Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner und setzte sich im Protest gegen den Vietnamkrieg fort. Ähnliche Proteste flammten in vielen Staaten der Welt auf, darunter die Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre, der Mai 1968 in Frankreich, Demonstrationen in Großbritannien, Italien, Japan, den Niederlanden und Mexiko. Der Prager Frühling in der Tschechoslowakei und die März-Unruhen 1968 in Polen hatten je eigene Ursachen, zielten aber ebenfalls auf mehr Bürgerrechte und einen demokratischen Sozialismus. Als ökonomische Entstehungsfaktoren gelten eine sich abschwächende Hochkonjunktur und erste gravierende Wirtschaftskrisen in den kapitalistischen Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg, die mit sozial stark ungleichen Zugängen zu Bildung und Wohlstand einhergingen. Zu den weltpolitischen Rahmenbedingungen zählt man Veränderungen im Kalten Krieg, darunter das chinesisch-sowjetische Zerwürfnis (seit 1959), die Kubakrise (1962), Stellvertreterkriege zwischen USA und Sowjetunion und antiimperialistische Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“. Inhaltsverzeichnis 1 Bezeichnung 2 Entstehung 3 Amerika 3.1 Vereinigte Staaten 3.2 Mexiko 4 Asien 4.1 Japan 5 Westeuropa 5.1 Bundesrepublik Deutschland 5.2 Frankreich 5.3 Großbritannien 5.4 Italien 5.5 Niederlande 5.6 Österreich und Schweiz 6 Ostblock 6.1 Tschechoslowakei 6.2 Polen 6.3 DDR 7 Wirkungen 8 Weiterführende Informationen 8.1 Filme 8.2 Literatur 8.3 Weblinks 8.4 Einzelnachweise Bezeichnung Die Bezeichnung verschiedener sozialer Bewegungen der 1960er Jahre als „68er-Bewegung“ und ihrer Teilnehmer als „68er“ ist eine nachträgliche, zusammenfassende Zuschreibung. Sie bezieht sich nicht auf Einzelereignisse jenes Jahres, sondern auf eine Epoche zivilgesellschaftlicher Proteste, die in mehreren westlichen Staaten mindestens ein Jahrzehnt umfassten und von Staat zu Staat unterschiedliche Verlaufsformen hatten. Sie begannen in den USA um 1960 mit einer Ausdehnung der Bürgerrechtsbewegung auf die Hochschulen und nahmen dort 1970 trotz des fortgesetzten Vietnamkriegs rasch ab. In Westdeutschland begannen sie etwa 1965 und erreichten 1967 ihre größte Mobilisierung. In Japan begannen sie 1965, in Italien 1966, und erreichten dort ebenso wie in Großbritannien und den Niederlanden 1969 ihren Höhepunkt. Nur in Frankreich, der Tschechoslowakei und Polen fanden die intensivsten Proteste tatsächlich im Frühjahr 1968 statt. Trotzdem blieben die Bezeichnungen „68er-Bewegung“, „68er-Generation“ und „68er“ üblich, weil andere geläufige Bezeichnungen (Studentenbewegung, Jugendrebellion, Generationenrevolte, Sozialprotest, Lebensstilreform, Kulturrevolution und ähnliche) jeweils nur Teilaspekte erfassen und auch auf andere Ereignisse zutreffen. Gleichwohl hatten diese Proteste der 1960er Jahre bei allen Besonderheiten ähnliche Ziele, und ihren Teilnehmern war das bewusst.[1] Der Publizist Rainer Böhme definiert die acht Millionen Deutschen der Jahrgänge 1940 bis 1950 als „68er“. Ab 2005 erreichte diese Generation ihr Renteneintrittsalter.[2] Entgegen der Einordnung der Proteste als Generationenkonflikt oder Jugendbewegung waren mehrere Generationen daran beteiligt. Stefan Hemler bezeichnet sie daher als generationale Protestbewegung mit internationaler Bedeutung.[3] Entstehung Die 68er-Bewegung wird überwiegend als westliches Phänomen wahrgenommen. 1968 sei sogar „zum Synonym für die kulturelle Verwestlichung geworden“.[4] Dagegen deutet Immanuel Wallerstein die Bürgerrechtsbewegungen der 1960er-Jahre als ein gegen den Kapitalismus gerichtetes globales Ereignis. Er verwendet den Begriff der „Weltrevolution“. Wallerstein geht von der Annahme aus, dass der Kapitalismus als Weltsystem existiere, sodass es auf nationaler Ebene keine Revolution geben könne. In der Gleichzeitigkeit vieler Aufstände – sowohl 1848 als auch 1968 – erkennt er echte Weltrevolutionen. 1968 sei die Hegemonie der USA die wichtigste gemeinsame Angriffsfläche gewesen.[5] Marcel van der Linden versuchte zu erklären, warum innerhalb eines kurzen Zeitraums Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre viele verschiedene Prozesse abliefen. Zum einen nennt er drei strukturelle Faktoren: Das starke Wirtschaftswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg, das in der Krise von 1966/67 stockte. Die weltweit stärkere Beteiligung an Bildung, einschließlich der universitären Ausbildung. Die Dekolonisierung, die nach dem Zweiten Weltkrieg begann und sich Anfang der 1960er Jahre beschleunigte. Neben diesen strukturellen Einflüssen nennt er mehrere Ereignisse, die zu anderen Formen der Politik inspirierten: die kubanische Revolution, die chinesische Kulturrevolution, der Prager Frühling 1968 und die Tet-Offensive im Vietnamkrieg. Als weiteres Argument führt van der Linden wechselseitige Lernprozesse und internationale Kontakte an. Kontakte sowohl zwischen Arbeitern, die im Zuge des Aufstiegs multinationaler Unternehmen eine globale Vertretung ihrer Interessen zu organisieren suchten, als auch zwischen radikalen Studenten und Arbeitern.[6] Damit lenkt van der Linden die Aufmerksamkeit auf nichtstudentische Bewegungen, insbesondere auf die Arbeiteraufstände in Frankreich, Italien und Spanien. Die transnationale Dimension der 68er-Bewegung ist durch Dekolonisierung, Antiimperialismus und durch den Widerstand gegen verschiedene Formen des Neokolonialismus gefördert worden. Besonders der Antikolonialismus stellte eine große Verbundenheit zwischen Akteuren auf der ganzen Welt her. Die Fokustheorie des Ernesto Che Guevara und die Schriften des algerischen Befreiungskämpfers Frantz Fanon bildeten einen gemeinsamen Integrationsrahmen und führten zu konkreten Organisationsformen im Sinne einer Guerillamentalität. Die kubanische Revolution (1959) und der Algerienkrieg (1954–1962) können als Wegbereiter der 68er-Bewegung betrachtet werden.[7] Roman Rosdolskys 1968 veröffentlichtes Standardwerk Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapital war für die Neue Linke eine maßgebende Interpretation der Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx. Es bestärkte die bundesdeutsche 68er-Bewegung in ihrer Forderung nach einem Ausstieg aus dem kapitalistischen System.[8] Dieses Motiv der „großen Verweigerung“ stammt von dem deutsch-amerikanischen Soziologen und Philosophen Herbert Marcuse. In seinem 1964 veröffentlichten Werk Der eindimensionale Mensch versuchte er, die befreite Gesellschaft vernunfttheoretisch und triebtheoretisch zu begründen. 1967 führte Marcuse in seinem an der Freien Universität Berlin gehaltenen Vortrag Das Ende der Utopie diesen theoretischen Ansatz aus. Nach Ansicht des US-amerikanischen Sozialwissenschaftlers Immanuel Wallerstein ist die aufbegehrende Mittelschicht das Charakteristikum der internationalen 68er-Bewegung. Diese Mittelschicht und mit ihr das kapitalistische Weltsystem sieht Wallerstein untergehen. In den weltweiten Protesten der 1968er Jahre erlebte die von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno entwickelte Kritische Theorie ihre Blütezeit. Sie will gesellschaftliche Mechanismen der Beherrschung und Unterdrückung aufdecken. Ihr Ziel ist eine vernünftige Gesellschaft mündiger Bürger. Die 68er-Bewegung war ein internationales Phänomen. Als erstes wichtiges Ereignis gilt der Sieg der kubanischen Revolution am 1. Januar 1959.[9] Amerika Vereinigte Staaten In den Vereinigten Staaten gab es zwei große Themen: die alltägliche Rassendiskriminierung und den Vietnamkrieg. In Kalifornien forderte die Free Speech Movement eine Anerkennung ihrer Rechte auf freie Rede und freie Forschung innerhalb der Universitäten. Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit In den 1950er Jahren begannen Afroamerikaner unter der Führung von Martin Luther King mit Boykotts, Märschen und gewaltfreien Protesten. Sie strebten ein Ende der Rassendiskriminierung an.[10] Als Earl Warren, ein ehemaliger Gouverneur von Kalifornien, Richter am Obersten Gerichtshof wurde, gelang es ihm, das Gericht in dem Verfahren Brown v. Board of Education dazu zu bewegen, gegen die bis dahin geltende Doktrin separate but equal zu stimmen. Damit war dieser Grundsatz ab dem 17. Mai 1954 verfassungswidrig.[11] Diese Entscheidung war der erste Wandel im Leben der Afroamerikaner seit der Reconstruction. King beteiligte sich 1955 maßgeblich an dem sogenannten Busboykott von Montgomery. Im Dezember 1956 entschied das Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass jede Form der Rassentrennung in Bussen verfassungswidrig ist.[12] Trotz allem setzten sich die Schikanen gegen Afroamerikaner fort: Im Norden der USA lebten sie vermehrt in Ghettos, die faktisch Slums waren.[13] In den Südstaaten wurden sie durch die Jim-Crow-Gesetze an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert und waren von rassistischer Gewalt bis hin zum Lynchmord bedroht.[14] Gegen diese wirtschaftlichen, politischen, sozialen und rechtlichen Diskriminierungen richtete sich die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre. Napalm-Angriff im Vietnamkrieg US Marines in Vietnam Demonstration in den USA gegen den Krieg → Hauptartikel: Abschnitt Vereinigte Staaten im Artikel Bürgerrechtsbewegung Der US-amerikanische Evolutionspsychologe und Linguist Steven Pinker gibt psychologische und bevölkerungsbiologische Erklärungen für das Phänomen der „Baby-Boomer“, wie die Umbruchbewegungen um 1960 im Englischen genannt werden.[15] Pinker selbst nennt das Phänomen „Entzivilisation in den 1960er Jahren“, weil die politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen in den westlichen Ländern erhebliche aggressive Begleiterscheinungen hatten, die es in den zwei Jahrzehnten zuvor nicht gab, wie einen massiven Anstieg der Morde und Terrorismus. Er führt an, dass wegen der vielen jungen Männer in der Bevölkerung, die infolge der hohen Geburtenrate (dem sogenannten „Baby-Boom“) nach dem Zweiten Weltkrieg vorhanden waren, ein Gewaltanstieg in Gesellschaften assoziiert wurde. Darüber hinaus war der Anteil junger Menschen gegenüber der Eltern- und Großeltergeneration relativ gesehen erheblich höher als je zuvor, so dass es für die Älteren schwieriger war, die erreichten zivilisatorischen Normen an die zahlreichen Kinder und Enkel weiterzugeben (James Q. Wilson). Die junge Generation in den 1960ern war durch die Entstehung einer selbständigen Jugendkultur (Musik, Kleidung) und durch Vermittlung neuer elektronischer Medien stärker horizontal vernetzt und war daher in der Lage, sich eher an (auch weit entfernten) Gleichaltrigen statt an den Älteren zu orientieren. Ein zusätzliches Phänomen der 1960er Jugend ist ein nie zuvor gekannter Massenwohlstand, damit einhergehend eine erheblich höhere Bildungsrate und somit ein sozialer Aufstieg breiter Bevölkerungsschichten. Nach der Theorie der Maslowschen Bedürfnispyramide motiviert dies verstärkt zur Selbstverwirklichung und Befriedigung individueller Bedürfnisse gegenüber tradierten gesellschaftlichen Normen. Am 28. August 1963 erreichte die Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner ihren Höhepunkt, als mehr als 250.000 Menschen, die sich in Washington D.C. vor dem Lincoln Memorial versammelten, Kings Rede „Ich habe einen Traum“ zuhörten. Unter ihnen waren etwa 60.000 Weiße.[16] Am 2. Juli 1964 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten Gesetze gegen die politische, soziale und rechtliche Diskriminierung.[17] 1964 erhielt King den Friedensnobelpreis. Am 4. April 1968 wurde er erschossen, was schwere Rassenunruhen auslöste. Die Studentenbewegungen in den USA orientierten sich teilweise an der Black Panther Party und deren identitärer Politik.[18] Seit dem Tonkin-Zwischenfall im August 1964 befanden sich die Vereinigten Staaten im Krieg mit Nordvietnam. Auf Seiten der USA kämpften vor allem Wehrpflichtige. Dies führte in der US-amerikanischen Bevölkerung zu Kritik und Widerstand.[19] Zwischen 1965 und 1968 eskalierte der Krieg. Dabei setzten die USA Entlaubungsmittel, sogenanntes Agent Orange ein, wodurch die Bevölkerung enorme gesundheitliche Schäden erlitt.[20] Dies trug maßgeblich zur Entstehung der 68er Bürgerrechtsbewegung bei. Am 15. April 1967 demonstrierten in New York City 300.000 Menschen gegen die amerikanischen Bombenangriffe auf Nordvietnam und forderten den sofortigen Abzug der US-Amerikaner aus Südvietnam.[21] Im Oktober 1967 kam es in Washington D.C. zu großen Demonstrationen. Diese Proteste strahlten auf Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Berlin und Tokio aus. Aus der studentisch geprägten Antikriegsbewegung entstand die Hippiebewegung mit Aufrufen, wie „Make Love Not War“. Nach der Tet-Offensive durch die Nationale Front für die Befreiung Südvietnams waren die Menschen in den USA bestürzt über das Ausmaß des Krieges. Im Wahlkampf um das Präsidentenamt 1968 behinderte Richard Nixon erfolgreich die laufenden Friedensverhandlungen, um zu verhindern, dass es vor den Wahlen zu einem Frieden zwischen den USA und Vietnam kam. Ende Oktober 1968 war Hanoi zu erheblichen Zugeständnissen bereit, die Präsident Lyndon B. Johnson die Handhabe für eine vollständige Einstellung der Bombardierungen von Nordvietnam gegeben hätte. Nixon befürchtete negative Folgen für seine eigene Wahlkampagne und empfahl der südvietnamesischen Regierung über Anna Chennault als Mittelsfrau, sich von den Friedensverhandlungen zurückzuziehen, die Vereinbarung mit Johnson abzulehnen und stattdessen auf einen erheblich vorteilhafteren mit einem künftigen Präsidenten Nixon zu setzen. Obwohl Johnson Kenntnis von dieser Sabotage der Friedensgespräche hatte und Nixons Verhalten als Landesverrat betrachtete, ging er damit nicht an die Öffentlichkeit, weil er befürchtete, das Abhören der Telefonate der südvietnamesischen Botschaft durch das FBI zu enttarnen. Diese Erkenntnisse gehen auf Recherchen von Charles Wheeler, ehemaligem Washington-Korrespondent von BBC, im Jahre 1994 zurück.[22] 1968 demonstrierten in den USA zahlreiche Menschen gegen den Vietnamkrieg.[23] Mexiko In Mexiko richteten sich die Studentenproteste, mit denen sich weite Teile der Bevölkerung solidarisierten, gegen die seit 1929 allein regierende Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI). Ausschlaggebend war die große soziale Ungleichheit im Lande. Man forderte die Freilassung politischer Gefangener und einen öffentlichen Dialog mit dem Präsidenten. Die PRI schaffte ein politisches Gebilde, das große Teile der erwerbsfähigen Bevölkerung formell beschäftigte. Als Arbeitgeber fungierten Gewerkschaften, Bauernorganisationen und städtische Institutionen. Soziale Leistungen von oben wurden mit politischer Loyalität von unten bezahlt. Die PRI integrierte systematisch soziale Interessen. Sie wirkte wie eine Brücke zwischen den lokalen Machtblöcken. „Lange Zeit wurde in ihren Reihen und in Symbiose mit dem jeweiligen Präsidenten die Machtbalance zwischen einer das Land modernisierenden metropolitanen Koalition (Unternehmer, städtische Arbeitnehmer und technokratische Politiker) und peripheren Machtcliquen (Caudillos und Caciquen) erfolgreich ausgehandelt“.[24] Ab 1940 prosperierte die Wirtschaft. Industrialisierung und moderne Elemente eines Sozialstaats prägten das Land. Zu dieser Zeit entstand eine wohlhabende urbane Mittelschicht. Aber die soziale und ökonomische Ungleichheit verschärfte sich, besonders auf dem Land. Bei größeren Konflikten ging es um regionale Landkämpfe. 1958/59 wurde ein Streik der Eisenbahner gewaltsam aufgelöst. Die Behörden verhafteten 6000 Demonstranten. Trotzdem wurde das politische System erst in den 1960er Jahren hinterfragt.[25] → Hauptartikel: Massaker von Tlatelolco Ab 1959 verzeichnete die mexikanische Volkswirtschaft hohe Zuwachsraten. Diese Entwicklung versprach soziale und ökonomische Stabilität. Bei der Übernahme der Regierung durch Gustavo Díaz Ordaz im Dezember 1964 deutete nur wenig auf die vor ihm liegenden schweren Konflikte hin. Es gab eine allgemeine Unzufriedenheit, die aus der wachsenden sozialen Ungleichheit resultierte. Auch die urbane Mittelschicht ließ sich nicht mehr ohne weiteres in die kooptativen Institutionen der PRI einbinden.[24] 28. Juli 1968: Mexikanische Studenten in einem ausgebrannten Bus. Marcel·lí Perelló Die Studentenbewegung begann am fünfzehnten Jahrestag des Sturzes des kubanischen Diktators Fulgencio Batista, am 26. Juli 1968. Die Studierenden demonstrierten wie in jedem Jahr für Kuba, wurden diesmal jedoch von den staatlichen Sicherheitsbehörden brutal niedergeschlagen. Im August 1968 begannen die Studenten der UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México), der größten Universität Lateinamerikas, damit, gegen die Herrschaft der allein regierenden PRI zu rebellieren. An dem legendären „Schweigemarsch“ Mitte September 1968 beteiligte sich eine halbe Million Menschen. Lehrer, Eltern und Arbeiter solidarisierten sich mit den Protesten. Die Proteste waren zu keinem Zeitpunkt auf universitäre Themen beschränkt. Es war eine Studentenbewegung ohne studentische Forderungen. Verlangt wurde die Freilassung politischer Gefangener und ein öffentlicher Dialog mit dem Präsidenten.[26] Zehn Tage vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Mexiko versammelten sich auf dem Platz der Drei Kulturen in Mexiko-Stadt etwa 10.000 Menschen, um auf eine Ansprache des Studentenführers Campos Lemus zu warten. Die Stimmung war nervös, nachdem Präsident Ordaz seit Wochen protestierende Jugendliche niederknüppeln lassen hatte. Als der Studentenführer ans Mikrofon trat, eröffneten Soldaten das Feuer auf die Menge. Am Ende waren Hunderte Menschen tot. Durch das Massaker von Tlatelolco am 2. Oktober 1968 wurden die Studentenproteste niedergeschlagen.[27] Das Museum Memorial del 68 erinnert an diese Tragödie.[28] Asien Japan In Japan hatte der Studentenverband Zengakuren seit 1959 gegen den Sicherheitsvertrag mit der US-Armee und deren Stützpunkte in Japan und gegen Premierminister Kishi Nobusuke, einen ehemaligen Kriegsverbrecher, protestiert. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung am 22. Juni 1960 hatten Demonstranten das Parlamentsgebäude gestürmt und US-Präsident Dwight D. Eisenhower zur Absage seines geplanten Staatsbesuchs in Japan bewogen. 1965 begannen Zengakuren und japanische Gewerkschaften mit Protesten gegen den Vietnamkrieg, den die USA auch von Japan aus führten. Hinzu kamen das sozialistische Antikriegskomitee Hansen Seinen Iinkai und der basisdemokratische Bürgerverband Beheiren. Beide standen den Students for a Democratic Society in den USA nahe, deren Präsident Carl Oglesby beim ersten Teach in in Tokio am 15. August 1965 redete. Sie beriefen sich bei ihren Protesten gegen die US-Kriegspolitik auf liberale amerikanische Werte. Im Herbst 1967 wurde bei Zusammenstößen militanter Teile der Zengakuren mit der Polizei ein Student getötet. Daraufhin radikalisierte sich die japanische Antikriegsbewegung. Am 11. November 1967 verbrannte sich ein Kriegsgegner vor der Residenz des Premierministers Satō Eisaku. Am 12. November störten Demonstranten dessen Abflug in die USA. Im Januar 1968 löste die Ankunft des US-Flugzeugträgers Enterprise in der Hafenstadt Sasebo tagelange Unruhen in ganz Japan aus. Allein in Tokio demonstrierten Zehntausende und blockierten das Außenministerium mit einem Sitzstreik. Die Nachricht davon beeinflusste auch die Antikriegsproteste in Westeuropa. Durch Verhandlungen Japans mit den USA über den Sicherheitsvertrag und die Rückgabe der Insel Okinawa Hontō befeuert, wuchsen die Proteste 1969 ständig an und erreichten am 23. Juni 1970 ihren Höhepunkt: Etwa 750.000 Menschen demonstrierten gegen die von US-Präsident Richard Nixon befohlene Ausweitung der US-Bombardierungen auf Kambodscha. Die Proteste richteten sich auch gegen das stark leistungsorientierte, verschulte und autoritäre Erziehungs- und Bildungssystem Japans. Im Januar 1965 kam es an der Keiō-Universität erstmals zu einem zweiwöchigen Vorlesungs- und Seminarstreik gegen höhere Studiengebühren. Zentrum der Studentenproteste war die Waseda-Universität; Träger waren meist ideologisch nicht festgelegte linke Kampfkomitees (Zenkyoto). Sie erreichten auch unorganisierte Studenten und Jugendliche. Bis 1969 weiteten sich die Proteste auf 200 Hochschulen und Gymnasien Japans aus. An der Universität Tokio traten im Februar 1968 nach einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz rund 10.000 Studenten (zwei Drittel der Gesamtzahl) in einen unbefristeten Streik und gründeten ein Kampfkomitee. Im Oktober 1968 wurde die gesamte Universität bestreikt, bis deren Präsident zurücktrat. Nachdem die Polizei im Januar 1969 mit massivem Aufgebot in tagelanger Schlacht einen besetzten Hörsaal geräumt hatte, flauten die Proteste allmählich ab. Die Mitglieder der im September 1969 gegründeten linken Terrorgruppe Sekugunha wurden bis 1971 verhaftet, von Konkurrenten ermordet oder flohen ins Ausland. Bis 1975 hielten Flügelkämpfe unter den traditionalistischen (Yoyogi) und neuen Linken (Anti-Yoyogi) an. Sie wurden teils gewaltsam ausgetragen und sollen insgesamt 44 Tote gefordert haben.[29] Westeuropa Bundesrepublik Deutschland → Hauptartikel: Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre Studentenrevolte in West-Berlin Frankreich → Hauptartikel: Mai 1968 in Frankreich Im Unterschied zu anderen Ländern stand in Frankreich auch die Arbeiterbewegung im Vordergrund. Ihre Forderungen waren auf bessere Entlohnung, kürzere Arbeitszeiten und auf eine angemessene Vertretung durch Betriebsräte gerichtet. Das starke hierarchische Gefälle in den Betrieben sollte abgebaut werden, ebenso die autoritären Beziehungen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Parti communiste français (PCF) stärkste Partei. In der Zeit nach dem Krieg waren die französischen Arbeiter vorwiegend in der PCF organisiert.[30] Anschließend zersplitterte die französische Linke, es entstand die Parti Socialiste (PS). Gleichwohl waren die kommunistischen Parteien, die in der Resistance gegen den Faschismus kämpften, wichtige Elemente der Demokratie.[31] Die politisch Rechte war ebenso stark, weil es dem späteren Präsidenten Charles de Gaulle gelang, die Resistance für sich zu gewinnen. Die 1958 unter de Gaulle gegründete Fünfte Französische Republik profitierte von einem starken wirtschaftlichen Aufschwung. Diese Konjunktur veränderte die soziale Struktur der französischen Gesellschaft. Viele Bauern zog es in die Städte. Dort erweiterten sie „gemeinsam mit Immigranten die Arbeiterklasse um eine junge, militante und von der Bürokratie der Gewerkschaft schwer zu kontrollierende Schicht“.[32] Zu Beginn der 1960er Jahre waren die Arbeiter in ihren Betrieben nicht angemessen repräsentiert. Wegen der politischen Zentralisierung gab es vor Ort keine regulären Betriebsräte. Dadurch entstanden in den Unternehmen autoritäre Strukturen. Die Arbeiter waren mit den Bedingungen, unter denen sie arbeiteten, unzufrieden. Als 1967 die Auswirkungen der ökonomischen Rezession spürbar wurden, radikalisierten sie sich.[33] Die Pariser Demonstrationen gingen von der Universität Paris-Nanterre aus.[34] Nach einer Aktion gegen den Krieg in Vietnam gründeten Angehörige der Hochschule die Bewegung des 22. März. Zu den führenden Köpfen gehörte Daniel Cohn-Bendit.[35] Nach dem Attentat auf den deutschen Studentenführer Rudi Dutschke bekundeten viele Menschen ihre Solidarität. Als in Paris die Polizei Demonstrationen gewaltsam beendete, protestierten in der Provinz zahlreiche Bürger.[36] Frankreich erlebte in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1968 eine der gewaltsamsten Auseinandersetzungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Am 13. Mai demonstrierten im ganzen Land Hunderttausende. Jetzt ging es nicht mehr um die Forderungen der Studenten, sondern um Lohnerhöhungen und um die Einführung der 40-Stunden-Woche. Frankreichs Arbeiter verlangten eine Regierung des Volkes. 10 Millionen Werktätige waren im Warnstreik, drei Wochen lang besetzten sie ihre Fabriken.[37] Die Arbeiter übernahmen von den Studenten deren Formen des Protests und politische Inhalte. Ihre Forderungen richteten sich gegen die Hierarchien in den Betrieben, die sich in einem großen Lohngefälle ausdrückten.[33] Nach der gleichzeitigen Drohung de Gaulles mit dem Ausnahmezustand und der Ankündigung von Wahlen kam es zu einer starken Pro-de-Gaulle-Kundgebung auf den Champs Elysées. Ende Juni 1968 ebbten Streiks und Fabrikbesetzungen ab.[38] Anschließend wurde die Frage gestellt, ob es sich tatsächlich um eine soziale Bewegung gehandelt habe oder eher um eine „Spaßveranstaltung“.[39] Großbritannien In Großbritannien hatte sich 1958 mit der Campaign for Nuclear Disarmament (CND) eine außerparlamentarische Protestbewegung gegen die atomare Hochrüstung der NATO gebildet, die auch antimilitaristische Proteste in Australien, Neuseeland und Kanada beeinflusste. Sie verlor durch die Kubakrise erheblich an Gewicht. Um die 1960 gegründete Londoner Zeitschrift New Left Review entstand eine intellektuelle Neue Linke. Diese bereitete den Wahlerfolg der Labour Party 1966 mit vor, lehnte aber die Politik von Premierminister Harold Wilson gegenüber dem Apartheid-Regime in Rhodesien, seine restriktive Einwanderungspolitik und höhere Hochschulgebühren für ausländische Studenten als diskriminierend und rassistisch ab. Gegen die Wahl eines weißen Rhodesiers zum Direktor der London School of Economics (LSE) und Disziplinarmaßnahmen gegen deren Studentensprecher streikten ab Herbst 1966 mehr als die Hälfte aller Studenten der LSE. Im März 1967 besetzten sie die LSE neun Tage lang. Im Juli 1967 veranstalteten linke Studenten in London einen zweiwöchigen Kongress mit bekannten Vietnamkriegsgegnern der USA wie Herbert Marcuse, Stokely Carmichael und Paul Sweezy. Bei der Vorbereitung halfen auch Mitglieder des westdeutschen SDS. Der Kongress forderte eine Zusammenarbeit mit revolutionären Befreiungsbewegungen der „Dritten Welt“. Im Juni 1968 gründete sich mit Hilfe von Daniel Cohn-Bendit (eines führenden Teilnehmers der Pariser Studentenproteste) die Revolutionary Socialist Students Federation (RSSF). Die ebenfalls neu gegründete Vietnam Solidarity Campaign (VSC) organisierte bis Oktober 1968 mehrere Antikriegsdemonstrationen in London mit zuletzt rund 100.000 Teilnehmern. Sie blieben weitgehend gewaltfrei, unter anderem weil die LSE-Direktion die Besetzung von Universitätsräumen zum Schutz von Demonstranten zuließ. Im Januar 1969 unterband eine neue LSE-Verwaltung eine weitere Besetzung, exmatrikulierte und entließ Beteiligte. Bis dahin verebbten die Studentenproteste an britischen Hochschulen. Obwohl die 68er-Bewegung in Großbritannien kleiner blieb als anderswo, hatte sie erhebliche globale Einflüsse auf Kunst, Mode, Pop- und Rockmusik. Als Auftakt einer westlichen Gegenkultur gilt das Beat-Poetry-Festival im Juni 1965 in der Royal Albert Hall.[40] Italien Die wirtschaftliche Spaltung zwischen Nord- und Süditalien beziehungsweise zwischen einheimischer Bevölkerung und Arbeitsimmigranten in Norditalien, sowie ein in der Nachkriegszeit noch viele Jahre von faschistischer Ideologie geprägtes Bildungssystem waren wichtige Themen der 68er-Bewegung in Italien. Ebenso der „verratene Widerstand“ der Resistenza, die nach Kriegsende keine Revolution wollte. In Südtirol stand die Neue Linke im Mittelpunkt. Die konservative Democrazia Cristiana regierte das Land seit 1948. Ihr stand mit der Partito Comunista Italiano (PCI) die stärkste kommunistische Partei Westeuropas gegenüber. Bis Anfang der 1960er Jahre gelang es, die PCI systematisch von der Macht fernzuhalten.[41] Ökonomisch betrachtet entwickelte Italien sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom Agrar- zum Industrieland. Die Migration von Arbeitern aus Süditalien in den Norden ließ dort anonyme Trabantenstädte entstehen. Das aufkommende Unbehagen in Kreisen der Bevölkerung, die vom wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen waren, fing der Staat nicht durch sozialpolitische Maßnahmen auf. Das italienische Wirtschaftswunder der 1950er Jahre verlief gespalten. Außerdem war das Bildungssystem zu reformieren. Die Lehrinhalte an den Universitäten waren noch faschistisch geprägt.[42] Für Italiens Intellektuelle ging es um die Fortsetzung der Resistenza von 1940. Es ging um die Frage, warum die Widerstandskämpfer keine Revolution wagten. Diese Idee des „verratenen Widerstands“, den die PCI nach 1945 nicht weitergeführt hatte, spielte 1968 eine große Rolle.[43] 1960 demonstrierten in Genua Hafenarbeiter, frühere Widerstandskämpfer, Studenten und Jugendliche gegen einen Kongress des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano. Das harte Eingreifen der Polizei löste landesweit eine Welle des Protests aus.[43] → Hauptartikel: Geschichte Italiens Junge Wissenschaftler entwickelten ihre Vorstellung von einer marxistischen Gesellschaftstheorie namens Operaismus. In dieser Theorie gibt es eine Gesellschaft ohne Parteien und ohne hierarchische Strukturen. Sie inspirierte die Proteste an den Universitäten und in den Betrieben. Im Herbst 1968 erreichten die Demonstrationen ihren Höhepunkt.[42] Arbeiter und Studenten protestierten solidarisch.[44] Nachdem die Democrazia Cristiana jahrelang allein regierte, beteiligten sich 1962/63 die Sozialisten an der Führung des Staates. Sie wollten die Kommunisten isolieren. Die in dieser Konstellation beschlossenen Reformen des Schul- und Universitätswesens weckten übertriebene Hoffnungen und beschleunigten die 68er-Bewegung. Historiker sprechen von einem Scheitern dieses Mitte-Links-Experiments. Sie betrachten es als wichtigen Ausgangspunkt für Italiens 1968.[41] Ende der 1960er Jahre plädierte der prominente Verleger Giangiacomo Feltrinelli für die Abschaffung des Kapitalismus. Er hatte zu den extremistischen Gruppen Lotta Continua, Potere Operaio, il Manifesto und zu den Roten Brigaden Kontakt. Weil er einen Staatsstreich von rechts befürchtete, gründete er seine eigene Gruppe, die Gruppo d’Azione Partigiana (GAP). Die GAP sollte, wenn nötig, gewaltsame Mittel nutzen, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen. In Italien gibt es hauptsächlich drei Interpretationen der 68er Ereignisse: Sie sind ein Aufstand von Studenten aus kleinbürgerlichen Verhältnissen gegen die Globalisierung. Ein zweiter Deutungsversuch würdigt den sozio-kulturellen Wandel, den die 68er-Bewegung ausgelöst hat, ohne politische Konsequenzen zu erkennen. Der dritte Versuch einer Interpretation betrachtet den katholischen Dissens, die Meinungsverschiedenheiten unter Marxisten und nimmt den Blickwinkel des avantgardistischen Kinos ein. Historiker betrachten die 68er in Italien als traumatischen Bruch zwischen Studenten und dem Bildungssystem. Die junge Generation sei von den staatlichen Institutionen enttäuscht worden.[41] Niederlande Im Mai 1965 entstand in Amsterdam die Gruppe der Provos. Sie standen in der Tradition des Anarchismus und Surrealismus, wollten die Autonomie des Individuums fördern und Vereinnahmungsstrategien des modernen Kapitalismus durch fantasievolle, satirische und effektive Provokationen unterlaufen. Einige Vertreter waren schon in der Anti-Atomwaffen-Bewegung Ban de Bom der 1950er Jahre aktiv gewesen. Der Happening-Künstler Robert Jasper Grootveld prangerte die Versklavung des Menschen im Konsumismus an, etwa 1964 mit dem wöchentlichen Ritual des Anti-Rauch-Magiers um ein von einem Zigarettenhersteller gestiftetes Amsterdamer Standbild. Mit Weißen Plänen schlugen die Provos konkrete Verbesserungen im Alltagsleben vor, etwa kostenlose Fahrradverleihstationen für Amsterdams Innenstadt, das Besetzen und Umwandeln leerstehender oder abrissbedrohter Gebäude, Sexualaufklärung und -beratung sowie Neueinkleidung und Umerziehung der Amsterdamer Polizei. Damit reagierten sie auf den gewaltsamen Polizeieinsatz am 10. März 1966 gegen Störversuche mit Rauchbomben bei der Hochzeitsprozession von Prinzessin Beatrix und Claus von Amsberg. Danach nahm die Teilnahme an Provo-Aktionen rasch ab, so dass die Gruppe sich im Mai 1967 auflöste. Die 1963 gegründete Studentenvakbeweging (SVB) versuchte, studentische Probleme wie fehlende Wohnungen und Stipendien, überfüllte Hörsäle usw. pragmatisch zu lösen. Später übernahm die SVB die Ideen der Kritischen Universität und der Räteuniversität vom Westberliner SDS, aber keine allgemeinpolitischen Ziele. Der Protest gegen den Vietnamkrieg blieb gering. Auf die Besetzung der Universität Tilburg und eines Gebäudes der Universiteit van Amsterdam im Mai 1969 hin beschloss die christlich-liberale Regierungskoalition 1970 eine relativ weitgehende Universitätsreform, die Studenten an allen Hochschulen des Landes mehr Mitbestimmung ermöglichte und die Leitungsgremien enthierarchisierte. 1969 entstand die Amsterdamer Kabouterbewegung. Auch sie setzte auf antiautoritäre und dezentrale Organisations- und Aktionsformen. Ihre Mitglieder bauten Kinderspielplätze auf brachliegenden Grundstücken, verschönerten Gebäude mit Blumenkästen und besetzten leerstehende Häuser. Im Februar 1970 erklärten sie den Oranje-Freistaat, im Juni 1970 gewannen sie fünf Sitze im Amsterdamer Gemeinderat. Provos und Kabouters waren im Milieu einer Gegenkultur verankert, gewaltfrei und wurden von den Behörden weitgehend toleriert. In den Niederlanden entstand demgemäß keine linksterroristische Gruppe.[45] Österreich und Schweiz In Österreich gab es den Wiener Aktionismus mit der Aktion Kunst und Revolution; außerdem die Arena 1976 und das WUK 1981, erstere als Nachfolgerin der Arena 1970 im Rahmen der Wiener Festwochen. In der Schweiz kam es zu den Globuskrawallen. Stark waren Komponenten der 68er-Bewegung, die einen neuen Lebensstil propagierten und sich dabei auf die Volkskunde stützten. Gefördert wurde die Richtung vom Autor und Mythenforscher Sergius Golowin. Das Berner Diskussionspodium Junkere 37 war ein Kristallisationspunkt der Strömung.[46] In Zürich formierte sich hingegen eine Gegenbewegung: Im Herbst 1969 stimmten auf deren Betreiben die Studenten der Uni Zürich in einer Urabstimmung mit einer Dreiviertelmehrheit einer Regelung zu, gemäss welcher die Studentenräte, in welchen als Zwangskörperschaften alle Studenten verfasst waren, keine Äusserungen zu allgemeinen politischen Fragen mehr verlauten lassen durften.[47] Die Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) wurden im Zuge der 1968er-Studentenbewegung als kommunistische Partei gegründet. Ostblock Tschechoslowakei → Hauptartikel: Prager Frühling 1946 kam die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) aus eigener Kraft an die Regierung.[48] Die Partei genoss wegen ihres aktiven Widerstands gegen die deutsche Besatzung unter Nichtkommunisten Anerkennung und übernahm im Februarumsturz von 1948 die ganze Macht im Staat. Sie versprach einen sozialistischen Weg, der den demokratischen Traditionen des Landes gerecht werden sollte. Aber nach Stalins Tod 1953 gab es innerhalb der Partei keine nennenswerten Kräfte, die eine Entstalinisierung unterstützt hätten. 1954 wurden slowakische Kommunisten wegen „bourgeoisem Nationalismus“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwischen 1948 und 1954 soll es in der Tschechoslowakei bei einer Bevölkerung von 14 Millionen Menschen 150.000 politische Häftlinge gegeben haben. Vor allem Jugendliche und Intellektuelle protestierten gegen die fehlende Aufarbeitung des Stalinismus.[49] Archiv für christlich-demokratische Politik (ACDP). Tony Kerpel 1960 erhielt das Land eine neue Verfassung. Aus der Tschechoslowakischen Republik wurde die Tschechoslowakische Sozialistische Republik.[50] Die neue Verfassung sollte den Sieg des Sozialismus verkünden. Die ideologischen Konsequenzen wirkten sich auf das reale Leben aus. Es gab jetzt weder Klassenkampf noch eine Diktatur des Proletariats. Staat und Partei wollten die Bedürfnisse der Bevölkerung erkennen und befriedigen. Allerdings wurde die kommunistische Partei von denselben Leuten geführt, die für das harte Vorgehen gegen Oppositionelle in den 1950er Jahren verantwortlich gewesen waren. Die vom 22. Parteitag der KPdSU im Oktober 1961 ausgehende Entstalinisierung geschah also halbherzig.[49] Die neue Verfassung reduzierte die ohnehin geringen Kompetenzen der slowakischen Staatsorgane. Dies verschärfte die slowakisch-tschechischen Konflikte. Der tschechoslowakische Regierungschef Antonín Novotný wurde für nationalbewusste Slowaken in der Zeit bis zu seiner Entmachtung 1968 zu einer Reizfigur.[49] Das größte politische Problem bestand darin, dass die Staatsführung rhetorisch Reformen zusicherte, obwohl sie stalinistische Strukturen konservierte. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stand Novotnýs Macht auf tönernen Füßen. Dennoch wandte er sich gegen die seit 1964 von Wissenschaftlern geforderten Reformen des wirtschaftlichen und politischen Systems. Alexander Dubček stellte sich an die Spitze der Reformbewegung und wurde später zur Leitfigur des Prager Frühlings. In der osteuropäischen Region waren der Prager Frühling und seine Niederschlagung durch die Rote Armee der UdSSR Schlüsselereignisse, die auf Polen, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien ausstrahlten. Im sowjetischen Machtbereich, dem Ostblock, fanden unter sehr verschiedenen Vorzeichen tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen statt.[51] Die nur halbherzige Entstalinisierung der Tschechoslowakei, der slowakisch-tschechische Konflikt, Liberalisierung und Demokratisierung, sowie vor allem wirtschaftliche Reformen waren die Hauptthemen des Prager Frühlings. Warschauer Pakt-Truppen schlugen diesen Versuch eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ am 21. August 1968 gewaltsam nieder. Innerhalb des sozialistischen Lagers wurde das Vorgehen besonders scharf von Nicolae Ceaușescu kritisiert, dem Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei und Vorsitzenden des Staatsrates von Rumänien. Polen 24. Oktober 1956: Gomulkas Rede. → Hauptartikel: März-Unruhen 1968 in Polen In Polen hatte Władysław Gomułka nach dem polnischen Oktober 1956 den Vorsitz der PVAP erlangt und einige Reformen zur Entstalinisierung eingeleitet, diese aber schrittweise wieder zurückgenommen und die Erwartung eines demokratischen Sozialismus enttäuscht. Namhafte Intellektuelle veröffentlichten im März 1964 den Brief der 34 gegen Zensur und wirtschaftlichen Niedergang. Sie wurden einer staatlichen Hetzkampagne ausgesetzt. Der innerparteiliche Richtungskampf verstärkte sich: Die konservativen Dogmatiker um General Mieczysław Moczar, Chef der polnischen Sicherheitsbehörden, begannen eine antisemitische Kampagne gegen Polens Reformkommunisten, unter denen Menschen jüdischer Herkunft und frühere Stalinisten waren.[52] Am 30. Januar 1968 verboten die Behörden alle weiteren Aufführungen des Nationaldramas „Ahnenfeier“ von Adam Mickiewicz in Warschau, weil es dabei zu antirussischen Beifallsbekundungen gekommen war. Vor dem Denkmal des Autors versammelten sich daraufhin protestierende Studenten unter Adam Michnik. Ihre Resolution an den Sejm unterschrieben 3000 Polen. Der Schriftstellerverband kritisierte die Kulturpolitik der Gomułka-Regierung öffentlich scharf als diktatorisch. Als Staatssicherheitsmitglieder dessen Sprecher Stefan Kisielewski zusammenschlugen, weiteten sich die Proteste auf die Hochschulen aus. Am 9. und 11. März 1968 demonstrierten zehntausende Warschauer Studenten für die Aufhebung der Zensur und gegen Gomułka, lobten die tschechoslowakischen Reformen und wehrten sich acht Stunden lang gegen einen gewaltsamen Polizeieinsatz. Spontane Proteste gab es in vielen polnischen Großstädten. Die Staatsmedien verschwiegen diese und stilisierten die schon inhaftierten Adam Michnik und Karol Modzelewski zu Rädelsführern. General Moczar leitete eine antisemitische Kampagne gegen „aufwieglerische Zionisten“ ein und ermöglichte Gomułka, Konkurrenten und Gegner unter dem Vorwand, sie seien „Zionisten“, aus dem Staatsapparat zu entfernen. Das Staatsorgan Trybuna Ludu forderte eine „vollständige Säuberung“ Polens von angeblichen Feinden des Sozialismus, „Nihilismus“ und „Kosmopolitismus“. Am 24. März 1968 protestierte erstmals die traditionell staatstreue katholische Kirche Polens gegen die Kampagne; damit begann eine Annäherung zwischen Klerus und polnischer Intelligenz, die in den 1980er Jahren zum Erfolg der Solidarność beitrug. Am 28. März 1968 forderten nochmals 3000 Menschen ein Ende der Zensur, freie Gewerkschaften und eine staatsunabhängige Jugendbewegung. Das Regime ließ daraufhin ganze Universitätsfakultäten schließen. Ein Siebtel aller polnischen Studenten musste sich neu immatrikulieren; 34 verloren ihren Studienplatz. Insgesamt wurden 2739 Personen verhaftet, 890 davon länger als einen Tag. Unter dem Druck der Regierung wanderten bis Sommer 1969 mehr als 11.000 polnische Juden, vor allem Künstler und Intellektuelle, aus Polen aus. Anhänger der PVAP übernahmen ihre Wohnungen und beruflichen Stellungen.[53] DDR → Hauptartikel: Opposition und Widerstand in der DDR In der DDR war seit dem niedergeschlagenen Aufstand vom 17. Juni 1953 und dem Bau der Berliner Mauer 1961 kein offener, politisch organisierter Widerstand gegen die SED-Diktatur möglich. Gegen die 1962 eingeführte allgemeine Wehrpflicht ohne Möglichkeit einer Kriegsdienstverweigerung kam es nur zu vereinzelten Protesten. Der als Kompromiss eingeführte Bausoldatendienst in der Nationalen Volksarmee wurde ein wichtiger Ausgangspunkt für spätere DDR-Oppositionsgruppen.[54] Das Protestpotential der Jugendkultur in der DDR zeigte sich in einer vielfältigen „Nischenkultur“, im Alltags- und Konsumverhalten. Die westliche Beat-, Pop- und Rockmusik wurde so populär, dass die Staatsführung zunächst mit Zugeständnissen reagierte. Beim Deutschlandtreffen der Jugend (Pfingsten 1964) durften rund 500.000 Besucher das eigens für die Beatmusik eingerichtete Radioprogramm DT64 hören. Die staatliche Schallplattenfirma Amiga brachte im Juni 1965 die erste Langspielplatte der Beatles in der DDR heraus. Im Oktober 1965 begann jedoch eine gelenkte Pressekampagne gegen „Gammler und ähnliche Elemente“. Der Rat der Stadt Leipzig zog eine Auftrittserlaubnis für rund 50 Amateurbands zum 31. Oktober 1965 kurzfristig zurück. Zwei Oberschüler riefen mit handgestempelten Flugblättern zum Protest dagegen auf. Die DDR-Staatssicherheit warnte die Schulleitungen vor einem bevorstehenden „Beataufstand“ und machte so den Protest erst publik. Rund 800 Fans fanden sich zur Leipziger Beatdemo ein. Ein enormes Polizeiaufgebot verprügelte sie, verhaftete 267 Jugendliche und zwang rund 100 davon zu Arbeitseinsätzen. Der „Beataufstand“ und die Krawalle in der West-Berliner Waldbühne beim Konzert der Rolling Stones am 15. September 1965 bewogen den Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu einer Kehrtwende der Kulturpolitik. Im Dezember 1965 verbot das 11. Plenum des ZK der SED alle Importe westlicher Beatmusik, Auftritte westlicher Bands und deren Nachahmung in der DDR. Seitdem wurde die tschechoslowakische Hauptstadt Prag ein beliebtes Reise- und Urlaubsziel vieler DDR-Bürger. Dort konnten sie westliche Filme, Musik, Medien und Bücher konsumieren und Westbesuchern begegnen. Seit dem Prager Frühling begann in der DDR-Intelligenz eine Debatte über analoge Chancen eines humanen Sozialismus in der DDR. Reformkommunistische Texte wurden ins Deutsche übersetzt und illegal verbreitet. Das Ministerium für Staatssicherheit registrierte eine „Demokratisierungswelle“ an der Humboldt-Universität zu Berlin: Deren Studenten fühlten sich durch die tschechischen, polnischen, westdeutschen und französischen Studentendemonstrationen zu Schildern und Plakaten ermutigt, um eine Fehler- und Reformdiskussion in der SED anzustoßen. Beobachtet wurde auch die Evangelische Studentengemeinde in Ostberlin, die tschechoslowakische Redner eingeladen hatte. Seit Mai 1968 erlaubten die DDR-Behörden Reisen in die Tschechoslowakei nur noch mit Visum und begannen eine Propagandakampagne gegen die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ). Daraufhin reisten große Mengen von DDR-Bürgern, Studenten, Lehrlingen und Arbeitern im folgenden Sommer nach Prag. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei protestierten in der DDR vor allem jüngere Arbeiter bei Betriebsaussprachen dagegen. An Autobahnbrücken, Häuserwänden, auf Flugblättern und in spontanen Sprechchören tauchten Parolen wie „Freiheit für Dubcek“ oder „Habt Mut zur Wahrheit“ auf. Bis Oktober 1968 bestrafte die DDR nach Eigenangaben 1.189 Personen wegen solcher verbotenen Sympathieäußerungen. Davon waren 75 % unter 30 Jahre alt; 8,5 % waren Schüler und Studenten. Einige Kinder hoher SED-Funktionäre erhielten mehrjährige Haftstrafen.[55] Diese Proteste gelten als Vorläufer der friedlichen DDR-Revolution von 1989. Viele von deren Teilnehmern hatten die Niederschlagung des Prager Frühlings erlebt. Laut Bernd Gehrke entstanden „1967/68 neue oppositionelle Milieus, deren Kontinuität trotz mancherlei Veränderungen bis 1989 reichte“ und die zum „Träger immer wieder neuer und sich verändernder politischer Aktivitäten oder Gruppenbildungen“ wurden. Diese Opposition ging aus der „Vernetzung und partiellen Überlappung von Milieus der kritisch-marxistischen und christlichen Intelligenz sowie der subkulturellen Jugendbewegung hervor“.[56] In der DDR hofften viele Menschen auf ein Gelingen des Prager Frühlings. Nach seinem Scheitern kam es zu Protesten und Verhaftungen. Der Glaube an die Reformierbarkeit des realen Sozialismus schwand.[57] Die meisten DDR-Bürger waren über die westdeutsche 68er-Bewegung gut informiert. Damals entstand die Blueserszene in der DDR, die Ende der 1970er Jahre auf ihrem Höhepunkt war. Die Tumulte an westdeutschen Universitäten lösten jedoch vielfach Unverständnis aus, so bei der späteren Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die damalige Bundesrepublik als funktionierenden Sozialstaat ansah.[58] Wirkungen Die 68er-Bewegung führte zu sozialen Veränderungen und bewirkte eine neue politische Kultur. Dazu gehörten die zunehmende Teilhabe von Minderheiten am öffentlichen Leben, sich verändernde Geschlechterrollen, sowie öffentliche Bekenntnisse zur Homosexualität. In Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten bildete sich eine außerparlamentarische Opposition. Während die Aktivisten der 68er sich vielfach in autoritäre Organisationen wie die K-Gruppen verzweigten oder den „Langen Marsch durch die Institutionen“ antraten, übernahm die folgende Jugendgeneration, die sich im Studentenstreik 1976/77 als Alternativbewegung mit ihren verschiedenen politischen Gegenbewegungen bildete, die Protestformen und -mittel der 68er wie Flugblätter, alternative Radiostationen und Filmgruppen oder eigene Publikationsformen wie die Stattzeitungen. Zur finanziellen Förderung von Alternativprojekten und später auch Hausbesetzerinitiativen gründeten 68er in Berlin 1978 die Netzwerk Selbsthilfe und den alternativen Sanierungsträger STATTBAU. Für die internationale Verbreitung der 68er-Bewegung waren Pressebilder und das Fernsehen wichtig, also die für die damalige Zeit neuen Medien. Weltweit gab es eine fortschreitende Demokratisierung und Gründung von Nichtregierungsorganisationen. Die Politisierung der Privatsphäre wird den Protesten der 1968er Jahre zugeschrieben.[59] Im Zeitgeist der 68er begünstigte die transnationale Struktur der katholischen Kirche die Entstehung der Befreiungstheologie. Das Zweite Vatikanische Konzil von 1962 bis 1965 forderte eine umfassende Erneuerung der Kirche. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der von Armut, Unterdrückung und Ungerechtigkeit geprägten Lebenssituation in Lateinamerika akzeptierte 1968 die Bischofskonferenz von Medellín die Idee von der Theologie der Armen.[60] Ähnliche Konzepte entwickelten sich in Südafrika und in Asien. Die aus der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung hervorgegangene „schwarze Theologie“ verstand sich als eine radikale Form der Befreiungstheologie.[6 Als K-Gruppen wurden ursprünglich die mit dem Zerfallsprozess des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und dem damit einhergehenden Niedergang der Studentenbewegung der 1960er Jahre entstandenen – überwiegend maoistisch orientierten – Kleinparteien und anderen Vereinigungen bezeichnet, die vor allem in der ersten Hälfte der 1970er Jahre in Westdeutschland eine gewisse Rolle innerhalb der Neuen Linken spielten. Der Begriff „K-Gruppe“ wurde hauptsächlich von konkurrierenden linken Gruppierungen sowie in den Medien benutzt. Er diente als Sammelbezeichnung für die zahlreichen oft heftig zerstrittenen Gruppierungen und spielte auf deren gemeinsames Selbstverständnis als kommunistische Kaderorganisationen an. Bundesweit relativ einflussreiche Gruppierungen im außerparlamentarischen Milieu der Politischen Linken waren vor allem die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) mit ihren zahlreichen Abspaltungen, die KPD/AO, später KPD sowie der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW). Regionale Bedeutung besaßen darüber hinaus der Kommunistische Bund (KB) in Norddeutschland, der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) im Südwesten und in Nordrhein-Westfalen sowie der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) in Bayern. Mitte der 1970er Jahre zählten die verschiedenen K-Gruppen nach Verfassungsschutzangaben insgesamt rund 15.000 Mitglieder. Nach dem Tod ihrer ideologischen Leitfigur Mao Zedong 1976 verloren sie jedoch rasch an Bedeutung. Zahlreiche Aktivisten schlossen sich in der Folgezeit der sich neu formierenden Friedens- und Umweltbewegung und der daraus hervorgegangenen Partei Die Grünen an. Maoistische Aktivisten aus Betriebsinterventionen und Fabrikgruppen, die zunächst auf die unmittelbare Revolution gehofft hatten, engagierten sich nun langfristig in Betriebsräten und Gewerkschaften.[1] Ursprünglich nicht zu den K-Gruppen gezählt wurden trotzkistische Gruppierungen, die am osteuropäischen Realsozialismus orientierte DKP und die West-Berliner SEW. Heute wird der Begriff in den Medien jedoch zuweilen etwas unscharf als Sammelbezeichnung für sämtliche sozialistisch oder kommunistisch ausgerichteten Kleinparteien und Organisationen jenseits der Parteien Die Linke und der SPD verwendet. Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung der „historischen“ K-Gruppen 1.1 Wurzeln in der Studentenbewegung 1.2 Ideologische Vorbilder 1.3 Übergang in die neuen sozialen Bewegungen und zu den Grünen 2 Übersicht 2.1 K-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (nach Gründungsjahr) 2.2 K-Gruppen in Österreich (nach Gründungsjahr) 2.3 K-Gruppen in der Schweiz 2.4 Ähnliche Organisationen in weiteren Ländern 3 K-Gruppen im Verhältnis zu etablierten Kommunistischen Parteien 4 Assoziative Abwandlungen in Bezug zur CDU 5 Literatur 6 Weblinks 7 Einzelnachweise Entwicklung der „historischen“ K-Gruppen Wurzeln in der Studentenbewegung Die „historischen“ K-Gruppen entstanden ab etwa 1968, gegen Ende der Hochphase der Studentenbewegung der 1960er Jahre. Die meisten gingen aus verschiedenen Strömungen und regionalen Gruppen des zerfallenden Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) hervor. Obwohl sie sich intensiv um Lehrlinge, Arbeiter und insbesondere um Altmitglieder der 1956 verbotenen KPD bemühten, blieben die meisten K-Gruppen von Studenten und Intellektuellen geprägt. Als kennzeichnend für viele K-Gruppen galt ein elitärer Habitus ihrer Mitglieder. Anders als von der Studentenbewegung wurde von ihnen oft eine asketische Lebensweise propagiert. In kultureller Hinsicht orientierten sich die K-Gruppen oft an der Arbeiterliteratur der Weimarer Republik, am chinesischen sozialistischen Realismus oder an albanischer Folklore.[2] Einer These Gunnar Hincks zufolge war die Übernahme autoritärer Macht- und Unterwerfungstechniken durch Kinder mit bürgerlichem Hintergrund oft bedingt durch familiale Brüche der Kriegs- und Nachkriegszeit und eine Orientierungszeit, die ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Gruppenzugehörigkeit bis hin zum Sektierertum entstehen ließen.[3] Ideologische Vorbilder Nahezu alle K-Gruppen sahen sich als legitime Erben der historischen KPD an. Einig waren sie sich zudem in ihrer Ablehnung des osteuropäischen Kommunismus seit der Entstalinisierung ab 1956, den sie als „revisionistisch“ verwarfen. Stattdessen bezogen sie sich zumeist auf das chinesische Sozialismusmodell Mao Zedongs bzw. auf die Sowjetunion vor der Entstalinisierung. Nach dem Tod Maos und dem damit verbundenen Kurswechsel Chinas orientierten sich einige Gruppen zeitweise auch an Albanien unter Enver Hoxha oder dem Regime der Roten Khmer in Kambodscha. Zwar erhoben alle K-Gruppen für sich den Anspruch, den von Karl Marx und Friedrich Engels begründeten und von Lenin ausdifferenzierten Marxismus zu vertreten oder diesen in der Gegenwart angemessen weiterzuentwickeln. Aber die Geister schieden sich stets an der Frage, welche der damaligen kommunistischen Richtungen, Führungspersönlichkeiten und Staaten die Linie des wahren Marxismus und der früheren KPD vertrat, zwischen den einzelnen K-Gruppen oder auch innerhalb von ihnen. Dabei kam es zu für Außenstehende oft nur schwer nachvollziehbaren Kontroversen, Abspaltungen und Neugründungen, wobei die eine Gruppe genau das als „revisionistisch“ ablehnte, was die andere ihrerseits als wahren Weg zum Kommunismus favorisierte. Von Kritikern wurde und wird den K-Gruppen daher oftmals eine Tendenz zur ideologischen „Selbstzerfleischung“ und politisches Sektierertum vorgeworfen. Zwar gab es auch Versuche, gemeinsame Inhalte in den Vordergrund zu stellen und die Zersplitterung untereinander zu überwinden. Vereinzelt kam es dabei sogar zur Zusammenarbeit mit früher heftig abgelehnten trotzkistischen Gruppen, so etwa bei der Gründung der VSP (Vereinigte Sozialistische Partei) 1986. Zu diesem Zeitpunkt hatten die K-Gruppen allerdings bereits massiv an Bedeutung verloren. Übergang in die neuen sozialen Bewegungen und zu den Grünen Keine der damaligen K-Gruppen konnte unmittelbar einen nennenswerten politischen Einfluss auf Bundes- oder Länderebene in Westdeutschland gewinnen. Vereinzelt hatten K-Gruppen-Funktionäre Einfluss in Betriebsräten und einigen Gewerkschaften. Eine bedeutendere Rolle spielten einige K-Gruppen in den 1970er Jahren in den Studentenvertretungen größerer Universitäten. Auch bei den Aktivitäten von Teilen der Neuen Sozialen Bewegungen, etwa der Umweltbewegung, der Friedensbewegung oder der antiimperialistischen Bewegung, brachten Vertreter von K-Gruppen ihre Inhalte ein. Über diese Bewegungen fanden zahlreiche ehemalige Aktivisten später eine neue politische Heimat bei den Grünen, so zum Beispiel Winfried Kretschmann, Ralf Fücks, Winfried Nachtwei, Krista Sager, Joscha Schmierer (Kommunistischer Bund Westdeutschland) oder Jürgen Trittin (Kommunistischer Bund). Antje Vollmer war Mitglied in der Liga gegen den Imperialismus. Vereinzelt fanden frühere K-Gruppen-Mitglieder aber auch zur SPD (Ulla Schmidt) oder – ab 1990 – zur PDS (Andrea Gysi). Übersicht K-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (nach Gründungsjahr) Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands – 1965–1968 Freie Sozialistische Partei (Marxisten-Leninisten) (FSP (ML)) – 1967 bis 1968 Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) – 1968 bis 1986 Kommunistische Partei Deutschlands (Aufbauorganisation) (KPD/AO), später KPD – 1970 bis 1980 Kommunistischer Bund (KB) – 1971 bis Juni 1991, vor allem in Norddeutschland aktiv Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) – 1972 bis 1982, danach in der MLPD aufgegangen Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) – seit 1973 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) – Juni 1973 bis Anfang 1985 (Selbstauflösung) Marxisten-Leninisten Deutschland (MLD) – 1976 bis 1981, fiel vor allem durch nationalistische Parolen und Wahlaufrufe für die CSU auf Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) – 1979 bis Anfang 1990er Jahre: Aus der KPD/ML hervorgegangene Partei, die im Bundestagswahlkampf 1980 v. a. eine Bundeskanzlerschaft von Franz Josef Strauß (CSU) verhindern wollte Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) – September 1980 aus einer Abspaltung vom KBW hervorgegangen, im März 1995 Selbstauflösung als Partei Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) – seit 1982, aus dem KABD hervorgegangen, anfangs mehr, in der Gegenwart eher verhalten maoistisch geprägte Partei Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) – 1986 bis Mitte 1990er Jahre, ging aus der Vereinigung von KPD/ML mit der trotzkistischen Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) hervor. Roter Oktober – Organisation zum Aufbau der Kommunistischen Partei in Deutschland – 2002 bis Anfang 2009, stalinistisch geprägte Organisation (eine Splittergruppe von KPD [Roter Morgen]) K-Gruppen in Österreich (nach Gründungsjahr) Marxisten-Leninisten Österreichs (MLÖ) – 1966–1967, Abspaltung von KPÖ, siehe MLPÖ: Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs (MLPÖ) – seit 1967, umbenannte Mehrheitsströmung der MLÖ; gibt die 1963 gegründete Zeitschrift "Rote Fahne" heraus. Vereinigung revolutionärer Arbeiter Österreichs (VRA) – 1968 von MLÖ-Minderheit gegründet, seit 2000 nicht mehr aktiv, gab bis 2000 die Zeitschrift "Für die Volksmacht" heraus. Kommunistischer Bund Österreichs (KBÖ) – 1976–1981, politische Wochenzeitung "Klassenkampf", monatliche Theoriezeitschrift "Kommunist"; Partnerorganisation des KBW Kommunistische Aktion – marxistisch-leninistisch (KOMAK-ML) – 2002–2007, aus Zusammenschluss von Kommunistische Aktion, Initiative Marxist/innen-Leninist/innen und Wiener Anhängern von Bolsevik Partizan entstandene Kleingruppe, gab vierteljährlich die "Proletarische Rundschau" heraus. Kommunistische Initiative (KI) – seit 2005 bestehende, orthodox-marxistische Abspaltung von der KPÖ. IA.RKP (Initiative für den Aufbau einer Revolutionär Kommunistischen Partei) im Dezember 2007 aus der Umbenennung der KOMAK-ML auf ihrer 7. Konferenz entstanden. Ebenfalls umbenannt wurde die Zeitschrift in "Proletarische Revolution", die etwa 5–6 Mal im Jahr in einem Umfang von ca. 50 Seiten erscheint. K-Gruppen in der Schweiz Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten (KPS/ML) Daneben existierten weitere maoistische Parteien und Organisationen, die aber nicht von der Kommunistischen Partei Chinas anerkannt wurden Ähnliche Organisationen in weiteren Ländern Auch in anderen Staaten Westeuropas wie auch Nordamerikas, in denen es in den 1960er Jahren linke außerparlamentarische Studentenbewegungen gab, traten und treten den deutschen K-Gruppen in inhaltlicher und struktureller Hinsicht vergleichbare Gruppen und Splitterparteien auf, die untereinander ebenfalls ideologisch zerstritten waren. In einigen Ländern (Italien, Belgien, Österreich) entstanden bereits ab etwa 1963 maoistische Parteien als Abspaltungen von den moskauorientierten Kommunistischen Parteien. Kommunistische Partei Islands (Marxisten-Leninisten), Island 1976–1980 (1972–1985) Kommunistischer Bund Luxemburg, Luxemburg 1972–1980 AMADA/Partij van de Arbeid, Belgien (1970-heute) Marxistisch-Leninistische Partij Nederland, Niederlande 1970–1980 Kommunistische Eenheidsbeweging Nederland KEN (ml), Niederlande 1970–1981 Arbeidernes kommunistparti, Norwegen 1973–2007 Movimento Marxista-Leninista di San Marino K-Gruppen im Verhältnis zu etablierten Kommunistischen Parteien Die gesellschaftspolitische Erscheinung der K-Gruppen war relativ unabhängig von der Existenz etablierter und einflussreicher sozialistischer und kommunistischer Parteien, wie es vor allem in Westeuropa etwa in Italien oder Frankreich und einigen anderen Ländern der Fall war, in denen große Kommunistische Parteien als Vertreter des den Pluralismus anerkennenden Eurokommunismus als relativ starke politische Kraft bis heute in den jeweiligen nationalen Parlamenten vertreten sind. Assoziative Abwandlungen in Bezug zur CDU In Anspielung auf die Eigenschaft der K-Gruppen als eingeschworene Zirkel wurde der Begriff in Westdeutschland auch auf andere, den originären K-Gruppen ideologisch entgegengesetzte politische Zusammenhänge übertragen. So wurden in den 1970er/1980er Jahren zeitweilig die Zirkel um Jungpolitiker des rechten Flügels der CDU, deren Nachname mit dem Buchstaben K beginnt, in den Medien mehrfach als K-Gruppe bezeichnet. So beispielsweise ein informelles Netzwerk um den (West-)Berliner CDU-Politiker Peter Kittelmann (mit Dankward Buwitt, Eberhard Diepgen, Klaus Finkelnburg, Wighard Härdtl, Jürgen Klemann, Klaus-Rüdiger Landowsky, Heinrich Lummer, Peter Radunski, Peter Raue, Gero Pfennig, Wulf Schönbohm, Heinz-Viktor Simon und Jürgen Wohlrabe) oder um den späteren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.[4] Literatur Deutschsprachiger Raum Sebastian Gehrig, Barbara Mittler, Felix Wemheuer (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57641-0. Deutschland Autorenkollektiv: Wir warn die stärkste der Partein… Erfahrungsberichte aus der Welt der K-Gruppen. Rotbuch-Verlag, Berlin 1977, ISBN 3-88022-177-4. Jens Benicke: Die K-Gruppen. Entstehung – Entwicklung – Niedergang, Springer VS, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-24768-3. Frank D. Karl: Die K – Gruppen. Entwicklung, Ideologie, Programm. KBW, KPD, KPD/ML. Dietz, Bonn 1989, ISBN 3-87831-240-7. Heiner Karuscheit: Zur Geschichte der westdeutschen ml-Bewegung. 2., gekürzte Auflage. VTK-Verlag, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-88599-023-7. Gerd Koenen: Das rote Jahrzehnt: unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-02985-1. Andreas Kühn: Stalins Enkel, Maos Söhne. Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre. Campusverlag, Frankfurt/ New York 2005, ISBN 3-593-37865-5. 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In: Gabriele Dietz, Maruta Schmidt, Kristine von Soden: Wild + zahm: die siebziger Jahre. Elefanten Press, Berlin 1997, ISBN 3-88520-613-7. Richard Stöss (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. 2 Bände. Westdeutscher Verlag, Opladen 1983. (Sonderausgabe in 4 Bänden 1986) Anton Stengl: Zur Geschichte der K-Gruppen – Marxisten-Leninisten in der BRD der 70er Jahre. Zambon Verlag, Frankfurt 2011, ISBN 978-3-88975-177-5. Winfried Wolf, Kurt Beiersdorfer: Kritik des westdeutschen Maoismus. Frankfurt am Main 1975. für Österreich Wilhelm Svoboda: Sandkastenspiele. Eine Geschichte linker Radikalität in den 70er Jahren. Promedia, Wien 1998, ISBN 3-85371-134-0. (behandelt den Kommunistischen Bund Österreichs und die Gruppe Revolutionärer Marxisten) Christian Schlagitweit: Einmal Revolution und zurück. Vom Maoismus zum Kommunistischen Bund oder: die österreichische Linie von Ho Tschi Minh zu Pol Pot. unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität Wien, 2001. (search.onb.ac.at) für die Schweiz Angela Zimmermann: Maoisten in der Schweiz. Das lange rote Jahrzehnt der KPS/ML im Kontext der schweizerischen Linken 1972–1987. unveröffentlichte Lizentiatsarbeit. Zürich 2006, OCLC 637485412. Angela Zimmermann: Das lange rote Jahrzehnt der Kommunistischen Partei der Schweiz/ Marxisten-Leninisten (KPS/ML). Erinnerungen an ein fast vergessenes Kapitel der schweizerischen Linken. In: Sebastian Gehrig u. a. (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57641-0, S. 77–106 Ritter (Hrsg.): Der Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung. Sozialdemokratie und Freie Gewerkschaften im Parteiensystem und Sozialmilieu des Kaiserreichs (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien, Bd. 18). München 1990. ISBN 978-3-486-55641-4 (Digitalisat). Michael Ruck (Hrsg.): Gegner – Instrument – Partner. 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(deutsch: Geschichte der Arbeiterbewegung in den USA. Vorwärts, 2006) __________________________________________________________________________________________

Unter Rätekommunismus versteht man eine marxistische Bewegung, deren Idee des Kommunismus vor allem vom Gedanken der kollektiven Selbstverwaltung und Basisdemokratie in Arbeiterräten geprägt ist. Inhaltsverzeichnis 1 Konzeption 2 Geschichte und Einfluss 3 Literatur 4 Weblinks Konzeption Nach Meinung der Rätekommunisten sollen in der kommunistischen Revolution die Arbeiterräte an die Stelle der Regierung treten, jedoch die Ausbildung eines autoritären Staates verhindern. Die entsprechende Gesellschaftsform wird Rätedemokratie oder Räterepublik genannt. Der Rätekommunismus steht in unversöhnlichem Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, zum Parlamentarismus und auch zum autoritären Marxismus-Leninismus. Die Sowjetunion war in ihrer Anfangszeit stark von Idee und Praxis der Rätedemokratie getragen („Alle Macht den Räten“, lautete eine Parole der Bolschewiki), bis sich spätestens unter der Herrschaft des Stalinismus die Macht der Räte schrittweise auflöste. Die Herrschaftsausübung im Rätekommunismus erfolgt maßgeblich in den Räten, welche als Exekutive, Legislative aber auch als Judikative in einem agieren. Die Vertreter dieser Organe unterliegen einem imperativen Mandat, d. h., sie können jederzeit von der Wählerschaft wieder abgewählt werden. Es besteht Rechenschaftspflicht, wodurch eine radikale Demokratie gewährleistet ist. Angehörige des Bürgertums haben in der Regel keinen Zugang zu den Räten, wie sie bereits aus den Sowjets in der russischen Revolution ausgeschlossen waren. Als Vorbild einer rätedemokratischen Organisationsstruktur gilt insbesondere die bereits von Karl Marx euphorisch begrüßte Pariser Kommune, in die Herausbildung der Idee des Rätekommunismus sind aber auch syndikalistische Konzeptionen eingeflossen. Geschichte und Einfluss Ihre Blütezeit erlebte die Idee der Rätedemokratie vor allem in Deutschland mit der Novemberrevolution im Jahr 1918 und in deren unmittelbarer Folgezeit. Im engeren Sinne rätekommunistische Organisationen entwickelten sich im Zuge der nach der Novemberrevolution zunehmenden Fraktionskämpfe innerhalb der deutschen Linken. Nach dem Ausschluss vieler Linksabweichler aus der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter Führung von Paul Levi Ende 1919 gründete sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) sowie die linke Richtungsgewerkschaft Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD). Diese Organisationen verfügten zum Zeitpunkt ihrer Gründung über etwa hunderttausend Mitglieder – und hatten damit mehr Mitglieder als die KPD. Die wichtigste inhaltliche Differenz zwischen KPD und Rätekommunisten bestand in der Einschätzung der Führungsrolle der Partei, die von den Rätekommunisten zugunsten des Gedankens der Selbstverwaltung vehement abgelehnt wurde. Auch die Einschätzung der Entwicklung in der jungen Sowjetunion war wesentlich verschieden: Die Rätekommunisten bezeichneten die Parteiherrschaft in der Sowjetunion nach der Entmachtung der Räte als Staatskapitalismus, womit sie die Tatsache in den Blick rückten, dass die bloße Verstaatlichung der Produktionsmittel noch nicht zu ihrer Vergesellschaftung geführt habe. Stattdessen habe der Staat die Funktion der Kapitalistenklasse innerhalb der Gesellschaft übernommen. Eine Befreiung von der Lohnarbeit habe nicht stattgefunden. Bestanden ursprünglich noch gute Kontakte zur III. Kommunistischen Internationale, kam es bald darauf zum Bruch. Lenin griff die Rätekommunisten in seinem Buch Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus scharf an. Ende 1921 trennten sich Teile der AAUD von der KAPD und existierten als Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAUE) weiter. Die rätekommunistische Bewegung verlor nach den erneut aufflammenden revolutionären Unruhen 1923 in Deutschland zunehmend an Einfluss. Rätekommunistische Organisationen in der Endphase der Weimarer Republik und im Widerstand gegen den Faschismus waren die Roten Kämpfer, die Kommunistische Räte-Union und die Kommunistische Arbeiter Union Deutschlands (KAUD). Rätekommunistische Ideen hatten auch in den Niederlanden, Großbritannien sowie Bulgarien und Dänemark Einfluss in der sozialrevolutionären Bewegung. Zu den wichtigsten Theoretikern des Rätekommunismus zählen Anton Pannekoek (Pseudonym Karl Horner), Paul Mattick, Karl Korsch, Otto Rühle, Herman Gorter, Willy Huhn, Cajo Brendel, Sylvia Pankhurst sowie die späteren Nationalbolschewisten Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim. Auch die spätere Neue Linke um 1968 sowie insbesondere die Situationisten in Frankreich waren von rätekommunistischen Ideen beeinflusst. Literatur Anton Pannekoek: Arbeiterräte. Texte zur sozialen Revolution. Germinal Verlag, Fernwald (Annerod) 2008. ISBN 978-3-88663-490-3. Anton Pannekoek: Workers’ Councils. (Introduction by Noam Chomsky) AK Press Oakland and Edinburgh 2003. Cajo Brendel: Anton Pannekoek. Denker der Revolution Freiburg 2001. (Memento vom 1. Oktober 2010 im Internet Archive) Herman Gorter: Offener Brief an den Genossen Lenin Eine Antwort auf Lenins Broschüre: "Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus" (1920) Andreas G. Graf (Hrsg.), Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Berlin: Lukas-Verlag 2001, ISBN 3-931836-23-1 Frits Kool (Hrsg.): Die Linke gegen die Parteiherrschaft. (Band 3 der 'Dokumente der Weltrevolution') Olten und Freiburg 1970. Gottfried Mergner (Hrsg.): Gruppe Internationale Kommunisten Hollands. Reinbek 1971. H. (FAU-Bremen): Syndikalismus, kommunistischer Anarchismus und Rätekommunismus. Eine Erwiderung auf die rätekommunistische Kritik am „Gewerkschaftsfetischismus“ und am kommunistischen Anarchismus Erich Mühsams, Bremen 2005. Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (Marburger Abhandlungen zur Politischen Wissenschaft, Bd. 13). Meisenheim/Glan 1969. Hans Manfred Bock: Geschichte des ‘linken Radikalismus’ in Deutschland. Ein Versuch. Frankfurt/M. 1976. Philippe Bourrinet: The Dutch and German Communist Left: A Contribution to the History of the Revolutionary Movement., 1988–1998 ders.: Lexikon des deutschen Rätekommunismus 1920-1960, Paris, 1. Juli 2017, Verlag moto proprio, 我的摩托 车出版社 W.I. Lenin: Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus (1920); in: W.I. Lenin Werke Band 31, Berlin (DDR): Dietz Verlag, 1964 Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) war eine kommunistische Partei während der Weimarer Republik, die linke, antiparlamentaristische und rätekommunistische Positionen vertrat. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks Geschichte Die KAPD wurde am 4./5. April 1920 von Mitgliedern des linken Flügels der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet, die auf dem Heidelberger Parteitag der KPD (20.–23. Oktober 1919) durch die Zentrale Leitung unter Paul Levi ausgeschlossen worden waren. Viele von ihnen waren vor der KPD-Gründung in der Gruppe Internationale Kommunisten Deutschlands aktiv. Ihr Hauptziel war die sofortige Beseitigung der bürgerlichen Demokratie und die Konstituierung einer Diktatur des Proletariats, wobei eine Diktatur einer Partei nach russischem Vorbild verworfen wurde. Die KAPD lehnte, anders als die KPD, insbesondere die leninistische Organisationsform des sogenannten demokratischen Zentralismus, die Teilnahme an Wahlen und die Mitarbeit in reformistischen Gewerkschaften ab. Eine wichtige Rolle für die KAPD spielten die niederländischen kommunistischen Theoretiker Anton Pannekoek und Herman Gorter, die nach dem Vorbild der KAPD in den Niederlanden die KAPN ins Leben riefen, die freilich niemals die Bedeutung der Schwesterpartei in Deutschland erreichte. Hintergrund für die Gründung der KAPD war der Kapp-Putsch. Er hatte nach Ansicht des linken Flügels in der KPD gezeigt, dass das Verhalten der KPD-Parteileitung gleichbedeutend mit einem Aufgeben des revolutionären Kampfes war, da die KPD eine mehrmals wechselnde Haltung zum Generalstreik eingenommen und im Bielefelder Abkommen vom 24. März 1920 einer Entwaffnung der Roten Ruhrarmee zugestimmt hatte. Die Berliner Bezirksgruppe rief zum 3. April 1920 einen Kongress der linken Opposition ein. Dort wurde beschlossen, sich als die „Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands“ zu konstituieren. Die Delegierten vertraten nach Schätzungen 80.000 KPD-Mitglieder. Die neu gegründete Partei trat für die Ablehnung der parlamentarischen Tätigkeit und den aktiven Kampf gegen den bürgerlichen Staat ein. Sie arbeitete in der Folgezeit eng mit der AAUD zusammen. Hochburgen der Partei lagen in Berlin, Hamburg, Bremen und Ostsachsen, wo sich jeweils ein Großteil der KPD-Mitglieder der neuen Partei anschloss. Im August 1920 erfolgte der Ausschluss der Hamburger Gründungsmitglieder Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim, die nationalbolschewistische Ideen vertreten hatten. Zwei Monate später wurde auch Gründungsmitglied Otto Rühle ausgeschlossen. Die KAPD war 1920 bis 1921 kooptiertes Mitglied der III. Internationale. 1921 kooperierte die KAPD bei der Märzaktion wieder mit der KPD. Ausgelöst wurde dies durch den Einmarsch von Truppen der Weimarer Republik in das mitteldeutsche Industriegebiet, wobei KAPD und KPD befürchteten, dass das Militär die Betriebe besetzen wollte. Ende 1921 kam es zu einer weiteren Absplitterung, als sich Teile der AAUD um Rühle, Franz Pfemfert und Oskar Kanehl von der KAPD trennten und die AAUE gründeten. Nach 1921, als die KAPD noch über 43.000 Mitglieder verfügte, verlor die die Partei mehr und mehr an Bedeutung und spaltete sich 1922 in die „Berliner Richtung“ und die „Essener Richtung“ um Alexander Schwab, Arthur Goldstein, Bernhard Reichenbach und Karl Schröder. Hauptgrund war die Ablehnung der Beteiligung an betrieblichen Tageskämpfen in einer als revolutionär eingeschätzten Situation durch die Essener. Die Gründung einer Kommunistischen Arbeiter-Internationale (KAI) 1922 durch die KAPD der „Essener Richtung“ (die „Berliner Richtung“ lehnte diesen Schritt als verfrüht ab), gemeinsam mit den Gruppen um Herman Gorter in den Niederlanden, um Sylvia Pankhurst in Britannien und weiteren Gruppen in Belgien, Bulgarien und unter Exilanten aus der Sowjetunion war wenig erfolgreich. Die KAI, deren Sekretariat von der deutschen Sektion dominiert wurde, zerfiel bis 1925. 1926/1927 kam es zum kurzfristigen Zusammenschluss der KAPD (Berliner Richtung) mit der Entschiedenen Linken um den aus der KPD ausgeschlossenen Abgeordneten Ernst Schwarz. Diese Fusion führte innerhalb der KAPD zu einer weiteren Spaltung, da Schwarz sein Abgeordnetenmandat nicht niederlegte, wie es eine Minderheit der Mitglieder forderte, die sich nach dem darauf erfolgten Austritt um die Zeitschrift Vulkan gruppierte. Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus, die in der Tradition der KAPD standen, waren die Roten Kämpfer und die Kommunistische Räte-Union im Raum Braunschweig. Genuine KAPD-Widerstandsgruppen gab es im Ruhrgebiet, in Leipzig (wo die örtliche KAPD-Gruppe in ihrer Druckerei auch Materialien für andere Widerstandsgruppen erstellte), in Königsberg und im litauischen Memel. Weitere bekannte Mitglieder der KAPD waren die Schriftsteller Franz Jung, Adam Scharrer und Friedrich Wendel, der Künstler Heinrich Vogeler, der Pressefotograf John Graudenz, der Anthropologe Paul Kirchhoff, die Anführer bewaffneter kommunistischer Partisanengruppen 1920/1921 Max Hölz und Karl Plättner, die rätekommunistischen Theoretiker und Aktivisten Fritz Rasch, Paul Mattick und Jan Appel sowie August Merges, der 1918/1919 kurzzeitig Präsident der Sozialistischen Republik Braunschweig war. Siehe auch Liste linkskommunistischer Organisationen in der Weimarer Republik Literatur Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918–1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (= Marburger Abhandlungen zur Politischen Wissenschaft. Bd. 13, ISSN 0542-6480). Hain, Meisenheim am Glan 1969 (Zugleich: Marburg, Universität, Dissertation, 1968). Hans Manfred Bock: Geschichte des „linken Radikalismus“ in Deutschland. Ein Versuch (= Edition Suhrkamp 645). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-00645-2. Die Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAUE, auch AAU-E) war eine antiparlamentarische und antiautoritäre rätekommunistische Organisation in der Weimarer Zeit. Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Fraktionskämpfe und Zerfall 3 Reorganisationsversuch 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks Entstehung Die AAUE konstituierte sich im Oktober 1921, nachdem es in der KAPD und der ihr angeschlossenen betrieblichen Organisation Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) zu verstärkter Kritik an der Unterordnung der AAUD unter die KAPD gekommen war. Ansatz der Kritik war es, eine politisch-betriebliche Einheitsorganisation aufzubauen. Der neuen Organisation schlossen sich wesentliche Teile der AAUD-Strukturen in Ostsachsen und Nordwestdeutschland sowie Minderheiten in anderen Regionen an; bekannte Gründungsmitglieder waren u. a. der ehemalige Reichstagsabgeordnete Otto Rühle, der Herausgeber der Aktion, Franz Pfemfert, der Dichter Oskar Kanehl und der bekannte Strafverteidiger in politischen Prozessen, James Broh. Die AAUE gab die Wochenzeitungen Einheitsfront und Betriebsorganisation heraus und verfügte mit der Aktion über eine ihr nahestehende Zeitschrift. Durch die Verbindung mit der Aktion bewegten sich zeitweise auch Schriftsteller wie Max Herrmann-Neiße und Carl Sternheim im Umfeld der Organisation. Über die Mitgliederzahlen gibt es keine genaueren Angaben, die von Pfemfert genannten anfänglichen 60.000 Mitglieder dürften jedoch übertrieben gewesen sein. Fraktionskämpfe und Zerfall Schnell kam es in der neuen Organisation zu Fraktionskämpfen und zentrifugalen Tendenzen, welche bis Mitte der 1920er Jahre zur Aufspaltung in mehrere, alle den Namen AAUE tragenden Gruppen führte. Die drei letztgenannten Organisationen dürften in der Endphase der Weimarer Republik alle jeweils einige hundert Mitglieder gehabt haben: „Heidenauer Richtung“ um die Zeitschrift Revolution. Sie pflegte eine individualistische und organisationsfeindliche Ausrichtung und löste sich konsequenterweise 1923 selbst auf. „Zwickauer Richtung“ um die Zeitschrift Weltkampf. Sie trat für die Beteiligung an Betriebsratswahlen und Annäherung an anarchosyndikalistische Positionen ein, 1923 erfolgt der Anschluss an die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). „2. Zwickauer Richtung“ um die Wochenzeitungen Proletarischer Zeitgeist (Zwickau, Auflage im Jahr 1932 von 2.400 Exemplaren) und Von Unten Auf (Hamburg). Sie zeigte Nähe zu anarchistischen Positionen und starke Intellektuellenfeindlichkeit. 1924 schloss sich dieser Organisation eine Gruppe ehemaliger KPD-Mitglieder um Ketty Guttmann an und konnte sich bis zur teilweisen Zerschlagung während der Zeit des Nationalsozialismus halten. Die Hamburger Gruppe um Otto Reimers gab in der Illegalität bis Mitte 1934 den Mahnruf heraus, anderen lokalen Gruppen gelang es teilweise die NS-Zeit zu überdauern. „Frankfurt-Breslauer Richtung“ um die Zeitschrift Die Proletarische Revolution. Sie stand in Verbindung zu den rätekommunistischen Ideen der Individualpsychologie Alfred Adlers. Sie arbeitete eng mit Otto Rühle zusammen und war aktiv in der proletarischen Freidenkerbewegung. 1931 Zusammenschluss mit Teilen der AAUD und der KAPD zur Kommunistischen Arbeiter Union Deutschlands (KAUD). Im Kopf der KAUD-Zeitschrift Der Kampfruf, die bis 1933 in Berlin erschien, bezeichnet sich die Gruppe auch als KAU-RBO (Revolutionäre Betriebsorganisation). Ehemalige Mehrheitsfraktion der alten AAUE um Franz Pfemfert und Oskar Kanehl. 1926/1927 zeitweiliger Zusammenschluss mit einer ultralinken KPD-Abspaltung um Iwan Katz und dem Industrieverband für das Verkehrsgewerbe zum Spartakusbund linkskommunistischer Organisationen (Spartakusbund Nr. 2). Sie gab Einheitsfront und später Spartakus und Die Weltrevolution heraus, zerfiel aber 1932/33. Reorganisationsversuch Versuche der Strömung um den Proletarischen Zeitgeist, nach 1945 in der Zwickauer Region die Organisation wiederherzustellen, wurden 1948 repressiv unterbunden, der leitende Aktivist der Gruppe, Wilhelm Jelinek, starb 1952 unter ungeklärten Umständen im Zuchthaus Bautzen. Anarchismus (abgeleitet von altgriechisch ἀναρχία anarchia ‚Herrschaftslosigkeit‘; Derivation aus α privativum und ἀρχή arche ‚Herrschaft‘) ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der Unter­drückung von Freiheit ablehnt. Dieser wird eine Gesell­schaft entgegengestellt, in der sich Individuen auf freiwilliger Basis selbst­bestimmt und föderal in Kollektiven verschiedener Art wie Kommunen als kleinster Einheit des Zusammen­lebens, Genossenschaften und Syndikaten als Basis der Produktion zusammen­schließen.[1] Es gibt innerhalb des Anarchismus viele teils sehr unterschiedliche Strömungen. Grundsätzlich bedeutet Anarchie die Aufhebung hierarchischer Strukturen – bis hin zur Auflösung staatlicher Organisiertheit der menschlichen Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen Freiheit, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung der Individuen und kollektive Selbstverwaltung. Der Anarchismus wird in einem sozialrevolutionären Sinn von seinen Vertretern als Synthese zwischen individueller Freiheit wie im Liberalismus und sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft wie im Sozialismus verstanden. Menschen, die nach diesen Prinzipien leben oder eine herrschaftsfreie Gesellschaft anstreben, werden als Anarchisten bezeichnet. Bisweilen wird im deutschsprachigen Raum das Adjektiv libertär (deutsch: freiheitlich) als Synonym für „anarchistisch“ benutzt. Inhaltsverzeichnis 1 Strömungen 1.1 Klassifikationen 1.2 Grundformen 1.3 Weitere Strömungen 1.4 Neuere Ansätze 2 Geschichte 2.1 Vorläufer 2.2 Anarchismus versus Marxismus 2.3 Die Propaganda der Tat 2.4 Frühes 20. Jahrhundert 2.5 Spanische Republik 2.6 Deutschland während der NS-Diktatur 2.7 Nachkriegszeit 2.7.1 Deutsche Demokratische Republik 2.7.2 Bundesrepublik Deutschland 2.7.3 International 2.8 Anarchismus in der Gegenwart 2.8.1 Organisationen 2.8.2 Periodika 3 Aktionsformen 4 Symbole 5 Siehe auch 6 Literatur 6.1 Einführungen 6.2 Klassiker 6.3 Moderne Ansätze 6.4 Kritik am Anarchismus 7 Medien 8 Weblinks 9 Einzelnachweise Strömungen Klassifikationen Peter Kropotkin Ein wichtiges Element des Anarchismus ist der innere Pluralismus, der sich in verschieden ausgeformten Strömungen zeigt, die sich meist in ihren Schwerpunkten ergänzen.[2] Alle Strömungen stimmen in der Ablehnung des Staates – besonders in seiner Ausprägung als Monarchie und Diktatur –, des Militarismus und Klerikalismus überein. In der wissenschaftlichen Sekundärliteratur werden unterschiedliche Bestimmungen und Abgrenzungen von Richtungen des Anarchismus diskutiert.[3] Schon 1894 unterschied Rudolf Stammler zwischen „individualistischen“ und „kollektivistischen“ Varianten anarchistischer Ideen.[4] In einer Darstellung von 1937 unterschied Albert Weisbord weiterführend folgende Richtungen:[5] liberal-anarchistisch libertär (Godwin) mutualistisch (Proudhon) amerikanisch-liberal (Thoreau, Warren, Tucker) kommunistisch-anarchistisch kollektivistisch (Bakunin) kommunistisch (Kropotkin, Most, „Chicagoer Märtyrer“). Franz Neumann[6] schlug 1977 eine dann vielfach rezipierte Unterscheidung folgender Strömungen vor: Individual-Anarchismus (Godwin, Stirner, Bellegarrigue) Sozialer Anarchismus (Proudhon, Landauer) Kollektiver Anarchismus (Bakunin) Kommunistischer Anarchismus (Kropotkin, Cafiero, Most) Anarcho-Syndikalismus (Pelloutier, Monatte, CNT) „Neuer Anarchismus und Studentenbewegung“ In ähnlicher Weise unterschied 1972 Erwin Oberländer[7] Individualistischer Anarchismus (Bellegarigue, Tucker, Landauer) Kollektivistischer Anarchismus (Bakunin, früher Kropotkin, Adhémar Schwitzguébel) Kommunistischer Anarchismus (Cafiero, Kropotkin, Reclus, Merlino, Goldman, Most) „Anarchismus und Gewerkschaftsbewegung“ (Pelloutier, Monatte, Machnowschtschina, CNT u. a.) „Anarchismus heute“ (Colin Ward, William O. Reichert) David L. Miller hat in seiner Monographie von 1984[8] außerdem einen „philosophischen Anarchismus“ von „individualistischem“ und „kollektivistischem“ Anarchismus unterschieden, was eine Kategorie für Autoren wie Stirner oder Godwin bereitstellt, deren Wirken den üblichen Ansetzungen einer „anarchistischen Bewegung“ vorausliegt (eine solche wird in der Sekundärliteratur zumeist nicht vor den 1860er-Jahren für greifbar gehalten). Peter Marshall hat 1992 eine einflussreiche, geographisch gegliederte Darstellung vorgelegt, die auch nichtwestliche Traditionen insbesondere des Daoismus, aber auch z. B. Gandhi einbezieht, ebenso „amerikanische Individualisten und Kommunisten“ und auch auf Verbindungen von Anarchismus und der „Neuen Rechten“ eingeht.[9] Auch der Einbezug bestimmter Klassiker ist sowohl unter den Vertretern anarchistischer Ideen wie in der Sekundärliteratur vielfach strittig, so etwa bezüglich Stirners.[10] Grundformen Michail Bakunin. (Photographie von Félix Nadar, ca. 1860) Aus der Geschichte gewerkschaftlicher Organisation und gegenseitiger Unterstützung (frz. assistance mutuelle) hat sich der Mutualismus herausgebildet, der eine soziale Symbiose in einem herrschaftsfreien System zum Ziel hat. Der Mutualismus wurde vor allem von Pierre-Joseph Proudhon geprägt und enthält revolutionäre Elemente. Im Zentrum steht jedoch eine Reform von Kredit- und Währungsordnung mit dem Ziel der Beseitigung des Profits.[11] Das von Proudhon entworfene 'Konzept des anarchistischen Föderalismus' baut auf die Vernetzung kommunaler Strukturen und gilt auch in nachfolgenden Konzepten des Anarchismus als Grundprinzip. Der kollektivistische Anarchismus basiert vor allem auf den Ideen Michail Bakunins und Mitgliedern der Juraföderation. Statt des Privateigentums an Produktionsmitteln sollen die Arbeitsmittel im Besitz überschaubarer Kollektive sein und von den Produzenten selbst kontrolliert und verwaltet werden.[12] Arbeiter sollen von demokratischen Institutionen nach der Zeit ihrer Arbeit vergütet werden. Diese Einkünfte sollten verwendet werden, um Artikel in einem kommunalen Markt zu erwerben. Föderalistische Strukturen sollen den Staat und andere zentralistische Institutionen vollständig ersetzen.[13] Anhänger des kommunistischen Anarchismus fordern einen vollständigen Bruch mit dem Kapitalismus und die Abschaffung des Geldes.[14] Die direkte Entlöhnung soll ersetzt werden durch den freien Zugang zum gemeinsamen Arbeitsprodukt.[15] Peter Kropotkin, als bedeutendster Theoretiker des kommunistischen Anarchismus, wendet sich gegen den ökonomischen Wert im Allgemeinen; sei es Geld, Arbeit oder Ware. Er sieht das Privateigentum als Grund für Unterdrückung und Ausbeutung und schlägt stattdessen eine umfassende Kollektivierung vor.[16] Der individualistische Anarchismus ist eine im 19. Jahrhundert in Nordamerika entstandene Lehre, die das Individuum und seine Interessen als Mittelpunkt der Gesellschaft ansieht, der keinen Gegensatz zu den vorgenannten sozial orientierten Formen darstellt und in Opposition zum Kollektivismus steht. Die individualistische Strömung wurde in den USA vor allem von Benjamin Tucker entwickelt. In Deutschland vertrat ihn der Anarchist und Schriftsteller John Henry Mackay, der sich hauptsächlich auf Benjamin Tucker und Max Stirner berief.[17] Der Individualanarchismus wird häufig als Extremform des Liberalismus beschrieben. Der Gegensatz zwischen Individualismus-Egoismus und Kollektivismus-Altruismus stellt eine wichtige anarchistische Auseinandersetzung dar. Weitere Strömungen Voltairine de Cleyre, eine Vertreterin des Anarchismus ohne Adjektive Wegen der Vielzahl sich inhaltlich überschneidender, im Detail jedoch durchaus verschiedener anarchistischer Ausprägungen wird für den Anarchismus im Allgemeinen, wie ihn etwa Fernando Tarrida del Mármol vertreten hat, der Begriff „Anarchismus ohne Adjektive“ verwendet. Der Ausdruck wird entweder übergreifend auf Anarchismus angewandt, wenn eine spezifische Klassifizierung abgelehnt wird, oder wenn sich dessen Anhänger den verschiedenen Strömungen gegenüber tolerant zeigen. Die bekannteste und international am stärksten organisierte Richtung ist der Anarchosyndikalismus. Seine Idee ist die Zusammenführung der Lohnabhängigen in Gewerkschaften, die sich von Tarifparteien durch die Unterstützung des revolutionären Syndikalismus unterscheiden. Die mit fast zwei Millionen Mitgliedern bislang größte anarchosyndikalistische Gewerkschaft war im Spanien der 1930er Jahre die Confederación Nacional del Trabajo (CNT), die nach der Zeit des Franquismus reorganisiert wurde. Für die rein gewaltfreie Umsetzung steht der Anarchopazifismus (auch gewaltfreier Anarchismus). Hier geht es primär um das Zusammenführen des Anarchismus mit der gewaltfreien Aktionstheorie bzw. mit Theorien der gewaltfreien Revolution. Gewaltkritik wird in diesem Zusammenhang auch als wichtiger Teil anarchistischer Herrschaftskritik verstanden. Auch christliche Anarchisten treten zumeist strikt pazifistisch auf. Sie verneinen die Herrschaft der Kirchen und Priester wie des Staates und glauben, dass Freiheit direkt durch die Lehre Jesu spreche. Eine Strömung des jüdischen Anarchismus, zum Beispiel vertreten von Bernard Lazare, entstand aus den Erfahrungen verschiedener antisemitischer Pogrome des späten 19. Jahrhunderts. Die auch als ‘anarchistischer Zionismus’ bezeichnete Idee war ein jüdisches Gesellschaftssystem ohne Staat. Durch die Zusammenarbeit mit zionistischen Sozialisten wurden viele jüdische Siedlungen in Palästina (Kibbuzim) unter britischem Mandat nach anarchistischen Vorstellungen organisiert.[18] Weitere Denkrichtungen entstanden durch die Verbindung von anarchistischen Ideen mit anderen religiösen Denktraditionen, wie beispielsweise dem Islam, dem Buddhismus und dem Hinduismus. Aus Reflexion über die Niederlage des Anarchismus in der Ukraine wurde der Plattformismus entwickelt, der eine stärkere Gemeinschaft, deutliche Verständigung über die ideologische Ausrichtung und Verbindlichkeit in der Praxis fordert. Ein ähnliches Modell vertritt der Especifismo in Südamerika. Der Insurrektionalismus oder aufständische Anarchismus ist eine revolutionäre Theorie und Praxis innerhalb der freiheitlichen Bewegung, die sich formalen Organisationen wie Basisgewerkschaften und Föderationen entgegenstellt, die auf einem politischen Programm und regelmäßigen Treffen basieren. Stattdessen befürworten Insurrektionisten Direkte Aktion und Zusammenarbeit in informellen kleinen autonomen Basisgruppen, den Affinity Groups (Bezugsgruppen). Der Anarchokapitalismus tritt für eine vom freien Markt, von freiwilligen Übereinkunften und von freiwilligen vertraglichen Bindungen geprägte Gesellschaft ein, die vollständig auf staatliche Institutionen und Eingriffe verzichtet. Die Verhältnisbestimmung dieser Ideen und ihrer Vertreter und Vorläufer zu anderen Formen des Anarchismus ist umstritten. Die Anarchist FAQ schreibt dazu, dass der Anarchokapitalismus seinen Ursprung im Liberalismus, nicht im Anarchismus habe und die Geschichte der ökonomischen Ideen des Anarchismus ignoriere, die immer antikapitalistisch gewesen seien. Zwischen anarchokapitalistischen Theoretikern und der anarchistischen politischen Bewegung bestehe keine Verbindung.[19] Dagegen sieht Stefan Blankertz den Anarchismus allgemein als radikale Form des Liberalismus.[20] Neuere Ansätze Emma Goldman Die französische Variante des Anarchismus von 1968, der Situationismus, zeigte sich in der Studentenbewegung und den Mai-Unruhen. Forderungen waren unter anderem Abschaffung der Ware, der Arbeit, der Hierarchien, Aufhebung der Trennung zwischen Kunst und Leben. Der Anarchafeminismus ist eine Wortschöpfung der 1970er Jahre und vereint den Radikalfeminismus mit der anarchistischen Idee. Es gibt in der anarchistischen Bewegung schon Vorläufer, so hat Emma Goldman den Kampf um weibliche Gleichberechtigung mit dem um Herrschaftsfreiheit verbunden. Die Begriffssetzung Neo-Anarchismus beschreibt die historische Erscheinungsform im Zuge der 68er-Bewegung in Deutschland, in der der theoretische Anarchismus wiederentdeckt wurde und die Hierarchiefreiheit in progressiven und „linken“ Gruppen Einzug hielt. Öko-Anarchismus ist die Bezeichnung für die Verknüpfung von Ablehnung der Herrschaft von Menschen über Menschen mit der Ablehnung der Herrschaft des Menschen über die Natur. Eine bedeutende Strömung in Nordamerika ist der Primitivismus, der die Rückkehr zu vorindustriellen Formen des Wirtschaftens propagiert. „Folk-Anarchy“, auch der „kleines-a-Anarchismus“, sind in den USA entwickelte „postlinke“ anarchistische Strömungen. Diese Ansätze finden sich in Netzwerken wie CrimethInc. und der Curious George Brigade, die sich gegen nostalgische Theorie- und Personenbezüge richten und eine „Do it yourself“-Praxis (DIY) fordern: „eine Anarchie geschaffen von gewöhnlichen Menschen, die außergewöhnliche Leben leben, genannt Folk-Anarchy.“[21] Postanarchismus stellt keine einheitliche Theorie dar, sondern ist ein Sammelbegriff für postmoderne, postfeministische und poststrukturalistische Debatten aus anarchistischer Perspektive. Das Präfix „Post“ steht für eine Infragestellung und Verwerfung von einigen Grundannahmen des klassischen Anarchismus, nicht für ein Aufgeben anarchistischer Ziele. Das äußerst positive Menschen- und Weltbild des Anarchismus des 19. Jahrhunderts gilt dem Postanarchismus als überholt. Ihm zeigt sich Herrschaft als verändert und erweitert dar, der Ausbeutung wird die unterwerfende Subjektivierung zur Seite gestellt, der positive Machtbegriff Foucaults adaptiert. Der Postanarchismus beschäftigt sich zudem mit Postkolonialismus und Antirassismus.[22] Libertärer Kommunalismus[23] ist ein reformistisch orientierter praxisnaher Entwurf für demokratische Selbstverwaltung von Gemeinden auf der Basis von Ökologie, Freiwilligkeit und Föderalismus und wurde in den kurdischen Gebieten zur Zeit des syrischen Bürgerkriegs umgesetzt. Das englischsprachige begriffliche Pendant zu libertär, libertarian, bezeichnet seit den 1950er Jahren eine Verbindung von Anarchismus und Kapitalismus.[24] Geschichte Vorläufer → Hauptartikel: Vorläufer des Anarchismus Diogenes von Sinope auf einem Gemälde von John William Waterhouse. Diogenes gehörte zu den frühen Gesellschaftskritikern und predigte die Bedürfnislosigkeit als Grundlage der Freiheit. Der Historiker Peter Marshall bezeichnet den Daoismus als „ersten klaren Ausdruck anarchistischer Sensibilität“ und dessen Hauptwerk Daodejing von Laozi als „einen der größten anarchistischen Klassiker.“[25] Die Taoisten lehnten Regierungen ab und strebten ein Leben in natürlicher und spontaner Harmonie an, wobei der Einklang des Menschen mit der Natur eine bedeutende Rolle spielte. Der Daoismus entwickelte im Laufe der Zeit ein regelrechtes System politischer Ethik und verzichtete auf Kulte und die Ausbildung einer Priesterkaste. Der Daoismus war damit auch die wichtigste Gegenströmung zum autoritären und bürokratischen Konfuzianismus, der später zur chinesischen Staatsreligion wurde.[26] Erste Vorläufer des Anarchismus in Europa finden sich in der griechischen Philosophie der Antike. Der Historiker Max Nettlau sieht die bloße Existenz des Wortes „An-Archia“ als Beleg, „dass Personen vorhanden waren, die bewußt die Herrschaft, den Staat verwarfen.“[27] Ab dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung predigte Diogenes von Sinope (ca. 400 – 324 v. Chr.) die Rückkehr zum naturgemäßen Leben. Er und die Schüler der von ihm begründeten Schule der Kyniker sahen die ursprüngliche Bedürfnislosigkeit als erstrebenswerten Zustand. Soziale Harmonie würde laut den Kynikern anstelle von gegenseitigem Kampf und gesellschaftlichem Konflikt bestehen, da sich diese aus der Gier des Menschen nach materiellem Besitz und dem Streben nach Ehre ergeben.[28] In den Lehren von Zenon von Kition (ca. 333–262 v. Chr.) sieht der Historiker Georg Adler zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Ideen des Anarchismus entwickelt.[29] Zenon, der Begründer der Stoa, war ein großer Kritiker von Platons Ideal einer Gesellschaft, die mit absoluter Staatsmacht zu einem moralischen Zusammenleben finden sollte. Zenon entwarf im Gegensatz zu Platon sein eigenes Ideal einer freien staatenlosen Gemeinschaft, die der Natur des Menschen besser entsprechen würde. Anstatt dem schriftlichen Gesetz zu folgen sollten die Menschen durch innere Einsicht ihren wahren natürlichen Trieben folgen. Dies würde die Menschen zur Liebe zum Mitmenschen und zur Gerechtigkeit führen. Wie in der äußeren Natur Eintracht, Harmonie und Gleichgewicht herrschen, so würde dies dann auch in der menschlichen Gesellschaft gelten. Daraus folgt die Negation des Gesetzes, der Gerichte, der Polizei, der Schule, der Ehe, des Geldes, der staatlichen Religion und des Staates. Über alle Völkergrenzen hinaus würde der Mensch in vollkommenster Gleichheit leben. Jeder sollte freiwillig gemäß seinen Fähigkeiten arbeiten und je nach Bedürfnis konsumieren dürfen.[29] Im späten Altertum und im Mittelalter gab es verschiedene verfolgte Sekten und Ketzer mit freiheitlichen Merkmalen. Anarchistische Elemente sind im Mittelalter jedoch erstmals beim Häretiker Amalrich von Bena und seinen Anhängern, den Amalrikanern, dokumentiert. Ähnliches gilt für die christlich-mystischen Brüder und Schwestern des freien Geistes im 12. und 13. Jahrhundert, die sich außerhalb der Gesellschaft und ihrer Gesetze stellten.[30] Zu den Vorläufern des Anarchismus wird Étienne de La Boétie (1530–1563) gezählt, der im Alter von 18 Jahren das grundlegende Werk Discours de la servitude volontaire ou le Contr'un (deutsch: Von der freiwilligen Knechtschaft oder das Gegen Einen [den Monarchen]) schrieb. Die Grundfrage des Discours de la servitude lautet: Woher kommt es, dass sich ein ganzes Volk von einem einzigen Menschen quälen, misshandeln und gegen seinen Willen leiten lässt. Monarchen stützen sich nicht nur auf Repression, um ihre Herrschaft zu erhalten. Viel wichtiger ist für Étienne de la Boétie der Fakt, dass sich die Untertanen freiwillig in ihre Knechtschaft ergeben und so erst dem einen Menschen die Macht übertragen. Würden also die Untertanen dem Monarchen ihren Dienst verweigern, hätte dieser wiederum keine Macht mehr. Eine Grundkritik des Anarchismus, das Herr-/Knechtschaftsverhältnis in der Gesellschaft, hat La Boétie erstmals für die Neuzeit formuliert.[31] Im Jahr 1649, einem Jahr großer sozialer Unruhen, entstand in England unter dem Einfluss von Gerrard Winstanley die religiös-anarchistische Bewegung der Diggers. Die bestehende gesellschaftliche Ordnung und die Herrschaft der Großgrundbesitzer versuchten die Diggers durch die Gründung kleiner, landwirtschaftlicher Kommunen auf egalitärer Basis aufzubrechen. Durch freiwilligen Zusammenschluss aller einfachen Leute sollten die Herrschenden ausgehungert werden, wenn sie sich nicht den Kommunen anschließen. Schon 1651 waren die Kolonien der gemeinschaftlich wirtschaftenden Dissidentengruppe durch Obrigkeit und lokale Grundbesitzer wieder zerstört. William Godwin war ein englischer Gelehrter und Kritiker der autoritären Entwicklung der Französischen Revolution. 1793 formulierte er in seinem Hauptwerk Enquiry concerning political justice, dass jedwede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft anzusehen sei. Mit seinen Ideen hatte Godwin bereits nahezu alle wesentlichen Punkte der anarchistischen Theorie vorweggenommen.[32] Anarchismus versus Marxismus Illustration aus der französischen Ausgabe von Der Anarchismus von Kropotkin, 1913 Aus den Ideen der Aufklärung, verbunden mit den sich verstärkenden radikalen Strömungen des revolutionären Liberalismus seit der französischen Revolution von 1789 und verschiedenen frühsozialistischen Ansätzen, entwickelten sich die Vorstellungen des modernen Anarchismus etwa zeitgleich mit den kommunistischen Ideen von Weitling und Marx und zunehmend in gegenseitiger Abgrenzung voneinander. Die politischen Differenzen zwischen Kommunisten und Anarchisten führten zu historisch konfliktträchtigen Situationen in der Arbeiterbewegung und der politischen Linken insgesamt; Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart andauern. Erst Pierre-Joseph Proudhon bezeichnet sich selbst als Anarchist und stellt die wesentlichen Elemente des Anarchismus in seinem Werk Qu’est-ce que la propriété? ou recherches sur le principe du droit et du gouvernement (1840) (dt.: Was ist das Eigentum? Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und der Herrschaft) zusammen. Er formuliert: „Eigentum ist Diebstahl“,[33] wobei er unter Eigentum solches verstand, das die Voraussetzung für Einkommen ohne Arbeit ist. Damit stellte er Privateigentum an Produktionsmitteln, Mietshäusern, Wertpapieren und Ähnlichem ins Zentrum seiner Kritik an den herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen im Kapitalismus. Dieses sei ebenso wie der bürgerliche Staat, der es schützen soll, direkt und unmittelbar zu bekämpfen und durch selbstorganisierte Formen des Gemeineigentums zu ersetzen. In einem Briefwechsel setzte sich Proudhon mit Karl Marx auseinander. Dabei stellte sich heraus, dass sie beide Themen wie Macht und Freiheit des Individuums oder die Rolle des Kollektivs als revolutionäres Subjekt sehr verschieden bewerteten. Proudhon argumentierte stärker mit philosophisch-ethischen Prinzipien, während Marx diese als bloß moralische Ideale kritisierte und eine wissenschaftliche Analyse der Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit vermisste. Proudhons Anhänger Michail Bakunin (kollektivistischer Anarchismus) und später Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (kommunistischer Anarchismus) verbanden seine Theorien mit der Agitation für eine soziale Revolution, die zur radikalen Umwälzung der Besitzverhältnisse notwendig sei. Bakunin lehnte die führende Rolle einer revolutionären Kaderpartei jedoch ebenso ab wie staatliche Hierarchien und verwarf damit Marx’ Forderung nach der Gründung kommunistischer Parteien ebenso wie die These von der „Diktatur des Proletariats“, die zur klassenlosen Gesellschaft führen solle. Er glaubte nicht, dass die Arbeiter zuerst die politische Staatsmacht erringen müssten, damit der Sozialismus aufgebaut und der Staat absterben könne, sondern wollte diesen direkt abschaffen. Diese Konzeption nannte er „antiautoritären Sozialismus“; ein Konzept, das von den Marxisten als „kleinbürgerlich-pseudorevolutionäre Ideologie“ abgelehnt wurde. Zwischen 1864 und 1872 waren Anarchisten und Marxisten in der noch aus einer Vielzahl politisch divergierender Gruppen der Arbeiterbewegung bestehenden Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) organisiert. Als der ideologische Konflikt zwischen den Anhängern von Bakunin einerseits und denen von Marx andererseits eskaliert war, wurde Bakunin 1872 auf Betreiben von Marx aus der IAA ausgeschlossen. Der ideologische Konflikt, der 1876 zur Auflösung der IAA (heute auch unter der Bezeichnung „Erste Internationale“ bekannt) geführt hatte, markiert die erste grundlegende Zäsur in der Geschichte des Sozialismus und der internationalen Arbeiterbewegung – noch vor deren weiteren Aufspaltung am Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert in einen reformorientierten (sozialdemokratischen) und einen revolutionären (kommunistischen) Flügel. Seit dem Auseinanderbrechen der IAA grenzen sich – Rudolf Rocker zufolge – Anarchisten in folgenden Punkten grundsätzlich vom Marxismus ab: Ablehnung der von Hegel geprägten marxistischen „Schicksalstheorien“. In der Geschichte gebe es überhaupt keine Zwangsläufigkeiten („historischen Notwendigkeiten“, „Zwangsläufigkeit des historischen Geschehens“), „sondern nur Zustände, die man duldet und die in Nichts versinken, sobald die Menschen ihre Ursachen durchschauen und sich dagegen auflehnen“ (Rocker). Ablehnung des „Historischen Materialismus“. Aus den wirtschaftlichen Verhältnissen könnte nicht alles „politische und soziale Geschehen“ erklärt werden. Der Anarchismus begreift die Menschen als handelnde Individuen, lehnt die Betrachtung von Menschen als Masse ab. Grundsätzliche Ablehnung eines Staates. Die Produktionsmittel von der Privatwirtschaft einem Staat zu übergeben, „führt lediglich zu einer Diktatur durch den Staat“ (Rocker). Ablehnung von Gesetzen und Gesetzgebern. Entscheidungen werden dezentral, kollektiv und im Konsens entschieden. „Nur das freie Übereinkommen, ‚könnte‘ das einzige moralische Band aller gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander sein“ (Rocker). Ablehnung einer Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus. Der „Wille zur Macht“ müsse in einer freien Gesellschaft grundsätzlich bekämpft werden. radikale Ablehnung aller kapitalistisch geprägten Begriffe: Sämtliche Wertbegriffe, wie wir sie heute kennen, sind samt und sonders kapitalistische Begriffe. Luft, Sonnenlicht, Regen, Erdfeuchtigkeit, Humus, kurz, viele der wichtigsten Produktionsfaktoren sind, weil sie nicht monopolisiert werden konnten, heute kapitalistisch wertlos. (…) Mit dem Aufhören des Eigentumsbegriffes an Produktionsmitteln hört auch jeder Wertbegriff für den einzelnen auf. (Pierre Ramus, Franz Barwich) Einzelne Vertreter bezweifeln ebenfalls das Konzept der sozialen Klasse wie Errico Malatesta auf dem Kongress in Amsterdam. Die Propaganda der Tat Der französische Anarchist Ravachol war ein Verfechter der Propaganda der Tat durch Gewalt: Als Rache für getötete Demonstranten verübte er Bombenanschläge und wurde dafür guillotiniert. → Hauptartikel: Propaganda der Tat Ab den späten 1870er Jahren wurden anarchistische Aktionen und Taten mit Vorbildcharakter als Propaganda der Tat bezeichnet. Sie sollten die Gesellschaft „aufwecken“ und in der Bevölkerung Sympathien schaffen, um somit als Mittel für politische und soziale Veränderung zu dienen. Durch die relative Häufung von Attentaten zum Ende des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern kam es in der öffentlichen Meinung zu einer Reduktion des Anarchismus auf Terroranschläge, eine bis heute verbreitete Ansicht. Zu den publizistischen Unterstützern der Anschläge durch die Narodniki auf Zar Alexander II. zählten beispielsweise auch einzelne sozialdemokratische Politiker im Deutschen Reich wie Wilhelm Hasselmann und Johann Most. Durch den 1880 erfolgten Ausschluss dieser beiden Protagonisten der sozialrevolutionär-anarchistischen Fraktion der SPD-Vorläuferpartei SAP versuchte die deutsche Sozialdemokratie, sich während der Geltungsdauer des repressiven Sozialistengesetzes ihres tendenziell anarchistischen Flügels zu entledigen. Hasselmann und Most, die beispielsweise in der in London herausgegebenen und illegal im Deutschen Kaiserreich verbreiteten zunächst sozialdemokratischen, dann anarchistischen Zeitschrift Freiheit auch zu offener Gewalt gegen die antisozialistische Unterdrückungspraxis der deutschen Regierung unter Reichskanzler Otto von Bismarck aufgerufen und der SAP-Führung eine zu gemäßigte Haltung in ihrer bloß verbalen Systemopposition vorgeworfen hatten, setzten nach ihrem Parteiausschluss ihre sozialrevolutionäre Agitation im US-amerikanischen Exil fort. Schon einige Jahre zuvor hatten symbolträchtige Anschläge auf Kaiser Wilhelm I. und die Könige von Spanien und Italien stattgefunden. Am 24. Juni 1894 aber tötete der junge italienische Einwanderer Sante Geronimo Caserio, der dem anarchistischen Umfeld zuzurechnen war, den französischen Präsidenten Carnot. Dies war der Höhepunkt einer ganzen Serie von anarchistisch motivierten Anschlägen in Frankreich. Am 10. September 1898 erstach Luigi Lucheni in Genf Kaiserin Elisabeth (Sisi). Am 6. September 1901 schoss Leon Czolgosz in Buffalo (New York) auf den US-Präsidenten William McKinley; dieser starb acht Tage später. Die 1890er Jahre wurden als ein „Jahrzehnt der Bomben“ bezeichnet. Mit Dynamit – einer damals neuen Erfindung – wurden Anschläge verübt gegen Monarchen, Präsidenten, Minister, Polizeichefs, Polizisten und gegen Richter, die Anarchisten verurteilt hatten. Andere trafen offizielle Gebäude. Die gewaltsamen Anschläge und Attentate gegen Ende des 19. Jahrhunderts, von Peter Kropotkin anlässlich eines internationalen revolutionären Kongresses 1881 in London als kontraproduktiv oder ineffektiv bezeichnet, wurden zunehmend auch von anderen Anarchisten abgelehnt. Frühes 20. Jahrhundert Anarchisten spielten in vielen Arbeiterbewegungen, Aufständen und Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Rolle. Dazu gehören etwa die Mexikanische Revolution von 1910 bis 1919 mit der Bauernarmee unter Führung von Emiliano Zapata, die Oktoberrevolution 1917 in Russland und die nach ihrem Anführer Nestor Machno benannte Bauern- und Partisanenbewegung, der Machnowzi zwischen 1917 und 1921 in der Ukraine; auch in der kurzlebigen Münchner Räterepublik von 1919 waren zeitweise Anarchisten wie Gustav Landauer und der Dichter Erich Mühsam an der Räteregierung beteiligt. Die 1922 gegründete anarchosyndikalistische Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA) ist heute noch in vielen Ländern Amerikas und Europas in Arbeitskämpfen aktiv. Im frühen 20. Jahrhundert wurden Anarchistengruppen in Russland von den kommunistischen Bolschewiki verdrängt und fielen gegen Ende der russischen Revolution Säuberungsaktionen zum Opfer (Niederschlagung des Aufstandes in Kronstadt und der anarchistischen Bauernbewegung Machnowschtschina). Spanische Republik → Hauptartikel: Anarchismus in Spanien Fahne der CNT-FAI Im Spanischen Bürgerkrieg, der in den Jahren von Juni 1936 bis April 1939 zwischen verschiedenen Gruppen der Republikaner und der faschistischen Bewegung unter General Franco stattfand, wirkte der Anarchismus bisher am stärksten. Insbesondere die mitgliederstarke und einflussreiche anarchosyndikalistische Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) kontrollierte mit ihrem militanten Arm, der anarchistischen Federación Anarquista Ibérica (FAI), große Teile des östlichen Spaniens. Deutschland während der NS-Diktatur Während des nationalsozialistischen Regimes war eine legale politische Tätigkeit von Anarchisten in Deutschland nicht möglich. Bereits kurz nach der Machtergreifung Hitlers wurden ab 1933 prominente Wortführer der Anarchisten in Konzentrationslager verbracht. Viele von ihnen wurden ermordet, wie beispielsweise der Dichter und Publizist Erich Mühsam. Junge und weniger bekannte Aktivisten versuchten noch mit den Schwarzen Scharen antifaschistische Widerstandsgruppen zu organisieren, wurden aber von der Gestapo ausgehoben. Ein Großteil emigrierte. Viele der emigrierten deutschen Anarchisten, darunter etwa Augustin Souchy, schlossen sich ab 1936 in Spanien während des dortigen Bürgerkriegs dem Kampf der Internationalen Brigaden auf der Seite der CNT/FAI gegen Franco an. Hunderte von in Deutschland verbliebenen Anarchisten wurden in „Schutzhaft“ genommen, in Schauprozessen verurteilt und in Konzentrationslager verbracht, von wo einige zum Ende des Zweiten Weltkriegs etwa in die SS-Sondereinheit Dirlewanger gepresst wurden.[34] Nachkriegszeit → Hauptartikel: Anarchismus in Deutschland Deutsche Demokratische Republik Kurzzeitig kam es unter sowjetischer Besatzungsmacht zum Wiederaufleben des Anarchismus, vor allem durch syndikalistische Arbeiter. Nach dem Krieg hatte sich um Wilhelm Jelinek in Zwickau ein neuer Kreis von freiheitlich gesinnten Personen gebildet. Jelinek war Betriebsratsvorsitzender eines großen Industriebetriebes. Dieser Kreis verschickte Rundbriefe an mindestens 18 verschiedene Orte in der sowjetischen Zone und unterhielt auch Korrespondenzen mit Anarchisten in anderen Zonen Deutschlands. Es gelang ihm durch mündliche und briefliche Agitation, ein weitmaschiges Netz über die gesamte Ostzone und spätere DDR zu spannen.[35] „In Zwickau wurde, so unglaublich es klingt, eine Informationsstelle des gesamtdeutschen Anarchismus gebildet. Sie berief Mitte 1948 nach Leipzig eine geheime Konferenz aller unter sowjetischer Besatzungsmacht lebenden Antiautoritären verschiedener Richtungen ein.“ Zirkulare des Zwickauer Kreises fielen den Staatsorganen in die Hände. Der Staatssicherheitsdienst wurde aufmerksam und verhaftete alle Teilnehmer. Nach Kriegsende bis zur gesprengten Tagung 1948 waren die anarchistischen Gruppierungen in der Sowjetischen Besatzungszone so stark, dass sie sogar die westdeutschen Anarchisten mit einer Vervielfältigungsmaschine und Geld unterstützen konnten.[36] Von einigen Orten aus dem Gebiet der DDR ist bekannt, dass einige ehemalige Mitglieder der FAUD sich der SED anschlossen, die zumeist in den 1950er Jahren wieder „hinausgesäubert“ wurden.[37] Bis zur Wende beschränkten sich anarchistische Aktivitäten auf die Herausgabe von Flugblättern und einigen Zeitschriften.[38] Bundesrepublik Deutschland Mit der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre stieg das öffentliche Interesse am Anarchismus. Innerhalb der Studentenbewegung gab es eine anarchistische Strömung. Auch im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), der sich zum Sammelbecken der gesamten Bewegung entwickelte, waren Anarchisten vertreten. Des Weiteren hatte der Anarchismus für die Neuen sozialen Bewegungen (NSB) eine theoretische und praktische Bedeutung. Innerhalb der Autonomen, als linksradikalem Flügel der NSB, gab und gibt es eine große libertäre Strömung. Ein bundesweit organisiertes Bündnis anarchopazifistisch dominierter Bezugsgruppen war die von 1980 bis in die 1990er bestehende Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA), die über Jahre hinweg die bis in die Gegenwart erscheinende Zeitschrift Graswurzelrevolution herausgab. 1989 gründete sich die „Initiative für eine anarchistische Föderation in Deutschland“ (I-AFD).[39] Sie überstand die Jahrtausendwende und ist später im „Forum deutschsprachiger Anarchistinnen und Anarchisten“ (seit 2013 Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen) aufgegangen. Im frühen 21. Jahrhundert haben sich mehrere Ortsgruppen der Anarchistisch-Syndikalistischen Jugend gebildet. Zeitweilig, insbesondere in den 1970er Jahren, wurde vor allem in den Massenmedien die Rote Armee Fraktion (RAF) neben anderen ähnlich agierenden, dem Linksterrorismus zugeordneten Gruppierungen ebenfalls als „anarchistisch“ bezeichnet. Diese Zuordnung beruhte jedoch auf einem inhaltlich falschen bzw. in der Praxis verengten Verständnis des Anarchismus. Sie besetzte das in der Gesellschaft verbreitete, polarisierende und nicht näher spezifizierte Schlagwort Anarchie im Sinne von Anomie. Die RAF, die ihre Aktionen und Anschläge aus einem marxistisch-leninistischen Verständnis des Antiimperialismus heraus begründete, hatte selbst inhaltlich keinen anarchistischen Bezugsrahmen. Die fälschliche Fremdzuschreibung als „anarchistisch“ beruhte vor allem auf ihrer extremen Militanz, mit der ihre wesentlichen Akteure bis zur tödlichen Konsequenz für andere und sich selbst gegen Symbolfiguren der herrschenden staatlichen und ökonomischen Strukturen aus Politik, Wirtschaft und Justiz vorgingen. Deutsche Verfassungsschutzbehörden ordnen den Anarchismus mit der Begründung, er strebe eine „staats- und herrschaftsfreie Gesellschaftsordnung“ an, unter dem Begriff des Linksextremismus ein, etwa im Verfassungsschutzbericht des Bundes von 2012.[40] International In Europa und den Amerikas rekonstituierten sich die überregionalen Anarchistischen Föderationen und schlossen sich 1968 zur Internationale der Anarchistischen Föderationen zusammen. In den USA und Großbritannien entstand Ende der 1970er-Jahre der Punk als anarchistisch geprägte Subkultur. Vor allem die Mitglieder der Band Crass sind hier als engagierte Anarchisten und Pazifisten zu nennen. Nach dem Zerfall der zentralistischen Staaten des Warschauer Pakts haben sich dort weitere anarchistische Föderationen gebildet, die teilweise der Internationale beigetreten sind. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre gibt es internationale Libertäre Buchmessen in mehr als zehn Ländern. Anarchismus in der Gegenwart Scheiss auf die Wahlen, gegen jede Repräsentation, gegen jede Autorität, für Eigenverantwortung und Autonomie, für die Anarchie. Plakat in Wien, 2016 Ein zeitgenössisches Plakat in griechischer Sprache. "Ihr erhebt euch also erneut! Sie schafften es nicht, euch auf die Knie zu zwingen. Der Geist, der euch dazu antreibt, den Staat und jede Herrschaft zu zerstören, ist nicht das Resultat irgendeines pubertären Triebs, sondern Äußerung einer natürlichen LEIDENSCHAFT für FREIHEIT, die aus den Tiefen eurer Seele entspringt." M. Bakunin Es gibt auf der ganzen Welt lokale anarchistische Gruppen, die verschiedene Strömungen propagieren und unterschiedlich organisiert sind. Die Bandbreite der Aktivitäten reicht von Herausgabe von Zeitungen über die Umsetzung direkter Aktionen bis zu anarchistischen Wohn- und Arbeitskollektiven. Der politische Einfluss ist in der Regel begrenzt. Der Anarchismus in den Niederlanden wurde Mitte der 1960er Jahre mit der Provo-Bewegung wieder aktuell. Nach der Wirtschaftskrise in Argentinien im Jahre 2000 wurden einige hundert, zumeist peronistisch ausgerichtete Betriebe in Selbstverwaltung gestellt, die allerdings am normalen weltwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und nur einen eingeschränkt mutualistischen Ansatz verfolgen.[41] Ebenso gelten die Autonomen- und Punk-, insbesondere Anarcho-Punk-Szenen als stark vom Anarchismus beeinflusst. Die Hausbesetzer- und Umsonstladenbewegungen gelten ebenfalls als anarchistisch inspiriert. Zu Beginn des 3. Jahrtausends adaptierte die kurdische Bewegung in Form des demokratischen Konföderalismus eine zeitgenössische, pragmatische Form der ökologischen und demokratischen Selbstverwaltung aus anarchistischen Diskursen. Organisationen An bedeutenden internationalen Gruppierungen sind die Internationale der Anarchistischen Föderationen (IFA) und die internationale anarchistische Gefangenenhilfsorganisation Anarchist Black Cross (ABC) zu erwähnen. Weltweit gibt es mehrere hundert anarchistische Basisorganisationen und libertäre Gruppen, die sich in lokalen Organisationen organisieren. In Deutschland war die Föderation freiheitlicher Sozialisten (1947 bis um 1970; Nachfolgeorganisation der FAUD) die größte Organisation nach dem Zweiten Weltkrieg, heute ist die anarchosyndikalistische Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) Mitglied der Internationalen Konföderation der Arbeiter*innen (IKA). Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA), 2003 gegründete Nachfolgeorganisation der 1989 ins Leben gerufenen Initiative zum Aufbau einer Anarchistischen Föderation in Deutschland, ist in der IFA assoziiert. Seit 2009 existieren mehrere Ortsgruppen der Anarcho-Syndikalistischen Jugend. 2019 gründete sich die plattform – anarchakommunistische Organisation, welche sich auf das Organisationsprinzip des Plattformismus beruft. Periodika Die wichtigsten deutschsprachigen Periodika sind die „Direkte Aktion“ der Anarchosyndikalistischen Organisation FAU-IAA, die sich vom Print-zum digitalen Medium gewandelt hat[42], die anarcho-pazifistische „Graswurzelrevolution“ und ihre auch gesondert erscheinende Beilage „Utopia“, welche 2011 eingestellt wurde. Seit 2015 erscheint halbjährlich Ne znam, eine Zeitschrift für Anarchismusforschung.[43] Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen veröffentlicht seit 2011 monatlich das Magazin „Gǎidào“.[44] Der vierteljährlich erschienene „Schwarze Faden“[45] ist seit 2004 eingestellt. In Berlin erschien die englischsprachige Zeitschrift „Abolishing the Borders from Below“ von 2001 bis 2010. Zum anarchistischen Umfeld werden die Selbstorganisationszeitschrift „Contraste“ und das ökologisch orientierte „Grüne Blatt“ gerechnet. Mittlerweile eingestellt wurde „Die Aktion“. Die Organisation Socialiste Libertaire gibt die „Rébéllion“[46] in deutscher und französischer Sprache heraus. Anarchistische beziehungsweise anarchosyndikalistische Wochenzeitungen erscheinen mit „Umanità Nova“ in Italien, „le monde libertaire“ in Frankreich und „Arbetaren“ in Schweden. Siehe auch: Liste anarchistischer Zeitschriften Aktionsformen Der Anarchismus ist bestrebt, direkt sozial oder politisch zu handeln. Gewaltlosigkeit sei idealerweise das Ziel einer Anarchie.[47] Aus diesem Ansatz leiten sich verschiedene Aktionsformen ab, wie zum Beispiel der in der Regel gewaltlose zivile Ungehorsam oder die Direkte Aktion, also Streik, Generalstreik, Sabotage, Betriebs- und Hausbesetzung und militante Aktionen. Die Grenze zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit in der Anarchie wird an „Notwendigkeiten“ festgemacht: „Die wahre anarchistische Gewalt hört auf, wo die Notwendigkeit der Verteidigung und der Befreiung aufhört“ schrieb Errico Malatesta, ein bedeutender Aktivist und Wortführer der italienischen Anarchisten, 1924 zur Zeit der faschistischen Diktatur in Italien.[47] Für die Errichtung und Aufrechterhaltung einer Anarchie wurde Gegengewalt im frühen 20. Jahrhundert weithin als legitimes Mittel gegen Herrschaft erachtet.[47] Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war die Propaganda der Tat eine weitverbreitete Aktionsform, mit der anarchistische Ideen durch Aktionen mit Vorbildcharakter verbreitet werden sollten. Die Aktionsform wurde vor allem durch Anschläge auf exponierte Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik bekannt. In den Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts spielten Anarchisten eine Rolle und waren zum Beispiel als Partisanenbewegungen, wie die Machnowzi während des russischen Bürgerkrieges, auch von militärischer Bedeutung. Im späten 20. Jahrhundert sind neue Formen wie Kommunikationsguerilla, schwarzer Block, Clownarmee und Guerilla Gardening hinzugekommen. Symbole → Hauptartikel: Anarchistische Symbolik Die Symbole des Anarchismus umfassen eine Vielzahl von Zeichen. Am häufigsten werden das A im Kreis, eine schwarze oder diagonal schwarz geteilte Fahne und der schwarze Stern verwendet. Siehe auch Portal Portal: Anarchismus – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Anarchismus Liste bekannter Anarchisten Anarchismus in Kuba Anarchismus in der Türkei Anarchismus in den Vereinigten Staaten Anarchismus in Japan Anarchismus in Korea Literatur Einführungen Autorenkollektiv: Was ist eigentlich Anarchie. Einführung in die Theorie und Geschichte des Anarchismus. 2. überarbeitete Auflage. Kramer, Berlin 1997, ISBN 3-87956-700-X. Achim von Borries, Ingeborg Brandies (Hrsg.): Anarchismus. Theorie, Kritik, Utopie. Texte und Kommentare. Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2007, ISBN 978-3-939045-00-7. Jan Cattepoel: Der Anarchismus. Gestalten, Geschichte, Probleme. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 1979, ISBN 3-406-06786-7. Hans J. Degen, Jochen Knoblauch: Anarchismus. Eine Einführung. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-89657-590-6. Andreas G. Graf (Hrsg.), Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Berlin: Lukas-Verlag 2001, ISBN 3-931836-23-1 Monika Grosche: Anarchismus und Revolution. Zum Verständnis gesellschaftlicher Umgestaltung bei den anarchistischen Klassikern Proudhon, Bakunin, Kropotkin. Syndikat A, Moers 2004, ISBN 3-00-011749-0. Daniel Guérin: Anarchismus. Begriff und Praxis. edition suhrkamp, Frankfurt/M. 1967, ISBN 3-518-10240-0. Philippe Kellermann (Hrsg.): Anarchismus und Geschlechterverhältnisse. Band 1. Verlag Edition AV, Lich 2016, ISBN 978-3-86841-139-3. Daniel Loick: Anarchismus zur Einführung. Junius, Hamburg 2017, ISBN 978-3-88506-768-9. Cindy Milstein: Der Anarchismus und seine Ideale. Unrast Verlag, Münster 2013, ISBN 978-3-89771-533-2. Erwin Oberländer (Hrsg.): Der Anarchismus. Walter, Olten/Freiburg 1972, ISBN 3-530-16784-3. Roland Raasch, Hans Jürgen Degen (Hrsg.): Die richtige Idee für eine falsche Welt? Perspektiven der Anarchie. Oppo-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-926880-12-0. K. H. Z. Solneman: Das Manifest der Freiheit und des Friedens. Der Gegenpol zum kommunistischen Manifest. Mackay-Gesellschaft, Freiburg 1977, ISBN 3-921388-12-0. Horst Stowasser: Anarchie! Idee, Geschichte, Perspektiven. Edition Nautilus, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89401-537-4. (Vorläuferband als PDF; 3,01 MB) Uwe Timm: Anarchie, eine konsequente Entscheidung für Freiheit und Wohlstand. Mackay-Gesellschaft, Freiburg 1976, ISBN 3-921388-10-4. Klassiker Pierre-Joseph Proudhon: Système des contradictions économiques ou Philosophie de la misère. 1846 System der ökonomischen Widersprüche oder: Philosophie des Elends. Kramer, Berlin 2003, ISBN 3-87956-281-4. Michail Bakunin: Dieu et l’état. 1882 (1871 verfasst) Gott und der Staat. Kramer, Berlin 1995, ISBN 3-87956-222-9. Peter Kropotkin: La Conquête du Pain. 1892 Die Eroberung des Brotes. Edition Anares, Bern 1989, ISBN 3-922209-08-4. Gustav Landauer: Aufruf zum Sozialismus. 1911; Oppo-Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-926880-11-2. Alexander Berkman: What is communist anarchism? 1929 ABC des Anarchismus. Trotzdem-Verlag, Grafenau 1999, ISBN 3-931786-00-5. Erich Mühsam: Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus? 1932; Kramer, Berlin 2005, ISBN 3-87956-276-8, Volltext auf Wikisource Max Nettlau: Geschichte der Anarchie. 3 Bände Der Vorfrühling der Anarchie. Ihre historische Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1864. Verlag Der Syndikalist, Berlin 1925; Bibliothek Thélème, Münster 1993, ISBN 3-930819-02-3. Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin. Seine historische Entwicklung in den Jahren 1859–1880. Verlag Der Syndikalist, Berlin 1927; Bibliothek Thélème, Münster 1993, ISBN 3-930819-04-X. Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Asy-Verlag, Berlin 1931; Bibliothek Thélème, Münster 1996, ISBN 3-930819-06-6. John Henry Mackay: Die Anarchisten. Kulturgemälde aus dem Ende des XIX. Jahrhunderts. 1891; Mackay-Gesellschaft, Freiburg 1976, ISBN 3-921388-08-2. Moderne Ansätze Murray Bookchin: Remaking Society. 1989 Die Neugestaltung der Gesellschaft. Pfade in eine ökologische Zukunft. Trotzdem-Verlag, Grafenau 1992, ISBN 3-922209-35-1 (PDF; 0,5 MB) Ralf Burnicki: Anarchie als Direktdemokratie. Selbstverwaltung, Antistaatlichkeit. Eine Einführung in den Gegenstand der Anarchie. Syndikat A Medienvertrieb, Moers 1998, ISBN 3-00-002097-7 Rolf Cantzen: Weniger Staat – mehr Gesellschaft. Freiheit – Ökologie – Anarchismus. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1987, ISBN 3-596-24175-8; Trotzdem-Verlag, Grafenau 1995, ISBN 3-922209-81-5 Curious George Brigade, Crimethinc, Co-Conspirators: DIY. Von Anarchie und Dinosauriern. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-444-2 Bernd Drücke (Hrsg.): Ja! Anarchismus! Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert. Interviews und Gespräche. Karin Kramer Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-87956-307-1 Bernd Drücke (Hrsg.): Anarchismus Hoch 2. Soziale Bewegung, Utopie, Realität, Zukunft. Karin Kramer Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-87956-375-3 Gruppe Gegenbilder (Hrsg.): Autonomie & Kooperation. Projektwerkstatt, Reiskirchen-Saasen 2005, ISBN 978-3-86747-001-8 Gruppe Gegenbilder (Hrsg., überarbeitet von Jörg Bergstedt): Freie Menschen in freien Vereinbarungen, Reiskirchen-Saasen 2012, ISBN 978-3-86747-005-6 Graswurzelrevolution (Hrsg.): Gewaltfreier Anarchismus. Herausforderungen und Perspektiven zur Jahrhundertwende. Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 1999, ISBN 3-9806353-1-7 Wolfgang Haug & Michael Wilk: Der Malstrom. Aspekte anarchistischer Staatskritik. Trotzdem Verlag, Grafenau 1995, ISBN 3-922209-82-3 Gabriel Kuhn: Vielfalt – Bewegung – Widerstand. Texte zum Anarchismus Unrast Verlag, Münster 2009 ISBN 978-3-89771-497-7 Gabriel Kuhn: Anarchismus und Revolution. Gespräche und Aufsätze. Unrast Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3-89771-226-3 Christine Magerski und David Roberts: Kulturrebellen. Studien zur anarchistischen Moderne. Wiesbaden: Springer VS 2019 ISBN 978-3-658-22274-1 Jürgen Mümken: Freiheit, Individualität und Subjektivität. Staat und Subjekt in der Postmoderne aus anarchistischer Perspektive. Verlag Edition AV, Frankfurt 2003, ISBN 3-936049-12-2 Michael Wilk: Macht, Herrschaft, Emanzipation. Aspekte anarchistischer Staatskritik. Trotzdem Verlag, Grafenau 1999, ISBN 3-931786-16-1 (michael-wilk.info [PDF; abgerufen am 28. Juli 2017]). Kritik am Anarchismus Wolfgang Harich: Zur Kritik der revolutionären Ungeduld. Eine Abrechnung mit dem alten und dem neuen Anarchismus. Verlag 8. Mai, Berlin 1998. ISBN 3-931745-06-6 Ute Nicolaus: Souverän und Märtyrer. Verlag Königshausen & Neumann. Reihe Literaturwissenschaft. Band 506. S. 39, 40. Florens Christian Rang: Kritik am Anarchismus: Das Problem der Gewalt. ISBN 3-8260-2789-2 C. Roland Hoffmann-Negulescu: Anarchie, Minimalstaat, Weltstaat. Kritik der libertären Rechts- und Staatstheorie. Kapitel IV., Anarchie, Staat und Utopie. S. 83. Tectum Verlag, Marburg 2011. ISBN 3-8288-8303-6 Syndikalismus ist eine Weiterentwicklung des Gewerkschafts-Sozialismus, die von dem französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon begründet wurde. Der Syndikalismus propagiert die Aneignung von Produktionsmitteln durch die Gewerkschaften, die dann auch an Stelle politischer Stellvertreter die Verwaltung organisieren. Dabei bilden Streik, Boykott und Sabotage die Mittel der Syndikalisten; parlamentarische Bestrebungen werden abgelehnt. Inhaltsverzeichnis 1 Idee 2 Syndikalismus in Deutschland 3 Die Organisation der Lokalisten 4 Vom Lokalismus zum Syndikalismus 5 Die weitere programmatische Ausrichtung des Syndikalismus 6 Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Deutschland 7 Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg 8 Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) 9 Syndikalismus: Zum Gebrauch des Begriffs 10 Siehe auch 11 Literatur 12 Weblinks 13 Einzelnachweise Idee Die nach föderalistischen Prinzipien aufgebaute Gewerkschaft solle mittels eines Generalstreiks die Produktionsmittel in die Obhut der Arbeiterschaft führen. Der Zusammenschluss (Syndikat) der Produktionseinheiten würde die ökonomische Basis einer neuen Gesellschaft in Selbstverwaltung bilden. Der bedeutendste Ideengeber und Vertreter der syndikalistischen Arbeiterbewegung fand sich in der Person von Fernand Pelloutier. Ein wichtiges strukturbildendes Element stellte die Arbeiterbörse dar. Der Syndikalismus war Anfang des 20. Jahrhunderts besonders in Frankreich in Gewerkschaftskreisen verbreitet, etwa in Form der Charta von Amiens von 1906, wurde jedoch nach Ende des Ersten Weltkrieges von marxistischen Strömungen (vor allem dem Kommunismus) verdrängt und zudem vom Faschismus bekämpft. Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs 1939 war der Syndikalismus praktisch verschwunden. Erweitert und im Wesenskern ergänzt um weltanschauliche und philosophische Elemente des Anarchismus formte sich der Anarchosyndikalismus. In Spanien erreichte die anarchosyndikalistische Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eine breite Anhängerschaft von etwa zwei Millionen Mitgliedern und gehörte zu den bedeutenden Faktoren der spanischen Politik. Die CNT sympathisierte zeitweise mit der Russischen Revolution und trat 1919 der III. Internationale (Komintern) bei. Nach 1921 vertrat jedoch nur noch eine Minderheit der kommunistischen Syndikalisten die Verbindung mit der Russischen Revolution, auch international dominierte Kritik gegenüber dem sich autoritär entwickelnden Sowjetstaat.[1] In Deutschland trennten sich um 1921 die sich anfangs noch stark überlappenden Milieus syndikalistischer und kommunistischer Gewerkschaften. Konsequenterweise gründete sich 1922 ein eigener internationaler Zusammenschluss anarcho-syndikalistischer Gewerkschaften, die Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA). Syndikalismus in Deutschland Die Geschichte in Deutschland wurde zunächst durch den Begriff des „Lokalismus“ geprägt. Dieser bezeichnet dabei gleichzeitig die Herkunft und die Motivation der (anarcho-)syndikalistischen Bewegung. Sie entstammte der Sozialdemokratie und wandte sich im Zuge der Verhältnisse unter den sogenannten „Sozialistengesetzen“ (1878–1890) einem föderalistischen Gewerkschaftsmodell zu, in welchem die Ortsvereine Souverän ihrer Entscheidungen blieben und sich keiner Zentralinstanz unterordnen mussten. Das lag darin begründet, dass die regionalen Vereinsgesetze oftmals nur lokale Vereinigungen zuließen, und zum anderen daran, dass die „Lokalisten“ die zentralistische Organisationsform als anfälliger für Repressions- und Korruptionsmaßnahmen ansahen. Des Weiteren kritisierten sie die Tendenz, die Aufgaben der Gewerkschaften lediglich auf die Tagesfragen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen festzulegen. Der Klassenkampf der Arbeiterklasse solle nicht die alleinige Aufgabe der sozialdemokratischen Partei sein. Hier lag der Keim für die weitere Ausformung des (Anarcho-)Syndikalismus begründet, die Gewerkschaften gleichermaßen als ökonomische, politische und kulturelle Bewegung anzusehen und auszurichten. Die Organisation der Lokalisten Nach dem Ende der „Sozialistengesetze“ im Jahre 1890 und weiteren Zentralisierungstendenzen auf dem Kongress von Halberstadt 1892 entstand innerhalb der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung eine Opposition zur „Generalkommission für die Zentralverbände“, welche sich dieser Entwicklung verweigerte und sich auf Reichsebene im Jahre 1897 als „Vertrauensmänner-Zentralisation Deutschlands“ bzw. „Zusammenschluss der lokalorganisierten oder auf Grund des Vertrauensmännersystems zentralisierten Gewerkschaften Deutschlands“ organisierte. Bis zum Kriegsausbruch im Jahre 1914 hielt die 1901 in „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVDG) umbenannte Organisation 11 Reichskongresse ab. Besonderen Anklang fand sie bei den Berufsvereinigungen der Bauarbeiter mit Zentrum in Berlin. Insgesamt vereinigte sie bis zum Ersten Weltkrieg bis zu 20.000 Mitglieder. Die organisatorischen Köpfe fanden sich in Fritz Kater, Gustav Keßler, Andreas Kleinlein und Carl Thieme, welche sowohl die Geschäftskommission stellten, als auch seit 1897 für das zentrale Organ Die Einigkeit verantwortlich waren, welches in einer Auflage von 10.000 zweiwöchentlich erschien. Außerdem war Fritz Kater Verleger und Herausgeber der Zeitschrift Der Syndikalist. Vom Lokalismus zum Syndikalismus Um die Jahrhundertwende bestand die Bewegung aus revolutionären Sozialdemokraten und Parteimitgliedern, doch ging die Partei in den Jahren ab 1902 verstärkt dazu über, die lokalistische Bewegung und ihr Programm der „Propaganda für die Idee des Massen- resp. Generalstreiks“ offensiv zu bekämpfen, bis die Parteitage der Jahre 1906 bis 1908 den Ausschluss der dort als „Anarcho-Sozialisten“ betitelten lokalorganisierten Mitglieder thematisierte. Diese bezeichneten sich gemäß ihrer programmatischen Ausformung selber immer häufiger als „Syndikalisten“. Ihre Entwicklung wurde weiterhin maßgeblich durch die Schriften von Fernand Pelloutier (Anarchismus und Gewerkschaften), Arnold Roller (d. i. Siegfried Nacht: Der soziale Generalstreik) und vom Konzept der französischen „bourses du travail“, den sogenannten „Arbeiterbörsen“, geprägt. Im Jahre 1908 fasste die SPD auf ihrem Parteitag in Nürnberg einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den lokalorganisierten Gewerkschaften, woraufhin nur etwa 8.000 der insgesamt ca. 16.000 Mitglieder in der FVDG verblieben. Die weitere programmatische Ausrichtung des Syndikalismus Diese prägten fortan den Begriff „Syndikalismus“ in Deutschland und darüber hinaus und gaben sich im Jahre 1911 das Programm „Was wollen die Syndikalisten?“. Das ideelle Fundament speiste sich zusätzlich vornehmlich aus den Schriften Peter Kropotkins und trug die Bezeichnung „Kommunistischer Anarchismus“. Die Syndikalisten der FVDG setzten sich nicht nur für bessere Lohn- und Arbeitsverhältnisse ein, sondern auch für die Abschaffung des kapitalistischen Wirtschaftssystems zugunsten einer „freien und von der Arbeiterschaft selbst verwalteten Gesellschaftsform“. Dieser „Umformungsprozess“ sollte durch einen Generalstreik eingeleitet werden, in dessen Folge die bislang profitorientierte Produktion zugunsten einer bedürfnisorientierten und solidarischen Wirtschaftsweise umgestellt werden sollte. Die Aufgaben der Bedarfsermittlung, der Verteilung der Produkte, aber generell auch der kulturellen Belange und die der Bildung und Erziehung sollten den Arbeiterbörsen vorbehalten bleiben, in welchen die einzelnen Berufsverbände sowie die außerberuflichen syndikalistischen Vereinigungen zusammengefasst wurden. Dieses Konzept wurde im Wesentlichen formuliert in der Prinzipienerklärung des Syndikalismus von Rudolf Rocker im Jahre 1919 und 1922 von der „Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen“, ausführlicher präzisiert in der Schrift Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Abgesehen von diesem Kernbereich wendeten sich die Syndikalisten auch gegen alle materiellen und ideologischen Bestrebungen, welche ihrer Auffassung nach einer Forcierung des Klassenkampfes zuwiderliefen, beispielsweise den Nationalismus, den Militarismus und das Kirchenwesen. Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Deutschland Infolge ihres Charakters wurde die FVDG mitsamt ihrer Presse (Die Einigkeit und Der Pionier) zu Kriegsbeginn im Jahre 1914 verboten, während die SPD und die Zentralgewerkschaften mit der deutschen Regierung den „Burgfrieden“ schlossen und begünstigt wurden. So mussten beispielsweise die Redakteure vieler SPD-Organe nicht zum Militärdienst antreten. Im Gegensatz zu diesen wurden viele Syndikalisten verhaftet, die öffentlich gegen den Krieg eintraten. Zudem wurden viele Aktivisten der FVDG zum Militärdienst eingezogen, so dass die bloße Aufrechterhaltung der Organisation oberste Priorität erlangte. Dazu gab die Geschäftskommission während der Kriegsjahre zwei Organe heraus, welche nach kurzer Zeit verboten wurden: Das Mitteilungsblatt der Geschäftskommission der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (1914–1915) und das Rundschreiben an die Vorstände und Mitglieder aller der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften angeschlossenen Vereine (1915–1917). Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg Mit dem Ende des Krieges konnte sich die FVDG neu formieren und viele von der Sozialdemokratie enttäuschte Arbeiter ansprechen. Bis 1919 schlossen sich schon etwa 60.000 Mitglieder an. Auf ihrem ersten Nachkriegskongress Ende 1919 vereinigten sich unter dem Programm der genannten Prinzipienerklärung des Syndikalismus in der in „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD) umbenannten Organisation bereits über 111.000 Syndikalisten aus dem gesamten Reichsgebiet mit regionalen Schwerpunkten in fast allen größeren Städten, besonders aber im Rheinland, im Ruhrgebiet, in Schlesien und in Berlin. Ortsvereine entstanden vor allem dort, wo die Industrialisierung einsetzte, und zudem zentralgewerkschaftliche Organisationen noch nicht Fuß gefasst hatten, so auch in vielen Kleinstädten und Dörfern. Lag der Branchenschwerpunkt während der Kaiserzeit bei den Bauarbeitern, so kamen jetzt vor allem Metallarbeiter und Bergarbeiter zu zehntausenden hinzu. Auch in der Holz-, der chemischen- und Verkehrsindustrie wuchsen mancherorts starke syndikalistische Organisationen heran. Die FVDG war eine originäre proletarische Organisation. Intellektuelle bildeten auch auf Funktionärsebene eine seltene Randerscheinung. Begrifflich änderte sich 1919 der Organisationsname zugunsten des Elements „Union“, womit den seit Anfang des 20. Jahrhunderts veränderten Produktionsprozessen Rechnung getragen wurde. Die Mitglieder sollten nicht mehr nur nach speziellen Berufsgruppen organisiert, sondern möglichst nach Industriebereichen zusammengefasst werden, um ihre Schlagkraft am Ort zu erhöhen. Zudem änderte sich im Jahre 1921 per Kongressbeschluss die offizielle Bezeichnung „FAUD (Syndikalisten)“ in das bis 1933 gültige „FAUD (Anarcho-Syndikalisten)“, womit das kommunistisch-anarchistische Fundament verdeutlicht wurde. Dennoch wurden die Begriffe „Syndikalismus“ und „Anarcho-Syndikalismus“ in Deutschland sowohl von Zeitgenossen als auch in der Forschung auch synonym verwendet, da sich außerhalb des Anarcho-Syndikalismus keine rein syndikalistische Organisation definieren konnte. Nahestehende Zusammenschlüsse, wie beispielsweise die „Arbeiter-Unionen“ oder die „Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands“ und der Syndikalistische Frauenbund, orientierten sich rein unionistisch oder anarchistisch. Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) Der Syndikalismus in Deutschland, wenngleich zahlenmäßig nicht größer als etwa 150.000 im Jahre 1922, hatte bedeutenden theoretischen und organisatorischen Einfluss auf die internationale syndikalistische Arbeiterbewegung. Im gleichen Jahr wurde in Berlin in Bezugnahme zur „Ersten Internationale“ von 1864 die „Internationale Arbeiter-Assoziation“ (heute Internationale ArbeiterInnen-Assoziation) nach anarchosyndikalistischen Vorstellungen neu gegründet. Rudolf Rocker verfasste die Prinzipienerklärung und stellte zusammen mit Augustin Souchy und Alexander Schapiro bis 1933 das Sekretariat in Berlin. Die IAA vereinigte zeitweilig bis zu zwei Millionen Mitglieder. Ihre stärksten Sektionen hat sie in Europa und Südamerika. Die IAA vertritt den Standpunkt, dass der Begriff „Syndikalismus“ alleine nicht genüge. Syndikalismus: Zum Gebrauch des Begriffs Tatsächlich versuchten autoritär-kommunistische und faschistische Kräfte vor allem in Frankreich, Italien und später auch in Spanien den Begriff für ihre Ziele in Anspruch zu nehmen. Gegenüber manch solcher zentralistischer und nationalistischer Abart mit Bezug auf Georges Sorel muss betont werden, dass sich die internationale syndikalistische Arbeiterbewegung bewusst an den Ideen und Methoden des Anarcho-Syndikalismus orientierte, wie er sich auch in Deutschland formierte. Entgegen mancher Auffassung spielte Georges Sorel für die syndikalistische Arbeiterbewegung in Deutschland keine und in vielen anderen Ländern, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. In Italien hingegen übte Sorel einen großen Einfluss aus. Benito Mussolini bekannte sich offen zu Sorel und erklärte, dass er von Sorel stark geprägt worden sei.[2] Was die Konkretisierung des Begriffs „Syndikalismus“ dennoch gerade im internationalen Zusammenhang notwendig macht, ist die einfache Tatsache, dass der Begriff von Land zu Land eine andere Bedeutung hat. Er stammt aus dem Französischen von „syndicat“ und bezeichnet in den romanischsprachigen Ländern zunächst einmal lediglich einen weitgehend unbestimmten Gewerkschaftsbegriff. Zur Unterscheidung von sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften wird auch der wenig geeignete, weil inhaltlich nur mäßig bestimmte und ungenaue Begriff „revolutionärer Syndikalismus“ verwendet. Siehe auch Christiaan Cornelissen, Clara Wichmann, Helmut Rüdiger Teresa Claramunt, Salvador Seguí, Ángel Pestaña, Juan Peiró, Diego Abad de Santillán, Luís Andrés Edo Gildensozialismus Literatur Gerhard Aigte: Die Entwicklung der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung Deutschlands in der Kriegs- und Nachkriegszeit (1918–1929) (= Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union Bremen. Streitschrift 1, ZDB-ID 2227240-9). FAU-Bremen, Bremen 2005. Franz Barwich/Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen (1923): „Das ist Syndikalismus“. Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Verlag Edition AV, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-936049-38-6. Helge Döhring: Anarcho-Syndikalismus. Einführung in die Theorie und Geschichte einer internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung. Verlag Edition AV, Lich/Hessen 2017, ISBN 978-3-86841-143-0. Helge Döhring: Syndikalismus in Deutschland 1914-1918. "Im Herzen der Bestie" Verlag Edition AV, Lich/Hessen 2013, ISBN 978-3-868410-83-9. Helge Döhring: Anarcho-Syndikalismus in Deutschland 1933-1945. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 3-89657-062-5. FAU-Bremen (Hrsg.): Syndikalismus – Geschichte und Perspektiven (= Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union. FAU Bremen 4, ZDB-ID 2227240-9). Hauptband. FAU Bremen, Bremen 2005. FAU-Bremen (Hrsg.): Klassenkampf im Weltmaßstab (= Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union. FAU Bremen 8). Ergänzungsband. FAU Bremen, Bremen 2006. Georg Fülberth: G-Strich. Kleine Geschichte des Kapitalismus. PapyRossa-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-89438-315-1. Luigi Ganapini: Revolutionärer und faschistischer Syndikalismus in Italien (1920–1945). In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung Heft I/2007, ISSN 1610-093X, S. 72–77. Bob Holton: British Syndicalism 1900–1914. Myths and Reality. Pluto Press, London 1976, ISBN 0-904383-22-9. Rudolf Rocker: Prinzipienerklärung des Syndikalismus. Kater, Berlin 1920. Hartmut Rübner: Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands; eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus. Libertad Verlag, Berlin und Köln 1994 ISBN 3-922226-21-3. Peter Schöttler: Die Entstehung der „Bourses du Travail“. Sozialpolitik und französischer Syndikalismus am Ende des 19. Jahrhunderts (= Campus Forschung 255). Campus Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1982, ISBN 3-593-33045-8 (Zugleich: Bremen, Univ., Diss., 1978). Georges Yvetot: ABC des Syndikalismus. Verlag der Revolution, Wien 1908. Arturo Zoffmann Rodriguez: "Marxistisch und proudhonistisch zugleich": Die Kommunisten-Syndikalisten der Spanischen CND 1917-1924, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft 2017/III, S. 74–96. Clara Wichmann: Die Theorie des Syndikalismus (1920). In: Clara Wichmann: Vom revolutionären Elan. Beiträge zu Emanzipationsbewegungen 1917-1922. Hrsg. von Renate Brucker, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2018, S. 122–148, ISBN 978-3-939045-36-6.

  • Condition: gebraucht, aber noch gut, siehe Fotos und Artikelbeschreibung
  • Seiten: 64
  • Erscheinungsjahr: 1925
  • Autor: ohne
  • Einband: Softcover
  • Verlag: Metallarbeiterverband der USSR / Führer-Verlag
  • Sprache: deutsch
  • Buchtitel: Der Metallarbeiterverband der Sozialistischen Sowjet-Republiken
  • Eigenschaften: Erstausgabe
  • Thema: Gewerkschaftsbewegung
  • Original/Faksimile: Original
  • Erscheinungsort: Moskau / Berlin
  • Region: Europa
  • Untertitel: Seine Geschichte, Aufgaben und Tätigkeit
  • Genre: Studium & Wissen

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